indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Der Mona Lisa ihr Lächeln geraubt

Oliver Fritsch | Montag, 23. März 2009 8 Kommentare

25. Spieltag: Der Liga fehlt der Hoffenheimer Schwung, auch der Leverkusener / Mit einer Wolfsburger Meisterschaft ist mittlerweile zu rechnen / Hertha, „die Dame ohne Unterleib“ (FTD), bekommt die Liebe entzogen / Tatsachenentscheidung in Hoffenheim und München

Spannung im Meisterrennen wie selten zuvor, doch Matti Lieske (Berliner Zeitung) fehlt der Hoffenheimer Angriffsfußball aus der Vorrunde und spendet ihnen Trost: „Vom berauschenden Fußball des vergangenen Jahres sind nur Ansätze geblieben, nun wird die Liga dominiert vom Bürokratenfußball a la Wolfsburg, Hertha und Bayern. Den Hoffenheimern ist nicht die Luft ausgegangen, wie vielfach, vor allem von Uli Hoeneß, prophezeit, sie hatten einfach unglaubliches Pech. Durch Verletzungen verloren sie ihre stärksten Kräfte, in dieser Massivität kann so etwas kein Team verkraften. Für Hoffenheim ist das schade, aber keine Katastrophe. Die Mannschaft hat schon jetzt eine bessere Saison gespielt, als zu erwarten war, und sie hat Zeit. Für das Gesicht der Liga hingegen ist der Absturz des Aufsteigers so, als hätte man der Mona Lisa ihr Lächeln geraubt.“

Jan Christian Müller (FR) vermisst frische Luft aus zwei Himmelsrichtungen: „Nach der Winterpause tragen die beiden unerfahrensten Teams ihre Heimspiele auf unbekanntem Terrain aus: in Düsseldorf und Sinsheim. Das heimelige Heimspiel-Gefühl hat sich vor allem bei den Leverkusenern nicht eingestellt. Die Hoffenheimer sehen sich von einer Verletzungsserie heimgesucht. Hoffentlich bleiben beide Klubs auch in der Schwächephase stark und lassen sich durch die aktuelle Delle nicht von ihren erfrischenden Jugend-forsch-Strategien abbringen.“

Auf Augenhöhe

Durch das 3:0 in Bielefeld rückt der VfL Wolfsburg Hertha auf die Pelle und schließt punkt- und torgleich zu Bayern München auf. Im nächsten Spiel in zwei Wochen wird es zum Duell 2 gegen 2 kommen. Peter Penders (FAZ) bereitet die Bayern auf einen fitten Gegner vor und uns auf eine Wolfsburger Meisterschaft: „Derart auf Augenhöhe mit den Bayern waren die Wolfsburger noch nie. Aus Erfahrung mit der Trainingsarbeit von Felix Magath dürfte so mancher Münchner noch wissen, dass da in zwei Wochen auch in der Endphase der Saison eine sehr austrainierte Mannschaft auf ihn warten wird. Es spricht derzeit viel für Wolfsburg.“

Sehnsucht nach Größe

Die Vorlage Schalkes, öffentlich nach einem Manager zu suchen, nimmt Penders auf und verwandelt eiskalt: „Da die Schalker ihre Medienarbeit neu ordnen wollen, könnten sie das Casting doch gleich an irgendeinen Fernsehsender verkaufen – auf eine peinliche Sendung mehr oder weniger kommt es doch wirklich nicht an.“

Der „zweitgrößte und zweitbewegendste Sportverein Deutschlands“ (FAS) sucht einen großen und bewegenden führenden Mitarbeiter und hat Oliver Kahn ein Werbungssignal gesendet. Richard Leipold entschlüsselt es: „Clemens Tönnies’ Sehnsucht nach Kahn (oder einem vergleichbar berühmten, selbstbewussten Mann) dürfte sich auch aus dem Anspruch speisen, dass Schalke viel mehr Strahlkraft entwickeln müsste, nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch in der Führungsetage.“

Die SZ will gehört haben, dass Schalke einen Steckbrief angefertigt habe, um nach einem Nachfolger für Trainer Fred Rutten zu fahnden.

Dame ohne Unterleib

Ein Spiel verloren, 0:2 in Stuttgart, und die Presse entzieht den Berlinern die Liebe. Jürgen Ahäuser (FR): „Nach dem desaströsen Auftritt liegt der Schluss nahe: Berlin tanzte nur einen sehr kurzen Spätwinter lang, Berlin war nur für einen sehr flüchtigen Moment auch die Fußball-Hauptstadt.“

Elke Rutschmann (Financial Times Deutschland) bescheinigt dem Nach-wie-vor-Tabellenführer Zerbrechlichkeit: „Nichts war zu sehen von Herthas hochgelobtem Hochgeschwindigkeitsfußball. Die Mannschaft fand nie ihren Rhythmus. Ein ernsthafter Meisterkandidat tritt anders auf. Vielleicht ist die Hertha eben doch ein sehr fragiles Gebilde, das bei leichten Änderungen schnell die Balance verliert – eine Dame ohne Unterleib.“

