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Am Grünen Tisch

Hochverrat am DFB

Oliver Fritsch | Donnerstag, 4. Dezember 2008 Kommentare deaktiviert für Hochverrat am DFB

Felix Magath legt Berufung gegen das Sportgericht ein und verstößt damit gegen das Rechtsempfinden des Verbands / England fürchtet einen „Transfer Crunch“ (Guardian), die Bundesliga hat ihre „Notgroschen beisammen“ (FAZ) / Zuschauerschwund im Amateurfußball wird durch den neuen Spielplan der Bundesliga forciert

Felix Magath ist vom Sportgericht wegen Schiedsrichterbeleidigung zu 10.000 Euro Strafe verdonnert worden und legt Berufung gegen das Urteil ein. „Wer jetzt denkt“, schmunzelt Peter Penders im FAZ-Kommentar von gestern, „das sei doch in einem Rechtsstaat eine normale Angelegenheit und mache ebendiesen aus, hat natürlich Recht – aber was hat das mit dem DFB zu tun?“ Denn DFB-Vizepräsident Rainer Koch hat ein für alle mal klargestellt: „Ich habe keinerlei Verständnis für Felix Magath, der jetzt sein Verhalten auch noch schönzureden trachtet und eine sportgerichtliche Ahndung nicht akzeptieren möchte. Magath ist dabei, sich mit den DFB-Rechtsorganen anzulegen.“

Penders kommentiert Auffassung Kochs, indem er sie in einen allgemeinen Zusammenhang stellt: „Statt gelassen auf die Berufung zu reagieren, weil es nämlich Magaths gutes Recht ist, hat der DFB wutschnaubend auf diese offenbar unglaubliche Unverschämtheit reagiert und ein interessantes Rechtsverständnis offenbart. Verfolgt man die Meldungen der vergangenen Wochen, dann gilt es beim DFB schon als Hochverrat, eine andere als die offizielle Meinung zu welchem Thema auch immer zu haben.“ Koch ist übrigens Richter am OLG München.

Kaufmännisches Vorbild Bundesliga

Dem Guardian entnehmen wir, dass die englische Liga einen Brief an ihre Mitglieder verschickt hat, in dem sie „in ökonomisch schwierigen Zeiten“ Sicherheiten garantiert, um einen „Transfer Crunch“ zu vermeiden. Zum Hintergrund: Viele Transfers sind zumindest zum Teil über Hedge Fonds und andere riskante Anlageformen abgewickelt worden, die durch die globale Finanzkrise in Gefahr geraten sind. Die Folge könnten hohe Transferschulden sein. Unklar ist ob der Brief, wie behauptet, eine vorbeugende Maßnahme ist, oder, wie Insider angeblich behaupten, eine Reaktion auf Beschwerden von Gläubigervereinen ist.

Ronald Reng (taz) teilt mit, dass die Schiebereien in der spanischen Zweiten Liga sich fortsetzten; der jüngste Fall sei Málaga, inzwischen Erstligist: „Oft sind Schmiergelder nicht nur die leichteste, sondern auch die letzte Möglichkeit für spanische Zweitligaspieler, noch an Geld zu kommen.“

Der FC Valencia ist verschuldet und sucht, bislang vergeblich, nach Kreditgebern; es geht das Gerücht, Roman Abramowitsch verliere sein Interesse an Chelsea, weil er durch die Finanzkrise viel Geld verloren habe; in Italien und Spanien stehen Vereine unterhalb der Ersten Ligen vor der Pleite. England fürchtet einen „Transfer Crunch“. „Alarmierende Meldungen aus England, Spanien und Italien häufen sich“, diagnostiziert Roland Zorn im FAZ-Kommentar von heute, „während es der insgesamt solide wirtschaftenden Bundesliga vergleichsweise gut geht“, da sie „ihre Notgroschen beisammen“ habe. Der europäischen Konkurrenz hält er das deutsche Finanz- und Ordnungsmodell mit seinem „beispielhaften Lizenzierungsverfahren“ entgegen: „Verpflichtete die Uefa auch andere Länder konsequent dazu, sich am kaufmännischen Vorbild Bundesliga zu orientieren, wäre im Kampf gegen die Schuldenkrise des Fußballs auch im Sinne kontinentaler Wettbewerbsgerechtigkeit viel gewonnen.“

Zuschauerschwund

Johannes Graf (Augsburger Allgemeine) kritisiert den neuen Bundesliga-Spielplan aus Sicht der Fans und der Amateurklubs: „Die DFL und der DFB betonen, dass sie auf den Stadion-Fan nicht verzichten wollen. Den, der sich bei jedem Wetter in die Fankurve stellt und für lebhafte Atmosphäre sorgt. Mehr Geld bringt ihnen jedoch der TV-Fan – egal ob in der Kneipe oder auf der Wohnzimmercouch. Die Fernseh-Fankultur ist leichter zu pflegen. Fußball läuft rund um die Uhr, das ganze Wochenende hindurch. Das Fernsehen läuft dem Live-Fußball schon lange den Rang ab. Der Prozess verschärft sich. Verlierer sind neben den Stadion-Fans die Amateurvereine. Bisher galt der Sonntagnachmittag als erstligafreie Zone. Zuschauerschwund hatten die Klubs in niedrigeren Regionen schon länger zu beklagen, nun kommt ein 15.30-Uhr-Spiel als Konkurrenz hinzu.“

Die Allgemeine Zeitung (Landkreis Uelzen) zitiert Frank Juchert, den Vorsitzenden des Bezirksligisten TuS Bodenteich, der den neuen Spielplan als „nicht akzeptabel und nicht hinnehmbar“ beklagt. Auch Kreis-Fußballboss Gerd Lüdtke (TSV Gr. Hesebeck/R.) und Teutonias Ehrenpräsident Gerhard Kuhring sollen sich schon kritisch geäußert haben. In einem Brief an den DFB stellt Juchert klar, dass er sich mit der derzeit noch gültigen Lösung, also der Ansetzung Sonntag 17 Uhr, angefreundet habe: „Spieler, Trainer, Betreuer und Besucher finden sich nach Spielschluss in den Vereinsheimen dieser Republik ein, um beim Bundesligaspiel miteinander zu sprechen. Das wird durch eine Ausdehnung der Spielzeiten zerstört.“ Miteinander zu sprechen. So hab ich das auch immer genannt.

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