indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Alte Dortmunder Fußballkultur und Nürnberger Identitätsprobleme

Frank Baade | Montag, 25. Januar 2010 1 Kommentar

Bayern ist von behäbigen Bremern nicht zu bremsen, Dortmund in traditioneller Manier auf dem Weg nach oben, Hannover mangelt es an Geschlossenheit, Nürnberg an Selbsterkenntnis, Bochum punktet glücklich

Neid erweckende Leichtigkeit

Der FC Bayern gewinnt knapp mit 3:2 in Bremen, gefühlt allerdings haushoch. Ralf Lorenzen (taz) analysiert: „Vier Niederlagen hintereinander hat Werder seit sieben Jahren nicht mehr einstecken müssen. Und die gegen den Erzfeind aus dem Süden hätte auch wesentlich höher ausfallen können. (…) Bayerns Angriffswirbel konnte nur deshalb so gut funktionieren, weil die Bremer ihre Abwehrkette wagemutig hoch in der eigenen Hälfte platzierten. Hugo Almeida konnte den grippekranken Pizarro bis auf seinen Ausgleichstreffer zum 2:2 nie ersetzen, Mesut Özil trumpfte erst in der Schlussphase auf, und der formschwache Tim Borowski wurde gar ausgewechselt. Torsten Frings bestätigte mit seinem Auftritt an diesem Tag die Entscheidung von Jogi Löw, ihn nicht mehr zur Nationalelf einzuladen. Dass die Begegnung trotz der Bayern-Dominanz erst durch Robbens Glücksschuss entschieden wurde, lag nur am Schlendrian der Münchner Stürmer. Ähnliche Spiele sind auch schon mit 8:3 ausgegangen.“

Eine wichtige Frage hat Iris Hellmuth (Berliner Zeitung): „Fünfzehn Spieltage mussten vergehen, bis die Bayern sich mit einer Leichtigkeit Chancen erspielen, die viele Mannschaften in der Bundesliga neidisch machen dürften. Sie machten deutlich, wie sehr sich bei den Bayern zurzeit eine Mannschaft gefunden hat, wie sehr jeder einzelne Spieler ihr Leben und Geistesblitze einhaucht.“ Wer diese Bayern wird stoppen können, möchte Hellmuth wissen, und gibt gleich die Antwort, warum Bremen es nicht konnte: „Beängstigend behäbig wirkten Mittelfeld und Viererkette.“

Für Frank Hellmann (Tagesspiegel) bemerkenswert ist bei „Arjen Robben, dass er im schematisierten Fußball der Moderne ein Individualist geblieben ist. Einer, der vieles darf. Insofern ist es eine weitere Meisterleistung des Fußballlehrers Louis van Gaal, seinen Landsmann so effektiv eingebunden zu haben, dass beide Seiten viel davon haben – van Gaal hat sein 4-4-2-System behalten, Robben seine Freiheit.“

Mitreißendes Gemeinschaftsgefühl

Dortmund besiegt den HSV im rauschenden Samstagabend-Spiel und aus dem Westfalenstadion steigen schon wieder alte Mythen auf. Daniel Theweleit bei Spiegel Online: „Vor allem aber spielt erstmals seit vielen Jahren wieder eine Mannschaft für den BVB, die mit großem Erfolg die traditionellen Werte dieses Fußballstandortes verkörpert. Alte Fußballkultur. Wie auf einem verklärten Gemälde aus der Zeit der Malocher-Heroen humpelten die Dortmunder Fußballer nach getaner Arbeit in die Kabine, abgekämpft und beglückt von einem mitreißenden Gemeinschaftsgefühl. (…) Schon in der vorigen Saison hat sich angebahnt, wie gut der aus Mainz gekommene Trainer Jürgen Klopp zu diesem Verein passt, jetzt scheint die Zeit anzubrechen, in der auch die entsprechenden Erfolge eingefahren werden.“

