indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Selbstvertrauen und Kontinuität gesucht

Christoph Asche | Montag, 5. Oktober 2009 7 Kommentare

Gomez, Klose & Co. leiden unter van Gaals 4-3-3-System, der formschwache Grafite würde gerne wieder länger auf dem Feld stehen und in Nürnberg scheint man sich bei der Kaderzusammenstellung verzettelt zu haben.

Johannes Aumüller macht auf Sueddeutsche.de gleich mehrere Faktoren für das schwache Remis der Bayern gegen den 1.FC Köln aus: „Aus dem Mittelfeld kommt insgesamt zu wenig Kreativität, die Spieler haben das Prinzip von van Gaals Ballsicherheit zwar verinnerlicht, sparen dafür aber mit Überraschungsmomenten. Gegen Köln, als das Duo Schweinsteiger/Ottl im zentralen Mittelfeld agierte, war das einmal mehr offensichtlich. Die kreativen Momente der Elf entstehen nur über Franck Ribéry und Arjen Robben – und wenn wie gegen Köln Ersterer nur angeschlagen und nur 45 Minuten und Letzterer verletzungsbedingt nicht mitwirken kann, sind lichte Momente Mangelware. An dieser Schwachstelle dürfte sich im Laufe der Saison auch nicht mehr viel ändern. Schweinsteiger und Ottl (und auch Timoschtschuk) spielen nun einmal so, wie sie von ihren Begabungen her spielen können – und auch so, wie es van Gaal verlangt. Ein Risikopassspieler ist keiner der drei. Auf mittelfristige Sicht kehrt Mark van Bommel in die Elf zurück, der mit seiner Art diese Kernproblematik nur graduell verbessern kann.“

Van Gaal tauscht munter durch

Die Abteilung Attacke leidet Aumüllers Ansicht nach an der taktischen Umstellung, die van Gaal vorgenommen hat: „Immer wieder wechselt der Niederländer seinen Zentrumsangreifer, keiner kann sich als Stammspieler fühlen. Diese Situation hat auch einen systembedingten Hintergrund: Während zu Saisonbeginn Klose, Gomez, Olic und Toni im 4-4-2-System um zwei Plätze kämpften, ist im nun praktizierten 4-3-3 nur für einen Innenstürmer Platz. Um keinen Spieler endgültig zu vergrätzen, tauscht van Gaal munter durch. Deswegen ist kein Angreifer richtig abgeschrieben, aber auch keiner in Topverfassung. Denn Selbstbewusstsein lässt sich so nur schwerlich aufbauen, und ohne Selbstbewusstsein geht ein Spieler ein Stück weniger zielstrebig und ein Stück weniger aggressiv zu Werke als er es mit Selbstbewusstsein tun würde – und mangelnde Aggressivität im Strafraum war ja einer der Hauptkritikpunkte von van Gaal fürs Spiel gegen Köln.“

Klaus Hoeltzenbein erinnert auf Sueddeutsche.de daran, dass die Bayern nun schon seit mehr als 500 Tagen nicht mehr Tabellenführer der Bundesliga sind und sieht bislang eine Elf, die zwei Gesichter hat: „Überhaupt scheint erst der halbe van Gaal angekommen zu sein. Seine Elf hat sensationelle Ballbesitzwerte, aber auch eine rekordverdächtige Abschlussschwäche; sie kann ihr Publikum begeistern wie in der ersten Halbzeit gegen Turin, und sie enttäuscht es, wie in der zweiten. Mächtig schizophren, das alles: Einerseits ist da dieses Gefühl, dass das auf lange Sicht was werden könnte, wenn die van-Gaal-Eleven das Tor wieder finden, andererseits ist da der Zweifel, ob der FC Bayern die internen Debatten der nächsten 250 Tabellenführer-freien Tage verkraften kann.“

Bayern vernichtet Stürmer

Wenn Gerd Müller in der heutigen Zeit aktiv wäre, würde er dann beim FC Bayern genauso viele Tore schießen wie in den siebziger Jahren? Vermutlich nicht, meint Peter Panders in der FAZ – denn Müller würde das gleiche Schicksal ereilen wie Gomez, Klose und Co: „Was einst einen Gerd Müller auszeichnete, war seine Treffsicherheit. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, dass sie ihm beim FC Bayern des Jahrgangs 2009 auch abhandengekommen wäre. Denn Müller war oft lange nicht zu sehen während eines Spiels – und schoss dann in den letzten Minuten das Siegtor. Heute wäre er gar nicht mehr auf dem Platz, was aber die eine Grundvoraussetzung für einen Torjäger ist. Die andere heißt Vertrauen, und das bekommen weder Gomez noch Klose, Toni oder davor Podolski. Bayern, so scheint es, entwickelt keine Stürmer, es vernichtet sie.“

