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Internationaler Fußball

Vom katalanischen Kennedy zu Barçagate

Frank Baade | Freitag, 18. Dezember 2009 1 Kommentar

Barça könnte eine außergewöhnliche Saison mit dem sechsten Titel krönen, sein Präsident ließ Mitarbeiter abhören, ein schwarzer Italiener spaltet sein Land, der Knurrer dirigiert erfolgreich in Salzburg

Ein Jahresabschluss der Superlative steht dem FC Barcelona im Falle des Gewinns der Klub-WM bevor, schreibt Ronald Reng (taz): „Damit hätte die Elf 2009 alle möglichen sechs Titel gewonnen. Dieser letzte wäre zwar im Prinzip nur eine schöne Zugabe, für Barça dieses Jahr aber auch eine Besessenheit: Es ist der einzige Titel, den der Klub noch nie gewann. 2009 war das Jahr Barças, und das Schönste, was diese Klub-WM nun werden kann, ist ein Jahresrückblick, ein Best-of-Barça-Zusammenschnitt. Was sie 2009 vor allem offenbarten, war, wie eine funktionierende Spielideologie jeden einzelnen Fußballer besser macht. Jeder Hilfsarbeiter der Elf sah aus wie Weltklasse: Sogar aus Gerard Piqué wurde Piquenbauer. An ihm lässt sich genau festmachen, was Barça heraushebt: Im Mannschaftsspiel Barças wurde Piqué zum Nationalspieler. Denn ihr strukturiertes Spiel machte aus dem talentierten einen methodischen Verteidiger. Solche Details entscheiden heutzutage Partien. Barça pflegt sie wie niemand.“

Im Schatten des Erfolges zum Befreiungskämpfer

Dass der sportlich überragende Klub auch dunklere Elemente sein eigen nennt, erwähnt Florian Haupt in der Welt. Großen Anteil an den sportlichen Erfolgen Barças habe auch Vereinspräsident Laporta, der die Popularität des Klubs nutzt, um sich politisches Gewicht zu verschaffen. „Im Schatten des Erfolges präsentierte sich Laporta zuletzt immer stärker als Befreiungskämpfer seiner Heimat. Die wenigsten zweifeln daran, dass er tatsächlich den Schritt in die Politik gehen wird.“ Anders orientieren müsse er sich in jedem Fall, denn mehr als zwei Amtszeiten sind für einen Präsidenten Barças nicht mehr möglich. Als er diese Regelung selbst einführte, „nannten sie ihn noch den ‚katalanischen Kennedy‘, doch das Image des Saubermanns hat der bisweilen extrem cholerische Laporta nachhaltig zerstört. Wegen krummer Geschäfte und selbstherrlichem Auftreten verlor er reihenweise Unterstützer. Dieses Jahr konvertierte er im Ansehen seiner Kritiker endgültig zum katalanischen Nixon.“ Er hatte vier seiner Vize ausspionieren lassen. Angeblich wusste Laporta nichts von diesem „Barçagate“, doch „tatsächlich sollte wohl ermittelt werden, welcher der Herren sich am besten im kommenden Wahlkampf ins Rennen schicken lässt. Damit der Politiker Laporta später einen Verbündeten in Kataloniens wichtigster Institution hat.“

Von Parmalat zum Kugellagerhersteller

In Italien staunt man über einen wiedererstarkten Klub, berichtet Tom Mustroph in der FAZ. Nach 16 Spieltagen steht der Aufsteiger FC Parma auf Rang vier. Nun träumten die Anhänger des bis vor einigen Jahren regelmäßig im Europapokal vertretenen Klubs schon wieder von der Champions League. Lediglich der Trainer warne, dass das Saisonziel der Klassenerhalt bleiben müsse. „Dank der Millionen des Industriellen Calisto Tanzi gewann Parma einmal den Uefa-Pokal sowie zweimal den Pokal der Pokalsieger. Der Traum vom dauerhaften Zutritt zum exklusiven Zirkel drei großen italienischen Klubs platzte aber jäh und schmerzhaft, als Tanzis Parmalat-Konzern zusammenbrach.“ Danach sei es stets bergab mit dem FC Parma gegangen. „Vor drei Jahren übernahm der Kugellagerhersteller Tommaso Ghiradi den bescheiden gewordenen Klub.“ Vier junge, sehr fähige Offensivspieler sorgten für eine neue Begeisterung um das Team. Der „Baby-Sturm“ könne „aber nur reüssieren, weil die Abwehr mit den in Rom und Wolfsburg ausgemusterten Routiniers Christian Panucci und Cristian Zaccardo erstligareif stabilisiert wurde.“ Mit dieser Mixtur könne man die meisten Teams der Liga bezwingen. „Gegen die Mailänder Klubs reichten die Mittel noch nicht aus. Die nächsten beiden Spiele gegen den AS Rom und Juventus Turin werden zeigen, ob der aktuelle Tabellenplatz nur eine Momentaufnahme oder der Beginn einer neuen goldenen Ära ist.“

