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Ascheplatz

Sich ausbreitendes Gefühl der Unsicherheit

Frank Baade | Samstag, 21. November 2009 2 Kommentare

Über 200 verschobene Spiele erschüttern den Fußball, nicht allein in Deutschland, wo Zweit- und Drittligaspiele betroffen sind, auch in der Champions League und Europa-Liga: der größte Wettbetrug aller Zeiten

Bis zu 200 Spiele sollen europaweit manipuliert worden sein. Mit 32 Spielen der größte Anteil daran in Deutschland. Laut der Mitteilung der Bochumer Staatsanwalt sollen auch die Schweiz, Belgien, Ungarn, Österreich, Kroatien, Polen, Slowenien, Bosnien und besonders die Türkei betroffen sein. Zudem einige Spiele aus den europäischen Klubwettbewerben, sprich Champions League und Europa-Liga. In Deutschland wurden 15 Personen festgenommen und über 50 Wohnungen durchsucht, dies neben Deutschland auch in der Schweiz und in Österreich. Die Formulierung von der „Spitze des Eisbergs“, die man laut eines Ermittlers erst veröffentlicht habe, lässt befürchten, dass der Fall noch wesentlich größer werden könnte als bislang bekannt.

Zwei Osnabrücker Niederlagen unter Verdacht

Als zwei der wahrscheinlich vier betroffenen Partien aus der 2. Liga sind zwei Niederlagen des VfL Osnabrück der letzten Saison im Gespräch, ohne die der Verein nicht in die 3. Liga abgestiegen wäre. Einer der Verhafteten hätte zwei Mal auf genau die schließlich zustande gekommene Tordifferenz gewettet. Zudem seien ein Freundschaftsspiel zwischen dem SSV Ulm und Fenerbahce Istanbul, bereits unter Trainer Christoph Daum, sowie eine Partie von Borussia Mönchengladbach II gegen den SC Verl im Verdacht.

Das Frühwarnsystem wurde umgangen, indem viele Beträge bei asiatischen Anbietern gesetzt wurde, welche sich nicht (alle?) an dieser Einrichtung beteiligen. Nicht ausschließlich allerdings, denn auch in Europa hätten die Verdächtigen ihre Wetten gesetzt.

Fatale Leidenschaft für Fußballwetten

In einem umfangreichen Beitrag eröffnet Udo Muras (Welt) etwas mehr über die denkbare Vorgehensweise der Manipulatoren: „Beim VfL Osnabrück haben sie nicht schlecht gestaunt, als im Frühjahr ein langjähriger Spieler um einen Gehaltsvorschuss von rund 20.000 Euro bat. Denn wenn es dieser Spezies gewöhnlich an etwas nicht mangelt, dann an Geld. Die Frage ist nur, wie sie mit den Unsummen umgeht. Und dieser Spieler, das Gerücht ging schon eine Weile in Osnabrück, hatte eine fatale Leidenschaft: Wetten auf Fußballspiele. Die sollen ihn in die Schuldenfalle getrieben, und Geldeintreiber eines illegalen Wettbüros ihn dann unter Druck gesetzt haben.“ Es gebe zwar „das technische Überwachungssystem Sportradar – bei rund 300 seriösen Wettanbietern, die kooperieren, wohlgemerkt. Das sind die meisten in Europa, doch das Problem bleibt der asiatische Markt. So konnte das Monitoring gar nicht helfen. Es gibt also offiziell keine Vorwürfe an Sportradar, aber auch keinen Lorbeerkranz.“

Effektives Frühwarnsystem eine Illusion

Friedhard Teuffel bewertet die Vorgänge im Tagesspiegel als einem anderen Unbill des Sports vergleichbar: „Manipulation im Fußball ist wie Doping im Fußball. Beides verdirbt die Idee des Spiels. Ob sich alle an die Regeln halten und am Ende die beste Leistung zum Sieg führt, kann der Zuschauer nicht mehr wissen. Bei der Manipulation kommt dazu, dass nicht einmal die eigenen Mitspieler wissen, ob ihr Nebenmann den Ball nun aus Unvermögen durchgelassen hat oder weil dahinter ein vereinbartes Geschäft steht. Dieses Gefühl der Unsicherheit könnte sich nun ausbreiten in größeren und kleineren Fußballstadien. Denn der gerade aufgedeckte Wettbetrug trifft den Fußball mit einer ungeheuren Wucht. (…) Im aktuellen Fall hat – eine weitere Parallele zum Doping – der Staat die Manipulation aufgedeckt, nicht der Sport mit seinen begrenzten Mitteln. Selbst dem mächtigen und wohlhabenden Fußball ist das Problem über den Kopf gewachsen. Lange Debatten über interne Lösungen kann sich der Fußball daher sparen.“ Abhilfe könnte nur ein effektives Frühwarnsystem bieten, an dem sich alle Anbieter beteiligten, und das sei „eine Illusion“, befindet Teuffel.

