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Heynckes verordnet Selbstvertrauen, Herthas Pflänzchen Hoffnung wächst

Frank Baade | Dienstag, 23. Februar 2010 Kommentare deaktiviert für Heynckes verordnet Selbstvertrauen, Herthas Pflänzchen Hoffnung wächst

Hertha gewinnt gegen Freiburg, das sich so präsentiert, wie Hertha in der Hinrunde: wie ein Absteiger; Leverkusens Erfolg liegt an Heynckes und in Wolfsburg verliert der Meistertrainer beim Meister

SC Freiburg mitten im Existenzkampf

3:0, wie in Hannover, gewinnt Hertha BSC Berlin bei seinem dritten Saisonsieg, wieder gegen einen potenziellen Mit-Absteiger. In der NZZ sorgt sich Stefan Osterhaus um die unterlegenen Freiburger: „Eine desillusionierende Niederlage gegen ein Team, das bis vor noch wenigen Wochen als konkurrenzloser Tabellenletzter abgeschrieben worden war. Freiburg war kein Kandidat für den Abstieg, zu schwach schienen Nürnberg, Hertha und auch Hannover. Die Situation in Freiburg ist alarmierend. (…) Anders als andere Abstiegskandidaten wird der SC seine Trainer sicher nicht austauschen – eine Besonderheit des Freiburger Modells, das dem Coach Handlungsspielraum verschafft. Der könnte am Ende vielleicht doch für den Klassenerhalt verantwortlich sein.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) sieht Herthas zartes Pflänzchen wachsen: „Aus einer rosaroten Illusion ist eine handfeste Perspektive geworden. Auf einmal ist Hertha BSC nicht mehr der Paria, der ganz weit unten seine eigene Saison spielt, weit entfernt von jeder Konkurrenzfähigkeit. Das lag allerdings auch am erbärmlichen Zustand des Gegners. Freiburg hat nicht von ungefähr seit dem vergangenen Oktober daheim kein Tor mehr geschossen, die Niederlage am Sonntag war schon die fünfte im sechsten Rückrundenspiel. Längst steckt auch der SC Freiburg mitten im Existenzkampf.“ Dass die Berliner am Ende noch Milde walten ließen, nimmt Goldmann bei einer bestimmten Einwechslung an: „Mehr noch wäre möglich gewesen in dieser einseitigen Angelegenheit, aber die turmhoch überlegenen Berliner machten es gnädig. So gnädig, dass sie in der letzten Viertelstunde sogar ihren notorischen Chancentod Artur Wichniarek mitstürmen ließen.“

Eichhörnchen-Taktik könnte aufgehen

Funkel werde zu unrecht oft gescholten, befindet Christoph Ruf in der Berliner Zeitung: „Die Eichhörnchen-Taktik, für die Funkel in der Vergangenheit so viel Häme einstecken musste, könnte so tatsächlich aufgehen. Zumal im Tabellenkeller nicht nur Hannover 96, sondern auch der gestrige Gegner seit Wochen eine Form an den Tag legt, die selbst vor Ort nicht als bundesligatauglich erachtet wird.“ Überzeugend findet Ruf das Auftreten der Hertha: „Bei aller gebotener Zurückhaltung – der Abstieg ist immer noch näher als der Klassenerhalt – hat die Hertha doch gezeigt, dass sie eigentlich nicht in die Kellerregion der Tabelle gehört. Schon allein deswegen nicht, weil Kombinationen wie die zwischen Ramos und Cícero eben auch ohne die individuelle Klasse der beiden schwer denkbar wären. Und was Raffael zeigte, hatte mit Abstiegskampf eh nicht viel zu tun.“

Mit seinem Ex-Trainer Lucien Favre hat sich Hertha BSC Berlin geeeinigt. Stefan Hermanns (Tagesspiegel) berichtet von einer Summe unter einer halben Million, die Favre erhalten wird, obwohl ihm laut Vertrag noch 1,5 Millionen zustünden.