Symbol der Spaltung oder Symbol der Integration

Für Birgit Schönau (SZ) ist Marco Balotelli ein „Symbol für die Spaltung Italiens“: Der junge, äußerst talentierte schwarze Spieler mit italienischem Pass gerate dort immer mehr zwischen die Fronten der Ausländerfeindlichkeit à la Lega Nord und ihn unterstützende Teile der Bevölkerung. Während die Fußballszene schwarze Spieler noch so lange dulde, wie sie aus Afrika oder aus Holland kommen, gelte diese Akzeptanz für Balotelli nicht. „Er muss sich anhören: ‚Es gibt keine italienischen Neger!‘ Die Ultras von Juventus Turin haben das sogar in Bordeaux intoniert und zu Hause gegen Bayern München, als Balotelli gar nicht auf dem Platz war.“ Balotelli sei ein herausragender Stürmer im italienischen Fußball, und obwohl Nationaltrainer Marcello Lippi genau daran Bedarf habe, ziehe er womöglich einen demnächst zu naturalisierenden – weißen – Brasilianer vor. Lippi befände, Balotelli sei trainingsfaul und disziplinlos. „Die Anzahl der Italiener, die Lippi dazu bewegen will, Balotelli zu berufen, wächst ständig. Die Leute wollen ihn, weil er Italien bei der WM Tore bringen kann. Und weil er ein Symbol wäre. Ein Symbol der Integration. Ein Symbol für jenes andere Italien, das angesichts der Omnipräsenz der Schreihälse in den Kurven und in der Politik zunehmend in Vergessenheit gerät. Die Geste würde bedeuten: Die Hautfarbe ist egal, die Herkunft sowieso, bei uns zählt nur das Talent.“

Ergebnis über dem Erlebnis

Gestern kam Red Bull Salzburg als einziger von 48 Europa-League-Teilnehmern zum 6. Sieg im 6. Spiel. Warum Salzburg international plötzlich den lange verwehrten Erfolg hat, ergründet Moritz Kielbassa (SZ): „Seit Sommer dirigiert Disziplinliebhaber Huub Stevens in der Mozartstadt Salzburg. Nach zähen Anfangswochen hat sein spezieller Fußballstil den Österreichern in kurzer Zeit beachtliche internationale Resultate beschert. Die Siege gegen Villarreal und Rom lieferten gute Argumente für den gruppendynamischen Arbeitsansatz von Stevens, der das Ergebnis über das Erlebnis stellt. Hinten dicht, kaum Fehler, schnörkellose Konter, kein Fußball für Schönheitswettbewerbe, der Stevens-Stil ist bekannt.“ Stevens lege weiterhin Wert aufs Kollektiv, erlaube neben Stürmer Janko aber noch weiteren Solisten, herauszuragen. Und nach Stevens gibt es noch einen weiteren neuen Verantwortlichen bei Red Bull, Sportdirektor Beiersdorfer. Beide hätten bereits in Hamburg harmoniert. Vor allem Konzepttreue solle Beiersdorfer in Salzburg einführen. Zuletzt habe es mehrere radikale Kehrtwenden in der sportlichen Ausrichtung gegeben: „Dem Betonanrührer Trapattoni folgte ein Hurrastil-Trainer aus Holland, Co Adriaanse, jetzt Stevens. Auch die kostenintensive Transferpolitik wirkte zeitweise hektisch und undurchdacht.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Vom katalanischen Kennedy zu Barçagate”

  1. Lena
    Freitag, 18. Dezember 2009 um 17:03

    Der Freistoß ist ja super skurril. Aber der Magna Chef ist ja bekannt für sowas.

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