Zur Gewalt kommt nun auch noch die Manipulation

Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) kommentiert das „erbärmliche Bild“, das sich im deutschen Fußball unterhalb der ersten Liga zeige: „Der DFB hat die Vereine unterhalb der Bundesliga nicht mehr im Griff. Während in der ersten Liga ein hochdotiertes Leben im Rampenlicht geführt wird, fristen die Clubs und Spieler in den Etagen darunter ein Schattendasein.“ Eine „teilweise kriminelle Parallelwelt“ habe sich entwickelt, deren Kennzeichen Gewalt und Betrug eher die Regel als die Ausnahme seien. Nun zähle auch noch Manipulation dazu. „Die Verantwortlichen beim DFB und in der DFL sollten sich künftig nicht mehr so oft im Erfolg ihrer Vorzeigeteams sonnen, sondern auch im dunklen Keller des Fußballs aktiv werden.“

Offensiv und gierig kooperierend

Wenig überrascht äußert sich Jens Weinreich in seinem Blog zum Thema: „Hat tatsächlich jemand geglaubt, nach der Hoyzer-Affäre werde es mit rechten Dingen zu gehen? So lange gerade die Fußball-Unternehmen (Verbände, Klubs etc.) dermaßen offensiv und gierig mit Wettanbietern kooperieren und Sponsorenverträge akquirieren, kann ich einen Teil des Geschreis, das immer wieder ausbricht, nicht ernst nehmen. Anders gesagt: So lange FIFA, UEFA, IOC, DFB, EPFL (European Professional Football Leagues) u. a. das Wettgeschäft mächtig ankurbeln, gleichzeitig natürlich von Integrität schwurbeln, ziehen sie auch das organisierte Verbrechen und die Ganoven an, keine Frage.“

Interviews zum Thema bietet die Neue Osnabrücker Zeitung mit Theo Zwanziger, der nicht die „ganz dramatische Situation sieht“, sowie mit dem Präsidenten des VfL Osnabrück, Dirk Rasch, der mitteilt, dass man oben erwähnten Spieler mit dem gewährten Vorschuss gleichzeitig zur Spielsucht-Therapie verpflichtet habe.

Kommentare

2 Kommentare zu “Sich ausbreitendes Gefühl der Unsicherheit”

  1. Martin
    Samstag, 21. November 2009 um 11:34

    Das ist krass, wie sich die Presse über den Wettskandal auslässt.
    Siehe hier: http://sportnachrichten.net/tag/wettskandal

    Aber wundert euch das wirklich? Damals als Hoyzer in den Knast musste, wurde es irgendwann schon ruhig. Auch damals hat Hoyzer von einem europäischen Netzwerk gesprochen. Man sprach auch von Manipulationen in Asien. Und trotzdem wurde es irgendwann ruhig… Es war doch nur eine Frage der Zeit bis das Ganze an die Öffentlichkeit geht. Das die Sarpina-Brüder sich mittlerweile ein weltweites Netzwerk aufgebaut haben.
    Macht die Augen auf… Immer wenn es um so viel Geld geht, wird es Kriminelle geben, die etwas versuchen zu manipulieren, um ihren Teil des Kuchens zu vergrößern. Das geht bei Dritten los, wird aber genau wie damals auch zu Spielern, Schiedsrichtern und Funktionären führen.
    Was was soll man machen, wenn man mittlerweile auf jeden Mist wetten kann? Wie lange ist die Nachspielzeit? Fallen mehr als 4 Tore? Wer hat den nächsten Eckball? Wer schießt das erste Tor? Man muss nicht immer nur manipulieren, wer gewinnt oder verliert…

    Das Ganze muss aufgeklärt und die Schuldigen bestraft werden und trotzdem müssen wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass auch schon bald wieder der nächste Wettskandal kommen wird.

  2. Frank Baade
    Samstag, 21. November 2009 um 20:51

    Lieber Martin,

    wir würdigen durchaus Ihre Mühen, sich hier mit einem Kommentar zu verewigen. Allerdings wirft es kein gutes Licht auf Ihre Kommentare auch an anderen Stellen, wenn Sie diese jeweils penetrant mit Eigenwerbung versehen. Diese wäre akzeptabler, wenn es sich dort um einen eigenständigen Beitrag handelte, in Ihrem Fall geht es aber nur um einen Verweis auf einen Aggregatoren, Sie verlinken ja auf keinen Inhalt speziell.

    Zudem bringen Sie den identischen Kommentar an diversen Stellen im Netz unter, was die Sache auch nicht besser macht, genauso wie Sie es schon nach dem Todesfall von Robert Enke gemacht haben.

    Bitte überstrapazieren Sie unsere Toleranz gegenüber menschlichen Spammern nicht.

    Sie sind herzlich zur Diskussion eingeladen, aber dieses Gebaren wirkt weniger wie an einer Diskussion interessiert, sondern vielmehr wie daran interessiert, Ihre Seite populärer zu machen. Es reicht normalerweise aus, wenn Sie den Link zu Ihren Inhalten im Namen des Kommentierenden unterbringen, so sind jedenfalls die Gepflogenheiten.

    Ansonsten sind Sie weiterhin hier und wahrscheinlich auch auf den anderen Seiten willkommen.

    Viele Grüße
    Frank Baade
    Redaktion indirekter freistoss

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