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Deutsche Elf

Die beiden werden keine Freunde mehr

Oliver Fritsch | Montag, 8. September 2008 Kommentare deaktiviert für Die beiden werden keine Freunde mehr

Die anhaltenden Sticheleien zwischen Kapitän Michael Ballack und Manager Oliver Bierhoff überdecken das bedeutungsschwache 6:0 in Liechtenstein / Der torlose Miroslav Klose sieht sich dennoch Kritik, Mitleid und Spott ausgesetzt; Lukas Podolski und Piotr Trochowski sammeln Pluspunkte

Bevor wir zum Sportlichen kommen – die Sticheleien zwischen Michael Ballack und Oliver Bierhoff gehen weiter. Diesmal hat Bierhoff angefangen, letzte Woche, am Tag der öffentlichen Versöhnung, sagte er stichelnd: „Wir haben in der EM-Qualifikation sehr gute Spiele mit und ohne ihn gemacht. Insofern zeigt das, dass die Mannschaft von der Person Michael Ballack unabhängig ist.“ Nun hat Ballack, wie der FAZ am Sonntag zu entnehmen ist, zurückgetreten: „Die Nationalmannschaft hat schon gewonnen, als Oliver Bierhoff noch nicht ihr Manager war. Und auch zukünftig wird es für den Erfolg nicht entscheidend sein, ob Bierhoff Manager ist oder nicht.“

Peter Heß (FAS) erkennt ein Zerwürfnis: „Die beiden werden so schnell wohl keine Freunde mehr, unterschiedliche Auffassungen haben sich ins Persönliche gesteigert.“ Beim sonntäglichen Frühstücksei haben wir zudem erfahren, dass Ballack Bierhoff nach dem EM-Finale nicht nur „Pisser“ titulierte, sondern auch „Obertucke“. Das war uns neu, vielen Dank an die FAZ. Heß nimmt aber auch der Mutmaßung über den Rangverlust Ballacks innerhalb der Mannschaft die Schärfe: „Der Kapitän war nie so angeschlagen, wie es manche suggerierten. Oberhaching konnte nicht zum Ort eines Friedensschlusses werden, weil kein Krieg geherrscht hatte.“

Zum 6:0 in Liechtenstein im ersten Qualifikationsmatch für die WM 2010 – im heutigen FAZ-Kommentar befasst sich wiederum Heß mit diesem „Pflichtsieg ohne Aussagekraft“ und spricht dem Gegner, einem alten Gesetz Rudi Völler widersprechend, den Status des Kleinen zu: „Für das Team von Joachim Löw konnte Liechtenstein kein Gradmesser sein. Dazu sind die Spieler aus dem Fürstentum bei allem Respekt vor ihren Fortschritten in den vergangenen Jahren zu limitiert.“

Aber so aussageschwach nimmt’s die Fußballpresse dann doch nicht. Es gibt nämlich auf der einen Seite zwei deutsche Spieler, die ihren Rang im Team verbessert und untermauert haben sollen. Heß nennt sie beeindruckt: „Als die Spieler des Fürstentums sich noch wehrten, waren es Piotr Trochowski und Lukas Podolski, die ihr Team auf die richtige Spur setzten. Die beiden wirbelten die Liechtensteiner fast nach Belieben mit ihren Hochgeschwindigkeitskombinationen durcheinander.“

Klose ganz unten

Auf der anderen Seite seien Clemens Fritz und, vor allem, Miroslav Klose die Verlierer dieses Siegs. Christof Kneer (SZ) hätte dem torlosen Klose ein Tor wirklich gegönnt: „Man hat Klose zuletzt schon häufiger beim Kriseln erwischt, aber so bemitleidenswert gekriselt wie an diesem Abend hat er wohl noch nie.“ Und vielleicht ein wenig vorschnell urteilt er im Klose-Podolski-Vergleich, der zurzeit nahe liegt, weil beide im selben Verein spielen (genauer: Klose spielt, Podolski schaut meist zu): „Eine Weile war man ja davon ausgegangen, dass es sich bei Klose um einen Stürmer von internationalem Format handelt und bei Podolski um ein Rätsel; nun scheinen sich die Rollen umgekehrt zu haben.“

Jörg Hanau (FR) formuliert es noch härter: „Der Mann ist unten. Ganz unten.“ (Klose, der Wallraff des deutschen Fußballs?) Und fordert ein Ende der Geduld: „Es ist nur eine Frage Zeit, wann Gomez und/oder Kevin Kuranyi ihre Ansprüche öffentlich zu formulieren beginnen. Noch aber halten alle still. Offene Meuterei verbietet sich, Klose ist eine Autorität. Das ist ihm einzig geblieben. Ginge es nur um Leistung, Klinsmann und Löw hätten ihre schützenden Hände längst zurückziehen müssen.“

Sozialfälle im Sturm

Was Klose heute auch lesen darf: Spott, etwa von Oskar Beck (Welt am Sonntag): „Seine Körpersprache gleicht der eines gequälten Hundes, der die Schlappohren hängen lässt, das Futter verweigert, nicht mehr bellt und bei Halbzeit sein Halsband vergisst oder seine Kapitänsbinde.“ Matti Lieske (Berliner Zeitung) grient, auf die bayerische Solidaritätsaktion in der letzten Woche anspielend: „Wenn es einen Elfmeter gegeben hätte, dann wären ihm wahrscheinlich von Mitspielern und Balljungen gleich ein Dutzend Bälle zur Ausführung gereicht worden.“ Um dann aber ernst zu werden: „Nicht nur dem Bundestrainer, sondern auch Jürgen Klinsmann stellt sich die Frage, ob es sich tatsächlich nur um eine Formkrise handelt, wie sie Klose schon einige Male hinter sich gebracht hat, oder um den Niedergang eines frühzeitig alternden Torjägers.“

Und die anderen „Sozialfälle“ arbeitet Lieske gleich mit ab: „Vom besten Sturm seit langer Zeit war vor der EM häufig die Rede, davon ist nicht mehr viel geblieben. Mario Gomez hat bei der EM mehr Marktwert vernichtet, als es selbst der unfähigste Spielerberater hinbekommen würde, und Kevin Kuranyi hat gegen Atlético Madrid einmal mehr bewiesen, dass ihm für die internationale Bühne ein paar Qualitäten fehlen. Und bei den Helden der rheinischen Lokalpresse, Patrick Helmes oder Stefan Kießling, steht der Weltklassebeweis noch aus.“

Rückkehr von Willi Entenmann?

Mit anderen, nebensächlichen, Abwärtsbewegungen beschäftigt sich Berthold Kohler im Leitartikel der FAZ: „Die SPD verbraucht ihre Vorsitzenden schneller als abstiegsgefährdete Fußballvereine ihre Trainer. Nun muss der ehemalige, auch schon einmal zurückgetretene Vorsitzende Müntefering, dessen politische Karriere vorbei schien, wieder ins Geschirr. Wird als Nächstes der 1. FC Nürnberg die Rückkehr von Willi Entenmann melden?“

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