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Bundesliga

Barrios, ein echter Mittelstürmer, Hoffenheim bleibt grau, Bayern arrogant

Frank Baade | Dienstag, 23. März 2010 2 Kommentare

Bayern verliert verdient nach passiv-zörgerlichem Auftreten in Frankfurt, noch zögerlicher aber verliert Hannover in Stuttgart, Freiburg freut sich endlich mal wieder und Hoffenheim verharrt weiter im Niemandsland

Köln kann noch aus eigener Kraft absteigen

In Köln kriselt es zwischen Publikum und Team, berichtet Ulrich Hartmann (SZ): „Wenn’s nicht albern klänge, müsste man behaupten: Der 1. FC Köln kann noch aus eigener Kraft absteigen. Gegen Hannover und Nürnberg müssen die Kölner auswärts spielen, gegen Berlin, Bochum und Freiburg spielen sie daheim, aber von einem diesbezüglichen Vorteil will niemand sprechen, denn die Kölner spielen nicht nur gegen die im emotionalen Aufbruch befindlichen direkten Kontrahenten, sondern sie spielen auch noch gegen ihr sonst so treues Publikum.“ Der Mannschaft werde immer mehr die dringend nötige Sympathie entzogen, auch erste Soldo-raus-Rufe habe es gegeben. Jetzt stehe die Partie in Hannover an und bei einer Niederlage wäre Köln „im Moment ein Abstiegskandidat, der sich der Unterstützung seiner Fans nicht mehr sicher sein könnte.“

Wirkt das Trauma aus Barcelona noch nach?

Alle Beobachter sind sich einig: dieser Frankfurter Sieg gegen uninspirierte Bayern war verdient. So urteilt nicht nur Frank Hellmann im Tagesspiegel: „Gerechterweise war in der Schlussphase des Spiels eine lethargische Münchner Vorstellung mit späten Toren bestraft worden. 1:2 statt 1:0. Und wer den Bayern Böses wollte, erinnerte gleich mal ans Vereinstrauma aus dem Mai 1999, als einst Manchester United in ähnlich furiosem Finale gegen die Münchner die Champions League gewann. Zwei Tage zuvor war den Bayern besagtes ManU als Viertelfinalgegner zugelost worden – wirkt das Trauma aus Barcelona noch nach? Der FCB versagte im Kollektiv. Lauf- und zweikampfschwach, harm- und hilflos trat der ausgeruhte Rekordmeister ausgerechnet vor den ganz wichtigen Wochen auf.“

Während van Gaal gönnerhaft einräumte, dass sein Team „nicht überragend“ aufgetreten sei, widerspricht Fabian Schmidt (FAZ) deutlich: “ Der Rekordmeister war nicht nur ‚nicht überragend‘, sondern eher unglaublich schwach. Es ist unverständlich, wie ein Favorit mit einer frühen Führung im Rücken ein Spiel bei einem Mittelniveau-Klub derart passiv gestalten kann. Frankfurt war aggressiver, druckvoller, engagierter. Der FC Bayern verlor in Frankfurt am Samstag seit 19 Bundesliga-Partien wieder. Das ist in der Tat kein ‚Weltuntergang‘, wie Bastian Schweinsteiger sagte. Dennoch sollte die Spielweise in Frankfurt den Rekordmeister alarmieren, zumal der FC Bayern auch in den beiden vorherigen Auswärtspartien gegen Nürnberg und Köln nicht überzeugte.“ Man sei schließlich keine Maschine, hieß es aus dem Team der Bayern. „Das sind die Schalker auch nicht. Das Team des ehemaligen Bayern-Trainers Felix Magath bewies aber vor zwei Wochen, wie man in Frankfurt (4:1) gewinnt und überzeugt.“

Eintracht nutzte den „Schnelligkeitsvorteil“

Andreas Burkert (SZ) vermutet gar Taschenspielertricks auf Seiten der Bayern: „Als habe man ein Täuschungsmanöver inszeniert, für die anwesenden Scouts aus Schalke oder Manchester. Doch von einer List sprach später niemand, mehr von einer gewissen Hilflosigkeit.“ Dabei setzte die Niederlage „einen schon einige Wochen anhaltenden Abwärtstrend fort, den zuletzt in Florenz (2:3) und gegen Freiburg (2:1) nur Robbens Volltreffer kaschiert hatten“, fort. „Robbens Leistung legte eine gewisse Arroganz gegen die Notelf eines Mittelklasseteams nahe. Oder eben ein Schonprogramm vor dem Pokal-Halbfinale auf Schalke und den weiteren Schwerstaufgaben wie dem Europacup-Los Manchester.“ Bei Robben müsse man nicht zweifeln, ob er sich wieder steigern könne. Bei „jungen Dauerspielern wie Müller oder Badstuber angesichts ihrer verständlichen Stagnation“ allerdings schon.

