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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Vermischtes

Abschied von bröckelndem Putz und stinkenden Latrinen

Oliver Fritsch | Mittwoch, 20. Mai 2009 5 Kommentare

Schnell nachgereicht ein paar Fundstücke der letzten Tage: Abschied vom Tivoli, Neues über Louis van Gaal, Uli Hoeneß zupft die alte Leier, Clemens Tönnies hat den dicksten, Trainertalentschmiede Zweite Liga

Anschaulich! Alemannia Aachen verlässt den Tivoli, und Bernd Müllender (Berliner Zeitung) wird viele Details vermissen: „Es ist ein Abschied von bröckelndem Putz, von stinkenden Latrinen, schiefen Stufen, Zäunen und Wänden, von sichtbehindernden Pfeilern, von Eternit-Dächern und rostenden Flutlichtmasten. Für die winzigen Umkleiden mit den betagten Holzbänken und je einem Klo pro Team würde sich ein Kreisligist entschuldigen. Das Stadion galt immer als Kessel, in dem es Hexen mit der Angst zu tun bekommen. Auch der wohltuend sachliche Stadionsprecher Robert Moonen zieht in seinem 36. Dienstjahr um – und mit seiner Stimme die wehmütige Erinnerung an des Fußballs derbe Echtheit, bevor er zum Event wurde.“

Der beste Text von Christof Kneer (SZ) seit langem, ein Louis-van-Gaal-Portrait, das neue Ansichten sammelt und neue Stimmen zitiert. Kneer, der oft zu viel mit der Hacke spielt, statt aufs Tor zu gehen, hat mit ehemaligen Spielern van Gaals, etwa Brian Roy, gesprochen, und kommt zum Fazit: „Die Bayern brauchen jemanden, der den Klub nach Klinsmanns ganzheitlichem Aktionismus zum strengen Handwerk zurückführt; und van Gaal braucht die Bayern, weil er seinem Heimatland schon noch mal beweisen will, dass ein paar Klischees falsch sind – jenes etwa, wonach er nur mit Spielern Erfolg haben kann, die er kennt und selbst gezüchtet hat. Im taktisch rückständigen Deutschland dürfte er auch heute noch wie ein Erneuerer wirken – zumal er sich auch selbst ein bisschen erneuert hat.“ Auch der Titel ist sehr gelungen: „Mir san oranje“

Der dickste Mercedes

Aufschlussreiches über Clemens Tönnies erfahren wir von Daniel Theweleit (Berliner Zeitung): „Eine gewisse Großmannssucht schimmert fast immer hervor, wenn Tönnies auftaucht. Selbstverständlich besitzt er den dicksten Mercedes, und wenn er auf dem Schalker Clubgelände vorfährt, dann stellt er seinen Wagen schon mal mitten auf der Straße ab und wirft einem Lakaien den Schlüssel zu.“ Erwähnung finden auch die Ermittlungen gegen Tönnies: Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Die Staatsanwaltschaft habe aber die meisten Vorwürfe fallen lassen.

Komplimente

Diego geht wohl nach Turin, und Uli Hoeneß spielt sein altes Die-Leute-für-dumm-verkaufen-Spiel, wenn ihm ein Wunschspieler durch die Lappen geht: „Der Spieler hat uns sehr gereizt, aber es gehört der Gesamteindruck dazu. So, wie die Gespräche gelaufen sind, haben wir schnell den Eindruck bekommen, dass diese Art von Geschäft dem FC Bayern nicht gut zu Gesicht steht“, sagt er der FAZ. Stichwort: Der FC Bayern bekommt jeden Spieler, den er will. Die alte Leier des Beleidigten? Oder strategische Verschleierung? Noch ist Diego nirgendwo unter Vertrag.

Interpretierungsbedürftig ist auch der folgende Satz: „Wir haben seit Jahren den Traum, dass wir einen Trainer haben, der alles selbständig macht und wir uns nur noch über die Erfolge freuen.“ Ok, Klinsmann hatte es nicht drauf. Aber haben sich Magath und Hitzfeld für dieses Kompliment schon bedankt?

Ein SZ-Portrait von Cacau (den der DFB in seiner Pressemitteilung in Anführungszeichen setzt): „Er wurde nicht Deutscher, um Nationalspieler zu werden. Er wurde Nationalspieler, weil er Deutscher ist.“

Hier kann man sich probieren

Markus Lotter (Berliner Zeitung) spricht der Zweiten Liga den Status der Talentschmiede für Trainer zu: „Uwe Rapolder zählt wie Benno Möhlmann oder Peter Neururer zu den in den Fünfzigerjahren geborenen Trainern, die in dieser Saison von jüngeren Kollegen überflügelt worden sind. Von Meistertrainer Robin Dutt, 44, der den SC Freiburg vom Schatten eines Volker Finke befreit hat. Von Jörn Andersen, 46, der Mainz 05 doch noch einmal auf der Zielgeraden stabilisieren konnte. Und von Michael Oenning, 43, der aus dem taumelnden 1. FC Nürnberg wider Erwarten eine Spitzenmannschaft mit unverwechselbaren Spielstil gemacht hat. Offensichtlich ist die Zweite Liga das richtige Feld für die günstige Entwicklung junger Trainer. Offensichtlich kann man sich hier noch probieren, Ideen leben, nachhaltig wachsen und sich das nötige Rüstzeug für die Arbeit in der Bundesliga zulegen. Jürgen Klopp hat das beste Beispiel gegeben.“