Christof Kneer (SZ) vermutet gar erste Spuren von Werteverfall bei der Hertha: „Nun hat also auch die Berliner die Höhenluft erwischt. Womöglich haben die Spieler einmal zu oft Geschichten über ihr tolles Spielsystem gelesen, was sie auf die Idee brachte, das System könne es von alleine richten.“

Mut verloren

Dem Bayern-Sieg gegen Karlsruhe kann Michael Neudecker (Berliner Zeitung) nichts abgewinnen: „Und Klinsmann? Ach, Klinsmann. Der Trainer hat irgendwo zwischen Alle-besser-machen-Rhetorik zu Saisonanfang und der neuerlichen Krisenzeit seinen Mut verloren; er wechselte in der 72. Minute den Siegtorschützen José Sosa aus, aber nicht etwa den frechen Jungprofi Thomas Müller ein, sondern den langweilig defensiv agierenden Andreas Ottl.“

Sanktionsgefälle hinzunehmen

Dass der Hoffenheimer Luiz Gustavo, vom Schiedsrichter ungeahndet, vermutlich gesperrt wird und Franck Ribéry für ein vergleichbares Vergehen mit Gelb davon kommt findet Klaus Hoeltzenbein (SZ) aus formellen Gründen richtig: „Die Tatsachenentscheidung schützt den Schiedsrichter; würde dieses Prinzip ausgehebelt, wäre die Autorität der Spielleitung dahin. Zu diesem System fehlt bislang jede Alternative: Ein Sanktionsgefälle wie bei Gustavo/Ribéry muss grummelnd in Kauf genommen werden.“

Die Blutgrätsche des Tages geht an Rudi Völler: „Wir sitzen alle in einem Boot, zusammen müssen wir die Karre aus dem Dreck ziehen.“

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Kommentare

8 Kommentare zu “Der Mona Lisa ihr Lächeln geraubt”

  1. Moritz Meyer
    Montag, 23. März 2009 um 13:44

    Zunächst mal Glückwunsch zum gelungenen Relaunch. Offenbar haben die neuen Arbeitskollege die ein oder andere Inspiration beigesteuert. oder wird hier der Boden für eine freundliche Übernahme bereitet?
    Ob zwei Meinungsportale nötig sind, weiß ich nicht. Fand den unkommentierten Zugang zu den Presseinfos eigentlich immer ganz nett.
    Aber bevor ich jetzt schizophren werde, einfach meine Meinung: In der Tat geht es mir ein wenig zu schnell, wie Hertha abgeschrieben wird. Ist da keiner, der merkt, dass nach einer unfassbaren Serie von guten Auftritten fast zwangsläufig ein schlecher folgen würde? Und dass er gegen eine Mannschaft wie Stuttgart kommen musste, ist fast nur folgerichtig. Denn gegen die Kaliber Bayern, Hoffenheim und ja auch Bremen, ist man ohnehin motivierter. Und für die Abstiegskandidaten wie Cottbus war Hertha einfach zu stark. Aber eine Mannschaft wie Stuttgart ist schwer auszurechnen, pendelt zwischen Licht und Schatten. Wenn da ein guter Stuttgarter-Tag auf eine Hertha-Elf trifft, die mal wieder Pech hat (Friedrich-Verletzung), ja dann passiert es halt.

  2. Oliver Fritsch
    Montag, 23. März 2009 um 15:50

    Von der Kommentarfunktion erwarte ich mir unter anderem Hinweise auf Sachen, die ich übersehen habe. Vielleicht aus einer Lokalzeitung oder einem Boulevardmagazin. Vielleicht sogar ein gutes Interview aus dem kicker.

  3. juwie
    Montag, 23. März 2009 um 23:05

    Netter Relauch, aber es gab doch noch ein paar nette Rubriken mehr wie „11 Freundinnen“ oder „Am Grünen Tisch“

  4. Oliver Fritsch
    Dienstag, 24. März 2009 um 00:07

    Am Grünen Tisch gibts ja noch. Die 11 Freundinnen kommen noch.

  5. hilti
    Dienstag, 24. März 2009 um 01:32

    Es wäre schön gewesen, wenn nach dem Umbau die schon besuchten Links endlich eine andere Farbe bekommen hätten als die noch nicht besuchten. So muss ich die Seite weiter mit deaktiviertem style sheet lesen.

  6. netzlaboranten
    Dienstag, 24. März 2009 um 09:59

    So besser mit den Links? Wär ja schade ohne Stylesheet 😉

  7. links for 2009-03-24 | Du Gehst Niemals Allein
    Dienstag, 24. März 2009 um 13:05

    […] Der Mona Lisa ihr Lächeln geraubt | indirekter freistoss "Fand den unkommentierten Zugang zu den Presseinfos eigentlich immer ganz nett." (tags: blogs) […]

  8. juwie
    Dienstag, 24. März 2009 um 18:52

    Das mit dem „Grünen Tisch“ stimmt natürlich – hatte unter „G“ nachgeschaut. Aber die Rubrik „Eingenetzt“ hat sich doch inzwischen sicher überlebt.

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