Große Passion macht auch Roland Zorn (FAZ) bei den jungen Borussenspielern aus: „Eine in der ersten Hälfte überlegene, leidenschaftliche Dortmunder Elf, der die Norddeutschen wenig entgegenzusetzen hatten außer ein paar harmlos-gepflegten Ballstafetten. Das war auf dem westfälischen Winteracker aber zu wenig, um das Team von Trainer Jürgen Klopp einschüchtern zu können. Angetrieben von Nuri Sahin dominierte der BVB diese Partie mit seinem druckvollen Spiel und der Fähigkeit, blitzschnell von Abwehr auf Angriff umschalten zu können.“

Sie flogen weit, sie flogen quer

Idenditätsprobleme der Nürnberger sind nichts Neues, und so schreibt Fadi Keblawi (Tagesspiegel) auch treffend: „Das Problem ist, dass man sich in Nürnberg nicht so sicher ist, wer genau man nun ist. Ein Zufalls-Erstligist, dessen natürliche Heimat die Zweite Liga ist – oder doch ein Team, das zumindest in den Niederungen der Bundesliga auf gleichwertige Gegner trifft?“ Man habe schon „viel Wohlwollen“ benötigt, „um das Geschehen auf dem Rasen als bundesligareif zu bezeichnen. Die Bälle im Frankenstadion flogen weit, sie flogen quer – nur eine Idee schien sie auf ihrer Reise nicht zu begleiten.“ Und Selbstvertrauen hätten sich die Nürnberger auf diese Weise auch nicht geholt. Wo es herkommen soll, weiß auch Keblawi nicht.

Ermüdende Rhetorik des neuen Trainers Hecking berichtet Ralf Weitbrecht in der FAZ: „Der bis auf den vorletzten Tabellenrang abgerutschte ‚Club‘ hatte sich für diesen langjährigen Südklassiker viel vorgenommen. ‚Jeder Grashalm muss brennen‘, hatte Hecking wortgewaltig angekündigt. Ein Unterfangen, das nicht nur wegen der frostigen Temperaturen misslang. Beide Mannschaften schienen sich früh mit dem Unentschieden zu arrangieren“ So blieb die Eintracht „schon zum sechsten Mal in Folge ungeschlagen. Eine Serie, die dem Club in der derzeit angespannten Lage gut tun würde.“

Matti Lieske (Berliner Zeitung) nennt das Aufeinandertreffen von Hecking und Skibbe sowie am nächsten Wochenende Slomka den „Konvent der Trauerklöße“.

„Hey, das war ein Scheißball“

Hannover bleibt nach der Zäsur Robert Enke im Tal und auch mit neuem Trainer Mirko Slomka ohne Sieg. Patrick Krull (Welt) erläutert und plaudert aus der 96er-Kabine: „Weil Siege ausblieben, verselbständigte sich die Spirale des Abstiegs noch auf einer anderen psychologischen Ebene: das Selbstvertrauen der Mannschaft schwand. Deren Stärke war in den vergangenen Jahren, dass sie zusammenrückte, wenn es brenzlig wurde. Das, heißt es aus Teamkreisen, klappe seit einiger Zeit nicht. Zudem bemängeln Hannovers Führungsspieler hinter vorgehaltener Hand, dass es zwischen Anspruchsdenken der Klubspitze und der Wirklichkeit eine Kluft gibt. Der Verein strebt nach Höherem, das Personal aber ist dazu nicht geeignet.“ Slomkas neue, vermeintlich härtere Methoden erschöpfen sich dann allerdings in Folgendem: „Er führt die Spieler im Gegensatz zu Bergmann mit Trillerpfeife, mehr Schichten an Trainingstagen und rauem Ton: ‚Hey, beweg dich‘ oder ‚Hey, das war ein Scheißball‘.“