Jörg Hanau (FR) haut in die gleiche Kerbe: „Es mangelt den Angreifern an Sicherheit und Selbstbewusstsein – van Gaal sei Dank. Der ständige Wechsel der Systeme, das Rotieren des stürmenden Personals rund um Franck Ribéry und den nun allerdings verletzten Arjen Robben nährt die die Selbstzweifel der ins dritte Glied gerutschten Nationalspieler, zu denen auch Miro Klose zählt. Louis van Gaal, dieser zur Selbstherrlichkeit neigende Fußball-Pädagoge aus Amsterdam, schert sich darum wenig. Sein allzeit propagierter System-Fußball, brav abgenickt von den hochgradig mitverantwortlichen Bossen, funktioniert nur am Reißbrett, der Struktur- und Wertewandel an der Säbener Straße wirkt wie ein groß angelegter Feldversuch, der Erinnerungen wachruft an Jürgen Klinsmann und damit an das letzte gescheiterte Experiment.“

Dass Wolfsburgs Stürmer Grafite in letzter Zeit so häufig vorzeitig vom Feld genommen wird, mag den einen oder anderen verwundern – Jan Christian Müller (FR) ist von Armin Vehs Konsequenz nicht sonderlich überrascht: „Zum vierten Mal schon sei er in der Liga vorzeitig vom Feld genommen worden, in zwölf Pflichtspielen gar schon siebenmal. Für Grafite ist das zu viel. Dabei hat er offenbar vergessen, dass im Profifußball Meriten der Vergangenheit nichts zählen. Was zählt, ist das Leistungsprinzip. Und Fakt ist momentan: Grafite ist nicht in der Form des vergangenen Jahr. Das ist nichts ungewöhnliches, zumal er selbst die Latte enorm hochgelegt hat. Kein Kicker kann permanent überragend spielen. Die Auswechslung beim 1:1 in Bochum war nach einer völlig enttäuschenden Vorstellung, 36 Ballkontakten, acht Zweikämpfen (fünf gewonnenen) und zwei Torschüssen die logische Konsequenz. Seit 576 Minuten hat Grafite nicht mehr getroffen, der Vollblutstürmer ist derzeit nur ein Schatten seiner selbst.“

Oenning und Bade als unverantwortliche Finanzjongleure?

Christoph Biermann analysiert bei Spiegel Online den freien Fall, in dem sich der 1.FC Nürnberg seit seiner Rückkehr in die Bundesliga befindet. Vor allem die jungen Spieler, die noch im Sommer mitverantwortlich für den Aufstieg waren, seien auf Grund ihrer geringen Routine keine wirkliche Stütze: „So stehen Oenning und Manager Andreas Bader plötzlich wie unverantwortliche Finanzjongleure da, die ein unkalkulierbares Risiko eingegangen sind, als sie ernsthaft glaubten, mit einer besseren Jugendmannschaft in der Bundesliga bestehen zu können. Weil es in einer solchen Situation sowieso nicht allen Recht zu machen ist, muss sich Oenning von einem Teil des Publikums anhören, dass er nicht genug ausprobiert, während sich die anderen darüber beklagen, dass er zu oft die Aufstellung ändert. Zweifellos ist der Coach auf der Suche nach seinem Team, doch die Jungprofis mit ihren schwankenden Leistungen und noch nicht so stabilen Nerven sind nur ein Teil des Problems. Erstaunlicher ist noch, dass die gestandenen Akteure dem Team im Moment so wenig weiterhelfen. Dem wichtigsten von ihnen kann man keinen Vorwurf machen, denn Andreas Wolf war erst gesperrt und ist nun verletzt. (…) Doch was ist mit Spielern wie Javier Pinola, der auch schon mal zu den stärksten Außenverteidigern der ersten Liga zählte? Hat Marek Mintal den Zenit seiner Leistungsfähigkeit überschritten? Gilt das auch für Jawhar Minari, und was ist noch von Daniel Gygax zu erwarten, der immerhin 35 Länderspiele für die Schweiz aufzuweisen hat? Ganz zu schweigen vom divenhaften Europameister Angelos Charisteas, der seinen beiden Treffern zu Saisonbeginn nicht mehr viel folgen ließ?“

