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Champions League

Dr. Seltsam van Gaal

Frank Baade | Freitag, 27. November 2009 Kommentare deaktiviert für Dr. Seltsam van Gaal

Van Gaal flößt seinen Spielern weiterhin Angst ein, dem VfL Wolfsburg fehlt die nötige Courage, Real Madrid wie eine Fußballmaschine, Barca dominiert Inter Mailand völlig

Zwar gewinnt der FC Bayern mit 1:0 gegen die Mannschaft von Maccabi Haifa, doch die Schwachstellen bleiben die alten. Sebastian Gierke fragt sich in der FR, ob dieser FC Bayern überhaupt im Achtelfinale der Champions League am richtigen Ort sei: „Van Gaal kämpft mit vielen Problemen. Vor allem im Angriff läuft nicht viel zusammen. Wegen der fehlenden Durchschlagskraft in der Offensive sah der FC Bayern gegen die harmlosen Israelis auch lange Zeit nicht wie eine Mannschaft aus, die es verdient hat, in die K.o.-Runde der höchsten europäischen Spielklasse einzuziehen.“ Mit einer Leistung wie gegen Haifa sei dies sogar ausgeschlossen. Die Ursache sieht Gierke in den Auswirkungen von van Gaals Auftreten: „Konnte man unter Jürgen Klinsmann noch die fehlende Ordnung für schlechte Leistungen verantwortlich machen, ist jetzt die Angst der Spieler der Grund. Eine ganz neue Situation für den FC Bayern, der es lange verstand, Druck in Selbstvertrauen umzuwandeln.“

Kein guter Psychologe

In der Stuttgarter Zeitung nennt Mirko Weber den bayrischen Trainer einen „Dr. Seltsam“ und hält eine Komponente im Anforderungsprofil eines Trainers für nicht erfüllt: „Louis van Gaal trug den Kopf nach der Partie so hoch, als sei er sich der Tatsache geradezu überbewusst, denselben anstellungstechnisch fast schon unter dem Arm gehabt zu haben. Ob er ein guter Bayern-Trainer ist, muss sich immer noch herausstellen, dass es sich bei ihm um einen guten Psychologen handelt, wird zweifelhafter. Exklusiver kann man eine Ansicht nicht haben als van Gaal, der allen Ernstes und eben sehr durchsichtig ‚eines der besten Spiele in dieser Saison‘ von den Bayern gesehen haben wollte.“

Auch Christian Eichler wartet in der FAZ schon länger vergeblich auf eine überzeugende Leistung der Bayern: „Van Gaal hangelt sich seit Wochen von Spiel zu Spiel. Kein rechter ‚Befreiungsschlag‘, wie von Uli Hoeneß gefordert, will gelingen.“ Zwar sei man bislang auch noch nicht unter die Räder gekommen wie in der letzten Saison mit 1:5 in Wolfsburg und 0:4 in Barcelona, doch verharre man auf diese Art im „unbefriedigenden Status quo: Es war die übliche Anhäufung von zielloser Ballkontrolle und mangelnder Dynamik im Spielaufbau.“ Nun sei immerhin die Entscheidung der Situation wieder in den Händen des FC Bayern . „Allerdings“, mahnt Eichler, „muss er dafür erstmals in dieser Saison auch ein Spitzenspiel gewinnen. Keine einzige der neun Partien gegen die Teams, die in Bundesliga und Champions League besser plaziert sind, haben die Bayern gewonnen.“

Ratlos wirkender Armin Veh

Während der FC Bayern mühevoll gewann, verlor der VfL Wolfsburg mit 1:2 in Moskau. Christian Otto macht in der Financial Times Deutschland denselben Begleiter der Wolfsburger Spieler wie jenen der Münchner aus: „Es war nicht zu übersehen, dass einige im Team des deutschen Meisters Angst hatten und haben. Sie müssen nämlich beim letzten Gruppenspiel gegen Manchester United wie eine richtige Mannschaft auftreten. In Moskau blieb die Elf von Armin Veh, der einen ratlosen Eindruck machte, diesen Nachweis schuldig.“ Nachdem Stürmer Edin Dzeko unglücklich ein Tor fürs eigene Team verhindert hatte, „brach eine Mannschaft auseinander, in der bis auf Torhüter Benaglio kein Führungsspieler zu erkennen war. Geschockt, viel zu brav und am Ende willenlos hatten die Wolfsburger sogar Glück, das sie nicht noch höher verloren.“

