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Bundesliga

Ein calvinistischer Zuchtmeister und sein leichtfüßiger Filou

Frank Baade | Montag, 14. September 2009 Kommentare deaktiviert für Ein calvinistischer Zuchtmeister und sein leichtfüßiger Filou

Ribéry hat seinen Trainer gänzlich unmilitärisch sehr lieb, der FC Bayern schwimmt in Offensivkräften, in Berlin beginnt die Ergebniskrise, Veh pokert zu hoch, Leverkusen und der HSV bilden die Teams der Stunde

Mit dem Köfferchen in den Bus

„Was für eine rührende Show“, titelt Daniel Theweleit in der taz bezogen auf den Sprung Ribérys in van Gaals Schoß – wobei dieser die Übung schließlich stand. Trotz aller Bedenken bezüglich der Spontaneität des Vorfalls konstatiert Theweleit: „Die Botschaft ist klar: Der Trainer und der Star schreiten der Zukunft in größter Harmonie entgegen. Alle Probleme sind damit aber noch längst nicht gelöst, das wurde auch in Dortmund deutlich. Denn in der ersten Halbzeit wirkte die Münchner Defensive permanent gefährdet, Butt strahlte wenig Sicherheit aus, die linke Seite mit Braafheid schien verletzlich wie ein Boxer mit Glaskinn, und Badstuber ließ nach einem Freistoß zum 1:0 für Dortmund einköpfen.“ Auch in der Offensive drohten den Bayern Probleme, wenn auch in zweifacher Hinsicht anderer Natur: „Dass es nur noch einen zentralen Stürmer im Münchner System gibt, birgt neuen Konfliktstoff, wenn van Gaal an diesem System festhält, müssen von dem Trio Gomez, Klose und Luca Toni stets zwei auf der Bank sitzen. Der Trainer hat ja wochenlang versucht, Ribéry gegen seinen Willen ins zentrale Mittelfeld hinter zwei Spitzen zu versetzen. Diese Lösung ist seit der Verpflichtung des auch in Dortmund großartig spielenden Robben vorerst vom Tisch. Der Konfliktherd ist damit von der Zehnerposition in die Sturmspitze gewandert, und das ist schon allein deshalb günstig, weil die Angreifer eher brave Naturen sind. Mario Gomez stieg jedenfalls wortlos mit seinem Köfferchen in den Bus, derzeit sieht es nicht danach aus, dass auch er irgendwann ein Tor mit dem Trainer bejubelt.“

Richard Leipold verweist in der FAZ ebenfalls auf die Pesonaldichte in der Offensive. Mit madrilenischen Methoden („Wenn wir vorne gut genug sind, kommt es auf die Abwehrleistung nicht mehr ganz so stark an.“) der Völlerei hätten die Bayern in diesem Spiel aus dem Dortmunder Traum von einem Sieg einen Albtraum gemacht: Während der Ausfall von Klose und Toni „anderswo als Engpass oder als Vorstufe dazu gedeutet würde, bietet [er] den Münchnern die Gelegenheit, sich in ihrer Personalpolitik bestätigt zu sehen. Gute Stürmer kann ein Klub nie genug haben, dessen Trainer ein Niederländer ist, der das in seiner Heimat traditionell favorisierte 4-3-3-System durchsetzen will.“

Hyperaktives Kind

Anja Schramm hält in der Welt Franck Ribérys versöhnliche Theatralik aus einem Grund für umso bemerkenswerter: „Wer Ribery kennt, weiß, dass er bei einer Verbannung auf die Bank so reagiert als verordne man einem hyperaktiven Kind einen zweimonatigen Stubenarrest.“ Trotz allem Gebahren habe das Spiel auch gezeigt, wie abhängig die Bayern weiterhin von Ribéry seien.

Philipp Kreutzer findet in der SZ Alternativen zum eigentlich schon bei Ottmar Hitzfeld verbrauchten Ausdruck des „Generals“: „Über das Verhältnis des leichtfüßigen Filous zum calvinistischen Zuchtmeister ist in den vergangenen Wochen viel gesprochen und geschrieben worden. Dem geplatzten Wechsel Ribérys zu Real Madrid folgte die Phase als beleidigte, ja sogar in jeder Hinsicht verletzte Leberwurst.“ Schuld daran, dass er sich ständig mit diesem nun endlich erledigten Thema habe befassen müssen, seien laut Louis van Gaal „die Medien“. Zum Auftreten der Dortmunder bleibt neben dem Bescheinigen einer „starken ersten Halbzeit“ der kärgliche Hinweis, dass nun eine Serie von 19 Heimspielen ohne Niederlage beendet sei.