Kommentare

5 Kommentare zu “Abschied von bröckelndem Putz und stinkenden Latrinen”

  1. Ingrid
    Mittwoch, 20. Mai 2009 um 13:54

    Ein TV-Hinweis: Heute abend kommt um 22.15 auf RTL im Stern-TV bei Günther Jauch: Jürgen Klinsmann
    (Erstmals seit seinem Rauswurf beim FC Bayern bezieht Jürgen Klinsmann öffentlich Stellung.)
    Es gibt aber 4 Themen in der Sendung, also dürfte man annehmen, dass „Klinsi“ zum Schluss kommt und nicht zeitgleich mit dem UEFA-Finale.

  2. Henning
    Mittwoch, 20. Mai 2009 um 15:06

    Ich hatte 1990 die Ehre, mit der Schulmannschaft dort spielen zu dürfen. Das mit der Kabinenluft kann ich bestätigen, und der Tunnel war sehr beeindruckend. Später hat es mir auch im Gästeblock sehr gut gefallen, auch wenn es selten was zu erben gab. Leider gehören solche Stadien immer mehr der Vergangenheit an, und mit den Arenen ist es wie mit den Innenstädten: Kennst du eine, kennst du alle. Einzig die Stadionwurst im Gästebereich wird wohl niemand vermissen. Eine Beleidigung für alle Würste dieser Welt.

  3. Prometheus
    Donnerstag, 21. Mai 2009 um 09:44

    Na, hat da einer in der Schule nicht aufgepasst? So wie ein Fußballspieler einen vernünftigen Pass über kurze Distanz spielen können sollte, stünde es einem Journalisten gut zu Gesicht, über das sprachliche Rüstzeug zu verfügen, als dessen Bestandteil die Rechtschreibung anzusehen ist.

    Das Kompositum „die-Leute-für-dumm-verkaufen-Spiel“ gehört der Gruppe der „Zusammensetzungen durch Bindestriche“ bzw., wie früher bezeichnet, „Durchkopplungen“ an. Bei diesen werden das erste Wort und die substantivischen Elemente des Kompositums groß geschrieben.

    Aber wie mir zugetragen wurde, spielte auch Maradonna von Zeit zu Zeit einen Fehlpass. 😉

  4. Oliver Fritsch
    Donnerstag, 21. Mai 2009 um 10:06

    Danke Prometheus, für diese Lektion. Ich werde es korrigieren.

    Was man hingegen nicht im Deutschunterricht lernt (weil Deutschlehrer wenig von guter Sprache verstehen): „bzw.“ ist hässlich. Meist steht es für „und“ oder „oder“. Aber um sich aufzublähen, macht der Schreiber aus dieser einen Silbe fünf („beziehungsweise“) – um es dann wieder abzukürzen. Deutscher gehts nicht.

  5. Heinrich IV.
    Donnerstag, 21. Mai 2009 um 10:52

    Wenngleich „hässlich“ oder nicht eher eine Frage des Geschmacks ist, überquere ich nun dennoch die Alpen.

    Aus dem Duden für richtiges und gutes Deutsch:

    „1. beziehungsweise / oder vielmehr / genauer gesagt: Die aus der Kanzleisprache stammende Konjunktion beziehungsweise (abgekürzt: bzw.) kann in vielen Fällen – meist stilistisch besser – durch oder, [oder] vielmehr, genauer / besser gesagt ersetzt werden: Er war mit ihm bekannt beziehungsweise befreundet. Besser: Er war mit ihm bekannt oder vielmehr befreundet. Sie wohnt in Frankfurt beziehungsweise in einem Vorort von Frankfurt. Besser: Sie wohnt in Frankfurt oder genauer gesagt in einem Vorort von Frankfurt. Die Firma Müller bzw. die Firma Meier wird die Ware liefern. Besser: Die Firma Müller oder die Firma Meier wird die Ware liefern. (Kongruenz 1.3.12). In Fällen, wo ein wirklicher Bezug auf zwei verschiedene Substantive vorliegt, kann beziehungsweise, wenn man es vermeiden will, durch und im andern Fall oder einfach durch und ersetzt werden: Die Fünf- und Zweicentstücke sind aus gelblichem bzw. rötlichem Metall / … sind aus gelblichem und im andern Fall aus rötlichem Metall. Ihr Sohn und ihre Tochter sind 10 bzw. 14 Jahre alt / … sind 10 und 14 Jahre alt.“

    Auch ein angehender Deutschlehrer lernt nicht aus und sollte sich nicht herablassend aus dem Fenster lehnen.

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