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Deutsche Elf

Jedes Spiel hat sein eigenes Design

Frank Baade | Freitag, 14. August 2009 Kommentare deaktiviert für Jedes Spiel hat sein eigenes Design

Weiterhin ist die Leistung der Nationalmannschaft in Aserbaidschan Thema, besonders der Abwehr wird ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, doch es gibt auch positive Stimmen

Ausputzer à la Matthäus

Karlheinz Wagner bleibt am Ball (FR) und rügt alle Mannschaftsteile: „Ein ums andere Mal entstanden große Probleme mit den quirligen, giftigen Gastgebern. Auf der rechten Seite bekam Philipp Lahm die Dinge nicht in den Griff, auf der linken lief Marcel Schäfer den anstürmenden Gegnern häufiger hinterher, als es Löw einkalkuliert haben dürfte. In der Mitte verursachte der Stuttgarter Serdar Tasci vor lauter Nervosität ein Malheur nach dem anderen, was Per Mertesacker dazu zwang, eine Art Ausputzer zu spielen, wie es ihn seit der Ära Matthäus eigentlich nicht mehr gibt. Nicht nur die Abwehr wackelte, im Mittelfeld reihte sich Fehler an Fehler. Vermutlich deshalb ging Michael Ballack im weiteren Spielverlauf so weit nach hinten, als wolle er vor der Abwehr für die Rückkehr seines nicht nominierten Freundes Torsten Frings demonstrieren. In diesem Getümmel machte Mario Gomez aus jedem Ballbesitz eine Mischung aus Doktorarbeit und Zirkusnummer, statt einfach zu tun, wofür er ordentlich bezahlt wird: aufs Tor schießen. (…) Dem Bundestrainer war alles in allem ein mächtig großer Stein vom Herzen gefallen, dass kein schlimmerer Schaden entstanden war.“

Epizentrum der öffentlichen Unsicherheit

Alexander Laux vertraut in der Welt der Abwehr nicht mehr: „Per Mertesackers Generalkritik beschrieb einen Zustand, den das Fußballvolk schon seit Jahren beklagt: den Vertrauensverlust in die Qualitäten der Hintermannschaft. Schon während der Ära von Jürgen Klinsmann war die Abwehr lange das Epizentrum der öffentlichen Unsicherheit. Daran hat sich nicht viel geändert, vorbei sind die Zeiten, als das deutsche Tor wie ein wohl behüteter Schatz wirkte. Und so steht schon jetzt fest, dass kein anderer Mannschaftsteil bis zur WM so heiß diskutiert werden wird wie die Hintermannschaft – Torwartposition und defensives Mittelfeld inklusive. Als gesetzt dürfen sich nur der selbstkritische Mertesacker, Philipp Lahm und Michael Ballack fühlen. Die Besetzung der weiteren vier Positionen ist derzeit offen. Von sprichwörtlich zentraler Bedeutung wird auch die Besetzung der Position neben Michael Ballack im Mittelfeld sein, um die sich neben Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes auch weiter Torsten Frings bewirbt. Für Frings könnte sprechen, dass sich Ballack an seiner Seite wohl mehr in die Offensive wagen würde. Dies würde die Angriffs-Vorstellungen Löws unterstützen. Der Trainer erhofft sich modernes, schnelles, vertikales Spiel. Davon sind die Akteure jedoch noch weit entfernt.“

Bezüglich der Gründe für diese große Entfernung berichtet Christian Kamp in der FAZ von einer einheitlichen Meinung bei Trainern und Team: Der Zeitpunkt sei schlicht zu früh in der Saison gewesen, man habe keine Zeit gehabt, etwas einzustudieren. „Kaltstart“ nennnen die einen das, eine „gefestigte Form“ können man so früh noch nicht haben, rechtfertigen sich die anderen. Als Lichtblicke dieser Partie blieben allein Philipp Lahm sowie Robert Enke im Tor, obschon auch er weiß, dass noch kein Entscheidung auf der Torhüterposition gefallen ist.

Herzog Ballack

In der SZ lobt Christian Zaschke die Nationalspieler. Allerdings nur dafür, dass sie die Partie nicht schönredeten. Und beäugt noch einmal Michael Ballacks Rolle: „wie ein Herzog in seinen Ländereien“ sei er durch die Mitte geschritten, habe auf diese Weise Hitzlsperger öfter an den Rand gedrückt. Zudem habe sich Ballack die Bälle weit hinten geholt, nach vorne befördert und dann eben dort gefehlt, was das deutsche Spiel langsam gemacht habe. Obschon Ballack mit Frings als Partner anders spiele, sich weiter nach vorne wage, solle man seine Spielweise gegen Aserbaidschan nicht zwangsläufig als „verschlüsselten Ruf nach Frings“ interpretieren. Löw wünscht sich Hitzlsperger als Ballacks Kompagnon, doch zu überzeugen habe diese Konstellation am Mittwoch nicht gewusst. Noch habe Löw allerdings Zeit für eine Entscheidung in dieser Frage.

Ausdruck von Reife

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) glaubt wie Jogi Löw nicht daran, dass das schwache 2:0 Aussagekraft für die Partie in Russland besitzt: „Nach dem Auftritt der Nationalmannschaft in Baku kann man diese Haltung für naiv oder gefährlich halten – man kann Löw aber auch Recht geben. Jedes Spiel hat seine eigenen Bedingungen, seine eigene Vorgeschichte, sein eigenes Design. Das in Baku fand unter ganz besonderen Voraussetzungen statt: Die deutschen Spieler reisten quasi aus der Sommervorbereitung zur Nationalmannschaft. Moskau wird, so platt sich das anhört, ein völlig anderes Spiel. Auch wenn das Spiel nicht im Geringsten spektakulär aussah – dass die Deutschen anders als unter Jürgen Klinsmann nicht mehr nur den bedingungslosen Hauruckfußball im Repertoire haben, ist auch ein Ausdruck von Reife. In Moskau wird diese Reife einer ganz anderen Prüfung unterzogen. Aber ist die Nationalmannschaft nicht immer dann am stärksten, wenn sie hoffnungslos unterlegen scheint?“

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