Hochveranlagt und brutal effizient

Stefan Osterhaus begeistert sich in der Financial Times Deutschland an Form und Effizienz Bayer Leverkusens: „Das mit den vielen [selbst erzielten] Toren kennt man zwar von früher, denn die Mannschaften aus Leverkusen stehen im Ruf, stets offensiv ausgerichtet zu sein. Das war unter Toppmöller so und unter Daum, aber auch unter Skibbe und Labbadia. Doch auf einmal wirkt das Spiel nicht mehr nur schön schnörkelig, sondern ab und zu auch sehr schön und dann wieder brutal effizient. In Abwesenheit des besten Goalgetters Patrick Helmes treffen dann eben Stefan Kießling und Eren Derdiyok. Und ausgerechnet Heynckes befehligt diese blutjunge Mannschaft, in der Simon Rolfes, 27, zu den Routiniers zählt. Hatte man Heynckes nicht nachgesagt, mit Spielern dieser Generation Probleme zu haben? In Schalke war es so, und auch zuletzt in Mönchengladbach. Doch vielleicht hat Henyckes nur ein Problem mit schlechten Fußballern – den Hochveranlagten scheint er nicht viel erzählen zu müssen.“

Katrin Weber-Klüver mahnt in der taz mit Blick auf die Kritik an den vermeintlichen Fehlern des Schiedsrichters dieser Partie: „Brychs Aktionismus überlagerte die eigentlich interessanten Fragen der Begegnung. Besonders beim angeschlagenen Meister: etwa dass Stürmer Edin Dzeko in der Startelf Obafemi Martins Platz machen musste; dass der VfL sich schwertut mit dem von Trainer Armin Veh gewünschten Kombinationsspiel; dass es Schwierigkeiten mit der Besetzung im rechten Mittelfeld gibt; auch dass die Abwehr Koordinationsprobleme zeigt.“ Und erinnert an frühere Saisonverläufe von Bayer: „Was die Werkself früh in der Saison leistet, ist bedingt aussagekräftig, ihre Einbrüche kommen traditionell später. Das ist Leverkusens menschlicher Faktor.“

Bert Klebe (Welt) hält Armin Veh dessen zu hohes Pokern vor: „Ausgerechnet vor dem Beginn der Champions League ließ sich Veh zu einem riskanten Experiment verleiten. Er hatte gegen Leverkusen sein bisheriges Torjägerduo Grafite/Edin Dzeko gegen Leverkusen überraschend entzweit, um Dzeko für den großen Auftritt in der Königsklasse zu schonen. Als Veh seine Anfangsaufstellung korrigierte und Dzeko als dritten Stürmer einwechselte, war es bereits zu spät. (…) Was unter Magath oft mit lang geschlagenen Bällen, schnellen Kontern und überfallartigen Stürmerattacken zum Erfolg führte, möchte Veh mit mehr technischer Finesse verfeinern. Seine Mannschaft hat das neue Spielsystem allerdings bislang ebenso wenig verinnerlicht wie ihre neue Rolle als Meister.“

In der FR weiß Frank Hellmann eine simple Erklärung, aber auch keine Lösung für den VfL: „Es ist eigentlich ganz einfach, warum die uneinnehmbare Festung im östlichen Niedersachsen gefallen ist: Es fehlt ein bisschen am bedingungslosen Willen, ein bisschen an körperlicher Widerstandskraft und ein bisschen an der altbekannten Präzision, um Gegner, die technisch und taktisch auf Augenhöhe daherkommen, vom Hof zu jagen. In der Summe ist das ein bisschen viel.“

Der neue Liebling der Massen

Erik Eggers (FR) prophezeit gute Chancen für den Tabellenführer. „Viele Details deuten daraufhin, dass der HSV in dieser Saison eine starke Rolle einnehmen könnte: Da sind nicht nur die Probleme bei der Konkurrenz wie Schalke, Dortmund, Wolfsburg oder Bayern. Auch scheint die richtige Mixtur gefunden in der Mannschaftsstruktur, wo neben soliden Arbeitern wie David Jarolim und Joris Mathijsen nun überragende Techniker wie Petric, Elia oder Zé Roberto den Gegner mit einem Dribbling in schwere Verlegenheit stürzen können. Speziell Elia entwickelt sich zum Liebling der Massen. Zumal der Niederländer neben seinen atemberaubenden Offensivaktionen dem Gegner auch zahlreiche Bälle vom Fuß stahl.“

Tom Vaagt (FTD) will nur wenig Zweifel aus dem neuen Krankenstand der Hamburger ablesen: „15:6 Tore, 13 Punkte – der HSV berauscht sich derzeit an sich selbst. Nicht einmal die Kreuzbandrisse von Guerrero und Benjamin warfen das Team aus der Bahn. Dabei hatte manch Beobachter befürchtet, dass vor allem Guerreros malader Knie-Stabilisator das Hamburger Erfolgskonstrukt ins Wanken bringen könnte. Auch wenn der Peruaner sportlich fehlt, könnte das Gegenteil der Fall sein.“ Die Mannschaft sei zusammengerückt, höre man aus Spielerkreisen. Dass das keine ganze Saison lang vorhalten muss, ahnt auch der Chef: „Bei Trainer Bruno Labbadia war neben der Freude über den Erfolg gegen den VfB allerdings auch ein merkliches Unbehagen über die nach den Verletzungen entstandene Personalsituation zu spüren.“ Eventuell fülle der HSV seinen Kader nun mit vereinslosen Spielern auf.

