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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Alles auf Angriff!

Frank Baade | Mittwoch, 16. September 2009 2 Kommentare

Van Gaal baut um und hat auf ungeplantem Wege Erfolg, Grafite, der Vollblutstürmer trifft drei Mal, in Zürich spielt jemand erstaunlicherweise so, wie man ihn aus Videos kennt

Die Änderungen in der Startelf bei den Bayern kommentiert Andreas Burkert in der SZ. Ribery begann, ebenso wie der „letztjährige Fußballamateur“ Müller und Robben, Olic spielte in der Spitze, während von der so erfolgreichen Offensive aus dem Spiel in Dortmund Gomez zunächst draußen blieb. Gleiches galt für den unsicheren van-Gaal-Einkauf Braafheid, an dessen Stelle Pranjic auflief. „In München regiert demnach das Leistungsprinzip wie lange nicht mehr, was aufrichtig schuftende Arbeitnehmer erfreuen wird. Und so sah man in Tel Aviv Müller und Schweinsteiger nach Ballverlusten, die sie sich durchaus leisteten, stets hastig nach hinten rennen. Niemand weiß ja, wen es als nächsten erwischt. Gegen Haifa war Ribéry nach einer Stunde reif, van Gaal hält ihn eben nicht für fit für 90 Minuten. Ribéry schlich bedient und grußlos zur Auswechselbank, aber er wird wissen: Widerspruch zwecklos.“ Denn die Spieler wüssten, dass allein van Gaal entscheide, äußerte dieser in einem Interview mit israelischen Journalisten.

Christian Eichler erläutert das schließlich gescheiterte Vorhaben van Gaals in der FAZ: „Der Plan in Tel Aviv, mit einem Maximalaufgebot an Tempospielern einen frühen Treffer zu erzwingen, um irgendwann das Spiel kontrollieren und den Gegner sich bei der drückenden Abendhitze müde laufen zu lassen, ging nicht auf. Ribery wirkte matt, er erreichte nie die Spritzigkeit wie bei seinem Spurt in die Arme des Trainers nach seinem Freistoßtor in Dortmund. Es war der technisch schlichteste Münchner, der das wichtige Führungstor erzielte.“

Raphael Honigstein findet im Tagesspiegel ebenso wenig Gefallen an der Umstellung bei den Bayern: „Maccabi merkte, dass die Münchner trotz gefälliger Stafetten im Mittelfeld keine entscheidenden Strafraumaktionen zuwege brachten. Der bayerische Dreier-Sturm rochierte fast ein bisschen zu viel: ohne den von Natur aus gerne auf die Flügel ausweichenden Olic als feste Größe in der Angriffszentrale fehlte die Präsenz. Auf der anderen Seite begannen die Grünen gezielt, Bayerns linke Abwehrseite auf ihre Durchlässigkeit zu testen. Holger Badstuber hatte in seinem ersten Europapokalspiel sehr viel Mühe. Bayern blieb in der schwülen Spätsommernacht merkwürdig passiv. Man hatte den Eindruck, sie würden auf die Einwechslung von Mario Gomez warten. Es fiel: das 1:0, durch van Buyten. Maccabi kam kurzzeitig aus der Balance, die Bayern endlich ins Rollen.“

Vollblutstürmer auf Spätschicht

In der SZ hat Claudio Catuogno bereits vor Anpfiff in Wolfsburg genau hingeschaut: „Schon Vehs Startaufstellung konnte als programmatisches Grundsatzpapier gewertet werden: alles auf Angriff! Neben dem bosnisch-brasilianischen Wuchtsturm der letzten Spielzeit, den Herren Edin Dzeko und Grafite, durfte auch Martins seine Trainingsjacke abstreifen. Das führte anfangs allerdings dazu, dass Zvjezdan Misimovic, der begnadete Passgeber der Wolfsburger, bisweilen recht weit in der eigenen Hälfte agierte. Und notgedrungen seine Kernaufgabe vernachlässigte: begnadete Pässe.“

