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Bundesliga

Lösung mit Charme

Oliver Fritsch | Montag, 20. Oktober 2008 Kommentare deaktiviert für Lösung mit Charme

8.Spieltag: Hans Meyer wird zum zweiten Mal Trainer in Mönchengladbach und darf auf einen Bonus bei der Presse bauen / Die TSG Hoffenheim stürmt in die Herzen der Experten / Werder Bremen zeigt Launen / Das Titelrennen ist so unvorhersehbar wie selten zuvor

Hans Meyer ist ein Trainer, der wegen seiner Beredsamkeit gute Karten bei der Presse hat und sich als Retter in der Not schon in Nürnberg und Berlin bewährt hat. Folglich wird seine Rückkehr nach Mönchengladbach in den Medien mit gemäßigtem Optimismus gebilligt. Stefan Hermanns (Tagesspiegel) schreibt: „Die Lösung Meyer besticht nur bedingt durch Originalität. Aber die Gladbacher befinden sich in einer Situation, in der sie sich eines ganz sicher nicht leisten können: Originalität. Ihre Lage erlaubt keine Experimente. Insofern ist die Entscheidung für den Ex eine gute Entscheidung. Sie zeugt von einer für den Verein eher untypischen Sachlichkeit.“

Auch Roland Zorn (FAZ) nennt die Rückholung Meyers einen „traditionellen Therapieversuch“, aber eine „Lösung mit Charme“. Zudem habe Meyer, der mit Gladbach einst aufstieg, aber später auch entlassen wurde, die nötige Erfahrung im Umgang mit dem Präsidenten Rolf Königs: „Meyer war schon mal da, kennt den Königs-Weg also in guten wie in schlechten Zeiten und gehört zur profilierten Nothelfergeneration der Bundesliga.“

Neue Augen

Hoffenheim, 5:2-Sieger in Hannover, gewinnt die Sympathien und den Respekt für seinen erfolgreichen Offensivfußball. Markus Lotter (Berliner Zeitung) hat den Klub ab sofort und für die nächsten Jahre auf seiner Meisterschaftsrechnung: „Hoffenheim muss alles zugetraut werden. Ein Verein, der polarisiert, der sich alles leisten kann, der mit Mäzen Dietmar Hopp, Sportdirektor Bernhard Peters, und Ralf Rangnick charismatische Führungskräfte vorzuzeigen hat. Hoffenheim 1899 hat das Zeug dazu, sich künftig mit dem FC Bayern um die Macht in Deutschland zu duellieren.“

„Auch Hannover wird im Sturm erobert“, stimmt Christian Kamp (FAZ) ein und will eine flache Hierarchie im Team erkannt haben: „Die Wende mit vier Toren in vierzehn Minuten schien fast wie von selbst zu kommen: ohne dass ein Wortführer große Kommandos gab, ohne dass jemand ein Zeichen setzten musste. Einfach, weil das System funktioniert.“ Das soll das Untypische, vielleicht sogar „Undeutsche“ an Hoffenheim betonen; hierzulande führt man ja gerne Führungsspielerdebatten.

Entgegen den Vorurteilen der Hoffenheim-Feinde aus den gegnerischen Fan-Blocks und Internet-Foren hat die TSG bislang keine bekannten Stars gekauft, sondern Unbekannte oder Spieler aus der zweiten Reihe wie Tobias Weis und Andreas Beck aus Stuttgart oder Torjäger Vedad Ibisevic aus Aachen. Klaus Hoeltzenbein (SZ) bestaunt das Scouting und die Entwicklungsabteilung Hoffenheims: „Die Aufsteigerelf ist zwar nicht billig, in ihrem Kern aber noch immer eine Elf der Namenlosen. Es bleibt ein fachliches Rätsel: Warum sehen die einen Klubs in einem Spieler etwas, was andere nicht in ihm erkennen? Die Liga, so scheint es, hat neue, scharfe Augen.“

Verdacht der Überheblichkeit

Werder Bremen bietet seinen Zuschauern Tore hinten und vorne. Gegen Dortmund gab’s ein 3:3, drei Tore fielen in den Schlussminuten, erst führte Dortmund, dann führte Bremen, und gewinnen konnte keiner. Höchste Unterhaltung also, doch Frank Heike (FAZ) gibt das Unberechenbare und Wankelmütige der Mannschaft zu bedenken: „Der Verdacht der Überheblichkeit schwebt über ihr: mal gigantisch, mal desolat, immer unterhaltsam oder sogar völlig verrückt. Eine stete Entwicklung? Nicht zu sehen. Aber Ausschläge in beide Richtungen.“ Auch Jörg Marwedel (SZ) würdigt die „wunderbare Angriffsabteilung“ der Bremer, doch das aktuelle Werder-Team besitze „nicht mehr die Mentalität, die jene Mannschaft ausstrahlte, die 2004 das Double schaffte.“

Starke Opposition

Die Parallelen zwischen Bayern München und der CSU liegen auf der Hand: hier Tabellenmittelmaß, dort die Zumutung, einen Koalitionspartner suchen zu müssen – zwei neue Erfahrungen. Moritz Kielbassa (SZ) spinnt den Faden weiter und erläutert die Ambitionen der politischen Konkurrenz: „Der FC Bayern war zuletzt stramm auf dem Weg zur absoluten Mehrheit an Meistertiteln (bisher zwanzig in 45 Bundesliga-Jahren), heuer aber hat der Reformator Klinsmann einen steinigen Weg vor sich. Zumal es nicht mehr bloß, wie im Vorjahr, die Grünen aus Bremen und die Genossen aus Gelsenkirchen als ernsthafte Mitbewerber gibt. Auch der HSV drängt an die Macht, in Leverkusen formiert sich eine Spaßfußball-Opposition, in Wolfsburg macht das Kapital mobil, in Hoffenheim eine neue Oberschichtenpartei mit kluger Bildungs- und Importpolitik.“

Kurs Tabellenspitze

Dass für den Titelgewinn in dieser Saison viele Vereine in Frage kommen, findet auch Roland Zorn (FAZ), der nach dem 4:1 gegen Bielefeld die PS des neuen Wolfsburger Modells berechnet: „Das jahrelang übersehene Wolfsburger Fußball-Vehikel aus der Mittelklasse startet in dieser Saison mit Turbobeschleuniger durch: Kurs Tabellenspitze. Es ist ein grün-weißes Personaltableau, das durch Geschlossenheit, Zielstrebigkeit und Geschicklichkeit im Umgang mit Ball und Gegner besticht.“

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