Eine Finte macht noch keinen Sommer

Marko Schumacher geht mit dem VfB in der Stuttgarter Zeitung auf Erklärungssuche. Zunächst lauscht er Horst Heldt: Dass Babbel oft bei der Trainerausbildung in Köln ist, dürfe keine Rolle spielen. Und dass die Neuzugänge erst spät nach Stuttgart gekommen sind, sei ebenfalls kein hinreichender Grund. Und da alle seine Profis gute Fußballer seien, müsse man sich nicht groß einspielen. Dem widerspricht Schumacher: „Ganz so einfach funktioniert die Sache jedoch nicht. Dass der VfB gerade im Spielaufbau so viele Fehler macht, dass er so wenig eingespielt wirkt, hängt auch damit zusammen, dass zentrale Spieler in der Vorbereitung nicht dabei waren. Alexander Hleb wird wohl noch Wochen brauchen, um in Fahrt zu kommen. Und dass der fleißige Pogrebnjak im Spiel oft isoliert wirkt, liegt daran, dass er aus dem Mittelfeld kaum Unterstützung erfährt. Dort scheinen die Laufwege des Russen offenbar unbekannt.“ Und ergänzt an anderer Stelle in selbiger Zeitung Hlebs fehlende Fitness: „Eigens für Hleb hatte Markus Babbel sein System verändert und in Pogrebnjak nur einen Angreifer aufgeboten, hinter dem Hleb alle Freiheiten hatte. Er wolle ihn von Defensivaufgaben befreien, sagte der VfB-Teamchef. Dieser Plan ging auf – aus dem Spiel nach hinten jedenfalls hielt sich Hleb dezent heraus. Nicht vorgesehen war jedoch, dass der 28-Jährige auch im Spiel nach vorne keinerlei Akzente setzen konnte. Hlebs Spiel lebt vom Antritt und der Dynamik. Eine Finte alleine reicht nicht – man muss danach auch am Gegner vorbeikommen.“

Hertha hatte nie das Heft in der Hand

Johannes Kopp (taz) weist auf die nur kleinen Unterschiede der Herthaner Ergebnisse von dieser zur letzten Saison: „Warum dieser Absturz? Für viele liegt es auf der Hand. Das einst hymnisch gelobte Kollektiv von Trainer Lucien Favre funktionierte eben nicht nur aus dem Zusammenspiel austauschbarer Kräfte. Das Team profitierte von den individuellen Fähigkeiten Einzelner. Von der unerschrockenen Gladiatorenmentalität des Abwehrhünen Josip Simunic und der Schlitzohrigkeit der Stürmer Marko Pantelic und Andrej Voronin. Alle drei haben den Verein verlassen. Eines darf man dabei nicht vergessen: Die Berliner gewannen stets knapp. Das Heft hatten sie nie in der Hand. Und erklären konnte Favre die Erfolgsserie auch nie so richtig (‚Manchmal liegt es an nichts‘). Diese Saison verläuft spiegelverkehrt zur letzten. Alle vier Niederlagen kamen mit nur einem Tor Abstand zustande. Nach wie vor ist aber die Handschrift des Trainers unverkennbar. Hertha steht hinten gut organisiert, und bei Ballbesitz greifen die akribisch einstudierten Automatismen im Spiel nach vorn. Esprit und Überraschungsmomente vermisst man seit je. Es sind nur Kleinigkeiten und vor allem die Ergebnisse, die die derzeitige Mannschaft vom Vorgängerteam unterscheiden.“

Daniel Stolpe (Welt) hingegen wird deutlich: „Der Defensive fehlt es im Jahr eins nach Josip Simunic am Vermögen, über volle 90 Minuten konzentriert zu bleiben. Gegen Mainz hatten die Verteidiger das Geschehen 80 Minuten gut im Griff, ehe es zum kollektiven Zusammenbruch kam, der dem Gegner noch die zwei Tore zum Sieg gestattete. Der Offensive fehlt es schlichtweg an Qualität. Der auch nach acht Pflichtspielen noch torlose Artur Wichniarek verbreitet beim Gegner ebenso wenig Furcht und Schrecken wie sein polnischer Landsmann Piszczek und der Bulgare Domowschiski.“

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