Und da war ja auch noch ein anderes Team, jenes nämlich, welches den verdienten Sieg herausgekämpft und -gespielt hatte. In der Berliner Zeitung würdigen Ingo Durstewitz und Thomas Kilchenstein diese Leistung: „Der Schlüssel zum Erfolg lag auf der rechten Angriffsseite. Da wirbelten die bislang in der Bundesliga noch nicht sonderlich auffällig gewordenen Sebastian Jung und Marcel Heller. Dabei war dieses belebende Moment aus purer Not geboren, weil Maik Franz und Patrick Ochs gesperrt zusehen mussten. Doch Jung und eben Heller machten ihre Sache auf dem Flügel richtig gut. ‚Wir wollten den Schnelligkeitsvorteil über rechts nutzen‘, sagte Skibbe. Ein Konzept, das aufging. Vor allem Jung wuchs geradezu über sich hinaus. 19 Jahre ist er alt, 15 Bundesligaspiele hat er auf dem Buckel, doch er spielte wie ein Routinier.“

Weit weg von Lobanowski und Sacchi

Die TSG Hoffenheim erzielt schon wieder kein Tor und krebst weiter in der Tabelle herum. Das mache ihren Trainer ganz betrübt, berichtet in der Welt Lars Wallrodt: „Rangnick leidet derzeit. Als junger Trainer orientierte er sich an höchsten Fußballidealen, wie er sie einst bei Waleri Lobanowski und Dynamo Kiew oder Arrigo Sacchi und dem AC Mailand beobachtete. Jetzt muss er sich in der Bundesliga aus nächster Nähe den Rumpelfußball der TSG 1899 Hoffenheim ansehen, für den er als Cheftrainer auch noch verantwortlich zeichnet. Wer Ralf Rangnick derzeit ins Gesicht schaut, kann sehen, wie sehr ihn das schmerzt. Er ist weitab vom erhofften Weg.“

Moritz Kielbassa (SZ) stimmt beim Blick auf Hoffenheims Lage zu: „Grau mutet das alles an, wobei der von Verletzungen geplagte Liga-Elfte mit seinen vielen Künstlern auf Sinnsuche im Moment sogar froh sein kann über zementiertes Mittelmaß. Sie werden derzeit selbst nicht schlau aus ihrer durchwachsene Saison. Viele Analyseansätze werden intern wie extern hart untersucht, und die interessanteste Frage ist, wie sich Hoffenheim personell für die Zukunft aufstellt. Rangnick hat sein Bleiben emotional bekräftigt.“ Statt teurer, aber nur mäßig erfolgreicher Transfer aus dem Ausland wolle man nun wieder vermehrt auf deutsche Talente setzen. „Ein Signal soll auch sein, dass Mittelfeld-Kampfquirl Tobias Weis dem Vernehmen nach seinen Vertrag verlängert.“

Beim erneut nicht unterlegenen Gegner Nürnberg sei man dagegen wesentlich glücklicher: „Gelänge der Klassenerhalt, wären alle happy, und das 0:0 war in Eichhörnchen-Manier das fünfte Spiel nacheinander ohne Niederlage.“