Mal Tempo rein, mal Tempo raus

Auch in Leverkusen habe der neue Trainer Entscheidendes verändert, lobt Peter Unfried (Spiegel Online): „Was die Platzstrategie angeht, so hat Heynckes den klassischen Hurra-Fußball von Bayer modifiziert, der zuletzt nur für die Ränge neun und sieben gut war. Das Team will immer noch dominieren und Chancen herausspielen. Aber eben nicht auf Teufel komm raus. Mal nimmt man Tempo rein, mal Tempo raus, so dass der Gegner nicht weiß, was wann gemacht wird. Toni Kroos‘ Treffer zum 2:1 in Bremen war exemplarisch für Bayer 2010. Lange Ballzirkulation, dann Tempoverschärfung, zack, zack, und dann spielte Kroos seine individuelle Klasse aus.“

Heynckes‘ persönliche Metamorphose ist auch Jörg Marwedel (SZ) nicht entgangen: „Der erfahrene Fußballlehrer erhöht also langsam, in gut durchdachten Dosen, den Druck auf das eigene Team. Und wieder einmal haben sich Beobachter, die Heynckes seltener sehen als die heimischen Journalisten, gewundert, wie relaxed und aufgeräumt der Altmeister den Aufschwung der ‚Vizekusener‘ moderiert.“ Nicht mal der Ausfall einer im Wortsinne Säule des Leverkusener Spiels konnte diese zurückwerfen. „Sogar Hyypiäs Fehlen haben die Leverkusener noch als Pluspunkt verbucht. Zum einen, weil der 36-jährige Finne mitgereist war mit der ohne ihn nur 22,9 Jahre jungen Elf. Quasi als Maskottchen, um den guten Teamgeist zu symbolisieren. Zum anderen, weil das Team auch ohne den Anführer zeigte, dass man in der Abwehr besser geworden sei als in den zurückliegenden Jahren, wie Heynckes hervorhob.“

Heynckes nicht so duckmäuserisch wie seine Vorgänger

Im Tagesspiegel glaubt Frank Hellmann den Ausführungen des Leverusener Trainers nicht in Gänze: „Die Erklärungsversuche Heynckes’ waren eher lächerlicher Natur, der die schwierigen Bodenverhältnisse als alleinige Erklärungsursache bemühte und seinem Torwart eine ‚herausragende Leistung‘ bescheinigte. Adler redete lieber Klartext. Sein noch in der Halbzeit an die Vorderleute gerichtete Appell, seinen persönlichen Fauxpas bitte wettzumachen, kam einmal mehr Toni Kroos nach. Er erzielte mit einem perfekten Fernschuss das 2:1 für die Bayer-Elf, die anschließend den Fehler beging, sich zu weit zurückdrängen zu lassen.“

Trotz Adlers Fehlers nicht verloren, da nimmt Frank Hellmann im Tagesspiegel an, dass die erste Leverkusener Niederlage weiter auf sich warten lassen könnte: „Fest steht, dass Bayer schwer zu bezwingen ist. Der kombinationsstarke SV Werder musste schon zu schlimmstem Kick-and-rush greifen, um überhaupt Chancen zu kreieren. Ein Verdienst von mannschaftsdienlichen Allroundern wie Lars Bender oder Stefan Reinartz, die für Bayer genauso wertvoll sind wie der hochgelobte Toni Kroos, dessen neuntes Saisontor zugleich seine beste Szene und eine Augenweide war.“