Frank Hellmann nennt Martins als Hauptursache für anfängliche Biederkeit beim Namen (FR): „Armin Veh wird nicht entgangen sein, dass sich die Seinen in der nicht ganz ausverkauften Arena gegen die russische Blockadestrategie anfangs sehr schwer taten – obwohl Veh eigens mit Grafite, Edin Dzeko und Obafemi Martins drei Angreifer aufgeboten hatte, die ständig rochierten. Doch der Effekt war gleich null: Bis auf eine Zufallschance von Christian Gentner wirkten die Wolfsburger bieder, weil vor allem der Nigerianer Obafemi Martins, einziger Wolfsburger Akteur mit Champions-League-Erfahrung, gar nicht ins Spiel kam.“

Weshalb Roland Zorn sich in der FAZ zunächst wie im VW-Werk rackernd wähnt: „Erst folgte eine 36 Minuten lange karstige Diensttags-Spätschicht. Die allein auf die Kunst der Selbstverteidigung konzentrierten Russen verbarrikadierten sich in der eigenen Hälfte, die Wolfsburger fanden bei aller Aktivität im Umgang mit Ball und Gegner zunächst keinen Weg vorbei am Moskauer Sperrriegel.“ Doch danach war das kurze Schnuppern am Arbeitsalltag vorbei: „Misimovic hatte eine zündende Idee, die Nahtstelle in der Viererabwehr erblickt und Grafite auf die Reise zum Traumziel geschickt. Kühl schob der 30 Jahre alte Brasilianer den Ball ins Tor, ohne dass der russische Nationaltorwart Akinfejew eine Abwehrchance gehabt hätte. Das erste Wolfsburger Tor in der ‚Königsklasse‘ blieb passenderweise dem Bundesliga-Schützenkönig der vorigen Spielzeit vorbehalten. Ein Vollblutstürmer, der im Eins-gegen-Eins-Duell mit dem gegnerischen Schlussmann so gut wie immer die Nerven bewahrt. Grafites zweite Spezialität spielte der wuchtige Südamerikaner wenig später aus: Elfmeterschießen.“

Wie im Best-of-Video

Die NZZ überschlägt sich vor Begeisterung über den zweifachen Freistoßtorschützen von Real Madrid: „Ronaldo hatte getroffen, als wäre im Zürcher Letzigrund eine Kopie aus dem Best-of-Video abgespielt worden – nur eben in Wirklichkeit. Der Portugiese holte einen Freistoss heraus, nahm seine immer gleichen viereinhalb Schritte Anlauf und wartete breitbeinig in der Pose von John Wayne auf das Signal des Schiedsrichters. Er traf den Ball so, wie ihn nur Cristiano Ronaldo trifft, mit dem Rist tief unter den Ball, hart, fast gewalttätig, aber gleichzeitig mit so viel Gefühl und technischer Souplesse, dass der Ball über die Mauer fliegt, im hohen Bogen, aber nach zwei Dritteln der Flugbahn senkt er sich, als wäre er vom Blitz getroffen, entgegen den Gesetzen der Physik. Und der Ball senkte sich, vom Blitz getroffen. Dieses Tor war ein Kunstwerk. Natürlich ist Cristiano Ronaldo ein eitler Geck, der etwa beim Einlaufen noch Diamanten im Ohr trägt und sie erst vor dem Spiel im Kabinenschrank versorgt, aber Ronaldo ist eben auch und vor allem ein grossartiger Fussballer. Kurz vor Schluss gab er nochmals eine Kostprobe als Torschütze ab – er kopierte seinen ersten Freistoss noch einmal, diesmal aus über dreissig Metern. Leoni hob die Fäuste, aber es war eine zaghafte Bewegung, als spüre er, dass es wieder so kommen würde, wie beim ersten Mal: Der Ball senkte sich, wie vom Blitz getroffen, prallte von den Händen des FCZ-Goalies ins Tor.“

freistoss des tages

Kommentare

2 Kommentare zu “Alles auf Angriff!”

  1. Malte
    Mittwoch, 16. September 2009 um 13:27

    Ich würde mal behaupten, dass beide Freistöße sehr haltbar waren 🙂

  2. Sebastian
    Mittwoch, 16. September 2009 um 14:33

    Allerdings. Aber das kann der Schweizer natürlich sooo nicht schreiben 😉

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