Konsequent im Angriff wie lange nicht

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) fror mit den überraschend vielen übrigen Berliner Zuschauern beim 0:0 der Hertha: „Es war nicht kalt im Olympiastadion, nein saukalt war’s, so saukalt, dass in den Stadionkiosken sogar die Bierleitungen eingefroren waren und sich trotz Rasenheizung eine leichte Eisschicht auf dem Rasen gebildet hatte. Weil das Kombinationsspiel von einem derartigen Untergrund nicht unbedingt begünstigt wird, wurde es anfangs nur bei Weitschüssen gefährlich.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) bemüht Fortuna und Fatalismus: „Das Glück ist ein flüchtiger Geselle und es verteilt seine Gaben ohne erkennbares System. Herthas Angriffsbemühungen waren gegen Gladbach so konsequent wie lange nicht. Was bei Chancen von Ramos, Kringe oder Gekas fehlte, waren die berühmten Zentimeter. Schicksal. (…) Das 3:0 in Hannover hat Erwartungen geweckt, die allzu leicht den Blick für die Realität verstellen. Hertha hat in 17 Vorrundenspielen sechs Punkte geholt und dabei einmal gewonnen. Aus so einem Gebilde macht auch eine Runderneuerung auf drei Positionen keine Siegmaschine. Funkel stört sich nicht ganz zu Unrecht an der mangelnden Würdigung des zuletzt Erreichten.“ Goldmann weist auch daraufhin, dass Funkel relativ liga-untypisch schon zwei Mal in Folge auf Auswechslungen verzichtete, gegen Gladbach zurecht: „Hertha wurde immer überlegener, warum hätte er den Spielfluss durch das Einfügen potenzieller Fremdkörper gefährden sollen?“

„Ich habe Sammer manchmal gehasst“

Schalke verliert sein Heimspiel in Bochum mit 2:2, Felix Magath lässt nur schmallippig verlauten, dass so etwas bei einer solch jungen Mannschaft eben passieren könne. Vor der Partie zeigte sich Heiko Herrlich im Interview mit Oliver Müller (Welt) geradlinig und mit klaren Vorstellungen, erwähnt, wer ihn fußballerisch geprägt hat (Sammer und Hitzfeld) – und zitiert am Ende Paulo Coelho. Verlierer und Gewinner dieses späten Remis werden von Andreas Morbach in der FR gewürdigt: „Rafinha, der Blauäugige“ und auf Bochumer Seite Hashemian – aus „Tausendundeiner Nacht“.

Taktisch mehr zu bieten als Magath

„Anzeichen einer Aufbruchstimmung“ erkennt Thomas Haid (Stuttgarter Zeitung) beim erneut siegreichen VfB Stuttgart. Dies habe einen sehr konkreten Grund: Christian Gross. „In dieser kurzen Zeit hat er den richtigen Ton getroffen. Er denkt schwäbisch – und seine Maßnahmen fruchten.“ Erstes Beispiel sei Ciprian Marica, dessen Potenzial auch Babbel erkannt hatte, aber nicht wecken konnte. Gross gelänge dies. Zweites Beispiel: Alexander Hleb. „Inzwischen treten die Stuttgarter wieder mehr als Einheit auf – und davon profitiert Hleb, der besser in das Spiel eingebunden ist als in der Hinrunde. Aber auch Hleb hat sich verändert. Nicht zuletzt, weil ihm Gross das dringend geraten hat. Er verhält sich nun in seiner Freizeit professioneller und ist mit größerer Ernsthaftigkeit bei der Sache.“ Gross erinnere viele an Felix Magath. „Beide seien streng leistungsorientiert, disziplinbesessen und konsequent in ihrem Handeln, heißt es beim VfB. Außerdem seien sie keine einfachen Charaktere, aber sie würden über eine natürliche Autorität verfügen. Die Spieler hätten Respekt vor ihnen – wobei Gross taktisch sogar mehr zu bieten habe als Magath.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Alte Dortmunder Fußballkultur und Nürnberger Identitätsprobleme”

  1. Heffer
    Montag, 25. Januar 2010 um 15:09

    Hat der Bundestrainer am Samstag auch gesehen, wie leicht sich Mertesacker überlaufen lässt? Seine einzige Chance die Angreifer zu stoppen wären Notbremsen gewesen…

    Zugegebenermaßen waren sie wie oben schon steht sehr weit aufgerückt(warum man das nicht mal nach einer Handvoll hochbrenzligen Situationen geändert hat, bleibt mir ein Rätsel), aber in der jetzigen Verfassung dürfte er trotzdem weit weg von einem Stammplatz in der Nati sein.

    Und Warum ist der Hummels nicht beim Leistungstest dabei?

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