Trotz alledem rät Biermann dazu, die Köpfe nicht schon jetzt hängen zu lassen: „Trotz dieser offenen Fragen und der Aussicht auf ein nervenzerfetzendes Spiel in knapp zwei Wochen ist es für Depression viel zu früh. Allerdings ist nun eines klar: Man muss heftige Kursschwankungen aushalten können, wenn man verstärkt auf junge Spieler setzt.“

Kommentare

7 Kommentare zu “Selbstvertrauen und Kontinuität gesucht”

  1. Klaus-Peter
    Montag, 5. Oktober 2009 um 12:50

    Dieser inflationär-falsche Gebrauch der Vokabel „Selbstbewusstsein“ … Wenn ein Stürmer nicht dauernd 90 Minuten durch spielt steht er also im gegnerischen Strafraum und denkt sich: „Mimimimi, ich komm ja eh nicht an den Ball und selbst wenn, dann treff ich nicht. Ich bin ja gar kein richtiger Stürmer …“ Interessante originelle Analyse, mal wieder.

  2. Franz-Peter
    Montag, 5. Oktober 2009 um 13:53

    Schöner Artikel von Herrn Biermann bei SPON, wenn jetzt auch noch die Fakten stimmen würden…

    …Andreas Baader schrieb sich mit 2 a, der Club-Manager heißt Martin.

    …Andreas Wolf war letzte Saison nicht der beste Innenverteidiger der zweiten Liga sondern der „Verletzteste“ (bestritt nur 7 oder acht Spiele).

    Von den Behauptungen, Teile des Publikums würden fordern, Oenning solle mehr ausprobieren, ist zumindest in Franken nichts bekannt…

    …Angelos Charisteas hat vielleicht in der Vorbereitung mal zwei Tore gemacht, in der alufenden Bundesligasaison hat der Grieche noch nicht getroffen.

  3. Hans-Peter
    Montag, 5. Oktober 2009 um 15:33

    Herr Biermann hat mittlerweile offenbar alle deine Kritikpunkte ausgebessert, Fränzchen 😀

  4. abiszet aka Paul-Peter
    Montag, 5. Oktober 2009 um 17:14

    @Klaus-Peter
    Wenn ein Stürmer anfängt zu denken, ist es verheerend. 🙂 Will sagen: Er muss sich intuitiv bewegen und darf nicht daran denken, welche Konsequenzen ihm drohen. In Stuttgart hat Gomez auch deshalb getroffen, weil er unantastbar war. Weil er wusste: Auch nach 4 oder 5 torlosen Spielen ist er gesetzt. In München kann er den spielentscheidenden Ausgleich gegen Dortmund schießen und muss trotzdem raus, weil er wahrscheinlich nicht richtig in die Dreiecke gelaufen ist oder zweimal auf den langen statt auf den kurzen Pfosten gegangen ist.

    Jetzt gibt es drei Möglichkeiten: Ist Gomez also ein „Milieu“-Spieler, der nur in Stuttgart trifft? Ist Gomez doch kein Spieler der internationalen Klasse, der sich nicht nur in München, sondern auch in London oder Madrid durchsetzen kann? Hat van Gaal kein Fingerspitzengefühl und macht neben Gomez auch die Karriere von Timoschtschuk kaputt?

  5. shearer
    Montag, 5. Oktober 2009 um 18:14

    Noch mal zum Artikel von Christoph Biermann:

    Gibt es da wirklich einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Alter und der Neigung zu schwankenden Leistungen? Mehr Fehler und schwächere Nerven meinetwegen, aber das mit den Schwankungen klingt schon wie ne Phrase.

  6. Braunschweig singt, Braunschweig singt
    Dienstag, 6. Oktober 2009 um 08:39

    Ist es nicht schon ein Fakt zu viel, dass überhaupt über Nürnberg geschrieben wird?!?

  7. Johan Petersen
    Dienstag, 6. Oktober 2009 um 19:02

    Gomez wird sich auch außerhalb Stuttgarts durchsetzen. Sein erster Vereinswechsel, Bayern hat im Moment viele Baustellen, ein neuer Trainer sucht seine Formation etc. ist nur im Moment ein bisschen viel auf einmal, würde ich sagen.

    Das Spiel gegen Köln hat das wahre Problem der Bayern aufgedeckt: sie haben auf der Sechs keine Spieler, die den Ball aus der Innenverteidigung weiter nach vorne spielen können. Van Bommel, Timoschtschuk und Ottl lassen den Ball fast immer klatschen, anstatt sich zum Spielfeld zu drehen. Das klappt nur bei Schweinsteiger, wenn er sich mal fallen lässt. Damit wird der Ball früh auf den Flüegel gespielt, und der Gegner kann sich rechtzeitig verlagern.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

116 queries. 0,545 seconds.