Auch die Welt hält Heynckes für das entscheidende Mosaiksteinchen. So urteilen Lars Wallrodt und Kai Niels Bogena: „In Leverkusen ist etwas entstanden, was in den vergangenen Jahren stets fehlte und den Sprung nach ganz oben verhinderte: Bayer glaubt plötzlich an die eigene Stärke. Zwar mischen die Rheinländer mittlerweile schon fast traditionell in der oberen Tabellenregion mit. Doch bislang folgten auf rasante Aufstiege meist ebenso gravierende Abstürze. Von dem alten Übel scheint Heynckes das Team befreit zu haben. Auch, weil er nicht das Duckmäuserische seiner Vorgänger übernommen hat. Die weigerten sich beharrlich, Bayer als Spitzenmannschaft anzuerkennen. Statt Selbstbewusstsein zu schüren, wurde die eigene Stärke weggeredet. Heynckes hingegen schlägt forsche Töne an.“

Grafite in meisterlicher Form

Wolfsburgs Grafite findet seine Form rechtzeitig fürs Rendezvous mit seinem alten Trainer wieder. Wolfsburg schlägt Schalke mit 2:1. Christian Otto (Tagesspiegel) weiß, dass es auch anders hätte kommen können: „Das Jubeln, Feiern und Gewinnen hatten sie fast schon verlernt. Und auch in der Partie gegen die aufstrebenden Schalker sah es lange Zeit nicht nach einem niedersächsischen Erfolgserlebnis aus. Trainer Felix Magath hatte bei seiner mit Applaus bedachten Rückkehr an jenen Ort, an dem er im Sommer 2009 noch den großen Überraschungstitel mit dem VfL gewonnen hatte, das Schalker Team taktisch bestens eingestimmt. Bis zu sieben Defensivspieler waren regelmäßig um das Wolfsburger Sturmduo Grafite und Edin Dzeko herumgelaufen, wenn es in der eigenen Hälfte ernst wurde. Und der Versuch, die Offensive des Gastgebers auszuschalten sowie selbst zu kontern, ging auch lange Zeit auf.“

Doch dann nahm das Spiel noch einen anderen Lauf. Christian Kamp (FAZ) schildert es so: „Stürmisch legten die Wolfsburger vor 30.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena schon los – als wollten sie ihrem früheren Chef zeigen, dass sie ihren meisterlichen Biss noch lange nicht verloren haben. Magaths Laune verschlechterte sich, je länger das Spiel dauerte. Die in dieser Saison so oft bewährte Schalker Art, sich aufs allernötigste zu beschränken, wurde in Wolfsburg nicht belohnt, weil Grafite sich bei den Zuspielen von Misimovic und Schäfer in meisterlicher Form präsentierte.“

Der Schalker Erfolg basiert auf Magaths Autorität

Claudio Catuogno (SZ) erkennt noch die alte Handschrift in Wolfsburg: „Es war dann nur konsequent, dass die Wolfsburger Magaths neuen Klub mit exakt jenen Mitteln auseinander nahmen, die Magath ihnen einst beigebracht hatte, die zuletzt jedoch unter Genügsamkeit und Selbstzweifeln begraben lagen: mit Geschwindigkeitsfußball, der stets das Ziel hat, den Ball scharf zu Edin Dzeko oder Grafite zu passen.“ Doch Tee-Tunker Magath ließ sich davon natürlich nicht beeindrucken: „Sei’s drum, Magath nahm die Niederlage gelassen. Für die Wolfsburger mochte das Spiel eine Art Erlösung gewesen sein, für seine Schalker war es kaum mehr als ein kleiner Stolperer – erster Verfolger des Spitzenduos aus Leverkusen und München bleiben sie trotzdem.“

Bei Spiegel Online analysiert Peter Unfried die Spielweise von Magaths neuem Team: „Schalkes derzeitiger Erfolg basiert auf Felix Magath, also auf autoritärer Führung und einer sehr kompakten Defensive. Hier wird der Ball nicht kontrolliert, indem man ihn zirkulieren läßt, sondern in dem man gegen ihn arbeitet. Wie immer hat Magath ein paar agressive, junge Spieler reingemischt und damit zu „seinen Spielern“ gemacht. Aber angesichts der Personalinvestitionen der letzten Jahre ist der Kader sooo schlecht ja nun auch nicht.“

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