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Bundesliga

Jeder Verein hat seinen eigenen Fingerabdruck

Oliver Fritsch | Samstag, 8. November 2008 Kommentare deaktiviert für Jeder Verein hat seinen eigenen Fingerabdruck

Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser verkauft sich blendend / Bernhard Peters hadert mit dem DFB / Ralf Rangnick gibt Einblick in sein Training / Müller-Wohlfahrt und Klinsmann – das hat nicht gepasst

Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser gehört offenbar zu den klugen Köpfen. Ohne es sich mit anderen Klubs zu verprellen, weist er im FR-Interview auf den Fakt hin, dass andere Vereine ihre Stadien mit Steuergeld finanziert haben – und Hopp und Hoffenheim freilich nicht: „Kein Verein inklusive Bayern München ist in der Lage, die Investition in ein neues Stadion aus Bordmitteln zu finanzieren. Ich verstehe die Kritik an Hopp nicht. Andere Klubs finanzieren das über Banken oder über den Steuerzahler. Ich sage das völlig ohne Vorwurf. Jeder Verein hat seinen eigenen Fingerabdruck und muss bestrebt sein, das Maximale aus den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten herauszuholen. Klubs wie zum Beispiel Hertha BSC haben auf ihrem Weg zu einem etablierten Erstligisten auch von einer Art Vorfinanzierung der damaligen Ufa profitiert. Ein solches Vorgehen ist auch überhaupt nicht kritikwürdig.“

Den Vorwurf, dis TSG habe keine Tradition, kontert er ebenso eloquent: „Bis einer unserer Fans das, was er im Herzen trägt, an seine Kinder weitergeben kann, müssen wir uns noch gedulden. Wenn uns also vorgeworfen wird, wir hätten noch keine Tradition, dann könnte ich Ihnen auch vorwerfen, Sie seien noch keine siebzig Jahre alt.“ Hehe.

Einen konkreten Einblick in den Hoffenheimer Erziehungsauftrag gibt Schindelmeiser auch: „Wenn ein 19-Jähriger ohne adäquate Fahrpraxis mit einer 500-PS-Limousine liebäugelt, müssten wir klar sagen: ‚No, das geht nicht.’ Da würde ich unsere Fürsorgepflicht gegenüber den Jungs verletzt sehen. Im Falle eines Unfalls würde man uns Vorwürfe machen, und zwar berechtigt.“

Ein heterogenes Feld

Hoffenheims Hockey-Mann Bernhard Peters beklagt auf Welt Online sehr deutlich die Nichtbereitschaft des DFB, mit ihm zusammenzuarbeiten: „Der Verband hat sich selbst disqualifiziert, nimmt nichts an, meint, er stünde über allem und jedem.“ Dass die Weigerung des DFB mit seiner Kritik an Löw während der EM zusammenhänge, glaubt Peters nicht: „Die Kritik kam zum falschen Zeitpunkt, ich habe mich dafür entschuldigt.“ Na ja, sie kam nicht nur zur falschen Zeit, sie kam auch öffentlich.

Über den intellektuellen Unterschied zwischen Hockey- und Fußballspielern äußert sich Peters lavierend: „Beim Hockey sitzt das höhere Bildungsbürgertum. Die Spieler sind klug, aber sie hinterfragen alles, ich musste jede meiner Entscheidungen begründen.“ Und die Fußballer? „Das Feld ist sehr viel heterogener, es stellt eher das Gesamtbild der Gesellschaft dar. Es gibt Kluge und weniger Kluge, Intelligente und Begrenzte und sehr viel hierarchisches Denken. Fußballer machen schneller, was man ihnen sagt. Aber manchmal greift die Denkweise einfach zu kurz.“ Das Feld ist heterogen! Nett verpackt.

Spaßorientiertes Training

Ralf Rangnick gewährt im taz-Interview von letzter Woche einen konkreten Einblick in seine Training, besonders in das, was er offenbar von Peters gelernt hat: „Seit ich hier bin, hat sich die Qualität unserer Trainingsarbeit deutlich verbessert. Wir haben Spiel- und Übungsformen, da hätte ich vor zwei Jahren nicht daran geglaubt, dass sie im Fußball umsetzbar sind. Am Anfang dachte ich, dass sie nur im Hockey funktionieren. Eine Spielform heißt ‚Streifen’ oder ‚Banane’, weil das Spielfeld auf einen sehr schmalen Korridor reduziert wird, der aber in einem normalen 16-Meter-Raum mündet. Erlaubt sind maximal drei Ballkontakte, nur flaches Spiel, Rück- oder Querpässe sind verboten. Die Spieler werden durch Regeln gezwungen, extrem den vertikalen Blick durch die Gassen und Zonen zu üben. (…) Als ich den VfB Stuttgart trainiert habe, da kamen schnell die Stimmen: Das macht keinen Spaß, Trainer, lass uns fünf gegen zwei spielen. Ich kann nicht ignorieren, was das moderne Spiel erfordert. Wir haben uns zu lange zu Sklaven der Gewohnheiten unserer Spieler machen lassen. Inzwischen hat sich das gewandelt. Aber wir haben Rückstände, was auch die EM gezeigt hat. Da war selbst das Spiel gegen den Ball für mich ein Rückschritt. Dass wir taktisch noch immer hinterherhinken, liegt auch daran, dass unsere Spieler viel zu lange die Annehmlichkeiten eines in erster Linie spaßorientierten Trainings gewohnt waren.“

Kann sein, dass das für Sie langweilig ist. Ich kann diesen Eindruck sehr gut nachempfinden. Oh, wie lernfaul können Fußballer sein!

Auf zu vielen Hochzeiten

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt gründet eine Praxis und verlässt Bayern München mitten in der Saison – Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) zufolge gehe diese Entscheidung auf das schwierige Verhältnis zum Trainer zurück: „Klinsmann passt nicht in die Welt des Orthopäden– und Müller-Wohlfahrt nicht in die des Trainers.“ Zur Begründung heißt es: „Klinsmann vermied es, den Starmediziner zu einer weiteren Zusammenarbeit zu überreden. Schließlich ist es das Leitmotiv des Trainers, dass sich jeder im Verein in erster Linie auf den FC Bayern zu konzentrieren hat. Müller-Wohlfahrt dagegen macht es sichtlich Spaß, auf möglichst vielen Hochzeiten zu tanzen: in seiner eigenen Praxis, als Teamarzt der Nationalmannschaft, als Buchautor und als Aufsichtsratsvorsitzender einer eigenen Gesundheit und Fitness AG, die unter anderem Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Müller-Wohlfahrt, eine Koryphäe der internationalen Sportmedizin, war dem Trainer Klinsmann wohl nicht präsent genug beim FC Bayern.“

Die SZ ergänzt: „Klinsmann, so wird kolportiert, sei nicht begeistert gewesen über die Arbeitsteilung zwischen einem Arzt am Ort, Rüdiger Degwert – und einem für besondere Anlässe.“

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