Thomas Kilchenstein blickt für die FR in die kurzfristige, eher weniger rosige Zukunft der Wolfsburger in der Champions League: „Der einzig positive Aspekt eines unglücklichen Auftritts bei strömendem Regen war, dass die ‚Wölfe‘ trotz dann drückender Überlegenheit der Russen keinen weiteren Treffer zugelassen hatten: Das Hinspiel gewann Wolfsburg 3:1, im direkten Vergleich mit den punktgleichen Russen liegt der VfL vorn.“ Doch um weiterzukommen, „muss der Deutsche Meister am 8. Dezember Manchester United schlagen – und die haben sich gerade mit 0:1 zu Hause gegen Besiktas blamiert. Wird ManU zweimal hintereinander in der Champions League verlieren? Eher unwahrscheinlich.“

Und noch einmal gesagt: Zumindest in England kürzt man Manchester United nicht ManU ab, es sei denn, man beabsichtigt den Klub zu schmähen. Allerdings sind wir hier auch nicht in England.

Eine auf Erfolg programmierte Fußball-Maschine

Stephan Ramming klärt über die wahren Verhältnisse beim eigentlich knappen 1:0 von Real Madrid über den FC Zürich auf (NZZ): „Das Resultat täuscht darüber hinweg, dass der FCZ in Madrid viel weiter weg war von einem Erfolg als etwa im Auswärtsspiel gegen Marseille, das die Zürcher 1:6 verloren hatten. Manchmal sagen Resultate wenig über die Kräfteverhältnisse in einem Spiel aus. Anders als in Marseille, wo die Zürcher mit Pech in Rückstand geraten waren, offensiv aber einiges gelungen und der Zusammenbruch wie ein Gewitter über den FCZ gekommen war, gestand Madrid den Schweizern keine Hoffnung auf einen Coup zu. Real Madrid spielte unspektakulär, aber mit messerscharfer Präzision, muskelstrotzender Physis und militärischer Disziplin – eine auf Erfolg programmierte Fussball-Maschine.“

Fast schon peinliche Dominanz

Julia Macher (Tagesspiegel) erinnert an die Vielzahl der Ausnahmekönner beim FC Barcelona, der gegen Inter Mailand siegte, obwohl Barça-Coach Josep Guardiola auf Lionel Messi verzichten musste: „Im vollbesetzten Camp Nou bewies der FC Barcelona, dass seine Tage noch längst nicht gezählt sind, und brachte dem italienischen Meister eine 0:2-Niederlage bei. Ihm reichte ein Abend, um zu beweisen, dass der Fußball der Marke Barcelona an keinen Star gebunden ist – und Xavis Spielverständnis, Iniestas Hakenschläge und Piqués Organisationstalent genauso wertvoll sind wie die Dribbelkünste des Argentiniers. Selbst Inters sonst um Breitseiten selten verlegener Trainer José Mourinho sagte ernüchtert, dass Inter eben keine Fußballschule sei. Für sie hätte das Fehlen von Wesley Sneijder schwerer gewogen als für Barça das von Messi und Ibrahimovic.“

Ronald Reng lauscht in der taz den Klängen, die die beim Spiel gegen Inter Mailand wiedergewonnene Stärke des FC Barcelona verbreitet: „Eine Partie, die als Drama angekündigt war, weil dem Titelverteidiger bereits in der Vorrunde das Ende drohte, wurde zum Spektakel. Barças Pässe bildeten eine Melodie, ihre vollständige Dominanz über den italienischen Meister war fast schon peinlich. Die Schau vom Dienstag belohnte Guardiola für seine Courage, zu Saisonbeginn Barças Spielkonzept zu ändern. Alles zu lassen, hieße zu stagnieren, selbst wenn alles gut war, glaubte er, und ersetzte Etoo, einen Stürmer mit dem Touch eines Spielmachers, durch den wuchtigen Zlatan Ibrahimovic. Das Spielsystem mit drei passstarken Stürmern gilt als Dogma dieses Klubs, doch diesmal bot Guardiola Andrés Iniesta als falschen Rechtsaußen auf. Iniesta schlüpfte überall in Lücken, suchte die Nähe zum Ball und schuf so ständig Überzahlsituationen. Fabelhaft ist ein geringes Lob für seinen Auftritt.“

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