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Deutsche Elf

Profil neu geschärft

Oliver Fritsch | Samstag, 8. November 2008 Kommentare deaktiviert für Profil neu geschärft

Joachim Löw als Sieger im Ballack/Frings-Konflikt / Kein Abschiedsspiel für Jens Lehmann – recht so! / Dieter Eilts muss gehen, doch die Gründe sind bloß zu ahnen

In der Sache Ballack und Frings gegen Löw zieht Stefan Hermanns (Tagesspiegel) ein Fazit im Sinne des Bundestrainers und versteht dessen Signal: „Die Affäre hat Löw geholfen, sein verschwommenes Profil neu zu schärfen. Noch bei der Europameisterschaft hat er sich nicht getraut, Besitzstände anzutasten: Er hat die Mannschaft nicht nach Leistung aufgestellt, sondern weitgehend nach historischen Verdiensten. Entsprechend skeptisch wurde nach der EM seine Ankündigung aufgenommen, den Konkurrenzkampf neu zu beleben. Die Auseinandersetzung mit Frings und Ballack hat gezeigt, dass Löw das Leistungsprinzip wirklich ernst nimmt, dass er sogar bereit ist, dafür zu streiten. Diese Botschaft richtet sich nicht nur an die Öffentlichkeit. Sie gilt vor allem der Mannschaft, die schon lange ihre Probleme mit dem Leitwolfgehabe der Herren Frings und Ballack hat.“

Sentimentaler Anachronismus

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) kritisiert Bastian Schweinsteiger, weil er sich für ein Abschiedsspiel Lehmanns ausspricht, und Oliver Bierhoff, weil er Lehmann ein Abschiedsspiel versprochen hat: „Es scheint, als breiteten sich im deutschen Fußball merkwürdige Gedanken aus – als hielten sich immer mehr Fußballer für wichtiger, als sie sind. Das Mitleid für Lehmann ist unangebracht. Es hätte keinen sinnvollen Grund für Löw gegeben, dem Torhüter diesen letzten Einsatz im Nationalteam zu schenken. (…) Dass Bierhoff dem Mann von gestern, Lehmann, einst einen Einsatz in Aussicht gestellt hat, ist kaum zu fassen.“

Jan C. Müller (FR) genehmigt Löws Entscheidung: „Ein Abschiedsspiel wäre ein sentimentaler Anachronismus geworden. Der Bundestrainer muss geahnt haben, dass die zu erwartende Berichterstattung über einen unkonventionellen Mann wie Lehmann die Partie überlagert hätte.“ Für das Nein gebe es „derart nachvollziehbare Argumente, dass es verwundern muss, weshalb der Wunsch Lehmanns zum Nachteil von Nachfolger René Adler überhaupt so lange diskutiert wurde.“

Süffisant fügt Müller hinzu, dass „ein einflussreicher Freund“ gesagt haben soll: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jens mit der Niederlage im EM-Finale aufhören will. Es gibt die Möglichkeit, dass er zum Abschied in einem Freundschaftsspiel zum Einsatz kommt.“

Old School

Matthias Sammer rechtfertigt im FAZ-Interview die Entlassung Dieter Eilts’ als U21-Trainer mit klaren, dunklen Worten: „Wir sind zwar mit den Zahlen zufrieden, aber – wenn man die Spiele betrachtet hat – mit dem Inhalt nur bedingt. Uns geht es aber in erster Linie um eine Gesamtphilosophie, und da hat Dieter Eilts für sich von Anfang an in Anspruch genommen, dass er auf diesem von uns beschlossenen Weg das eine oder andere kritisch beurteilt.“ Der Text trägt den Titel: „Inzwischen weht ein anderer Wind“.

Christof Kneer (SZ) hat begriffen, dass Eilts als „old school“ gelte und nicht zur neuen „Spielphilosophie” passe. Er sei ein Mann, der unter Otto Rehhagel groß geworden sei, der bekanntlich von Fitnesscoachs und Sportpsychologen nichts halte. „Am Ende“, gibt sich Kneer irritiert, „hat der DFB offenbar keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als einen Trainer zu verabschieden, dessen Elf soeben die von Sammer ausdrücklich geforderte Siegermentalität unter Beweis gestellt hatte.“ Sammer war in der Tat lange dadurch aufgefallen, dass er dem Ergebnis den Vorrang vor der Spielidee einzuräumen schien. Woher diese rhetorische Wende nun stammt, ist ungeklärt.

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