Hannover ohne Physis und Struktur

Unfassbar sei der Auftritt der Hannoveraner gewesen, ist allerorten zu lesen. Christof Kneer (SZ) beginnt das Augenreiben: „Das Spiel stand in der Tat mehrmals kurz davor, vom DFB-Sportgericht wegen Geringfügigkeit eingestellt zu werden. Dennoch war es eine fast historisch zu nennende Partie, weil Hannover im 47. Jahr des Bestehens der Bundesliga ein völlig neues Rezept im Abstiegskampf vorstellte. Hannover beschloss, den Abstiegskampf einfach zu ignorieren. Es wirkte, als sei Hannover 96 die erste Elf der Bundesliga-Geschichte, die sich nicht für Fußball interessiert.“ Insgesamt habe sich ein „unglückliches, grotesk desinteressiert wirkendes Durcheinanderdings“ präsentiert, an dessen personeller Entstehung diverse Manager und Trainer mitwirken durften. „Ob Slomka der Mann ist, der das irritierende Durcheinander ordnet, dürfte nun wieder bezweifelt werden. Weder Struktur noch Physis steckten in diesem Spiel.“

Die Stuttgarter dagegen hätten nach ihrer Niederlage in Barcelona gezeigt, was ihr Trainer habe sehen wollen, schreibt Oliver Trust (FAZ): „Gross hatte ungewöhnlich markante Worte gewählt, als er vom bevorstehenden Bundesligaalltag und der Partie gegen Hannover 96 sprach. Er sprach von ‚Ehre‘, ‚Stolz‘ und einer ‚Reaktion‘, die er sehen wolle. Gross bekam seine Reaktion in Form eines 2:0-Sieges, der zwar mühevoll errungen war, aber dennoch verdient. (…) Hannover hingegen enttäuschte. Mit welcher Taktik Hannover versuchte, zum Erfolg zu kommen, blieb lange ein Rätsel. In der ersten Halbzeit erweckten die Niedersachsen nicht den Eindruck, als wollten sie Tugenden an den Tag legen, die man gemeinhin Abstiegskämpfern nachsagt.“

Ein Tor wie eine Liebeserklärung

Fußballfremde Bilder findet in der SZ Iris Hellmuth für Pizarros Tor, welches er als „der Herr vom Ballett“ erzielt habe, als er durch die Luft wirbelnd einnetzte. „Naldo hatte sich aus der Viererkette gelöst, schaute kurz auf, sah Pizarro, spielte ab; der Ball flog, Pizarro stob durch die Abwehr der Bochumer hindurch, setzte an – im Ballett nennt man das einen Grand Jeté – und traf noch im Fliegen mit der rechten Fußspitze den Ball. Ein Tor wie eine Liebeserklärung an diesen Sport.“

Wie schon am Donnerstag zuvor sah Frank Heike (FAZ) „eine atemraubende Offensive und die tölpelhafte Defensive“ bei den Bremern. „Das nennt man Rotation: Fünf Stammspieler schonte Schaaf. Fritz, Frings, Pizarro, Özil und Mertesacker durften sich nach den Mühen von Valencia auf der Bank ausruhen. Eine bessere B-Elf mit Prödl, Boenisch, Jensen, Borowski und Rosenberg sollte gegen den VfL Bochum den zwölften Saisonsieg einfahren. Doch man konnte schon nach zehn Minuten sehen, dass diese Bremer Mannschaft Probleme in allen Mannschaftsteilen hatte und den gut stehenden VfL nie in Gefahr brachte.“ Dann bekommen Borowski („Schatten früherer Tage“), Jensen („enorm hohe Fehlerquote im Passspiel“) und Prödl („unbeweglich“) ihr Fett weg. Dennoch sei das Spiel nach diversen Wechseln wieder mal zum „Spektakel“ geworden, diesmal mit dem besseren Ende für Bremen.

Beherzte Freiburger

Freiburg gewinnt nach ewig anmutender Durststrecke mal wieder ein Heimspiel, auch das verdient, findet in der FAZ Daniel Meuren: „Das zu einem ‚Endspiel‘ ausgerufene Duell begannen die Freiburger mit dem Mut der Verzweiflung und einer Ausrichtung mit vier offensiven Mittelfeldspielern hinter der Spitze Papiss Cissé. Wie schon beim Auswärtsspiel in München rückte Flum aus seiner zentralen Position im defensiven Mittelfeld wieder eine Reihe nach vorne. Zudem nutzte er in der zehnten Minute die ungewohnte Nähe zum gegnerischen Tor zu seinem ersten Saisontreffer.“ Auch eine Umstellung des Mainzer Trainer Tuchel vom 4-1-4-1-System auf eine 4-2-3-1-Grundordnung habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht. „Konstruktive Szenen blieben auf Mainzer Seite jedoch weiterhin Mangelware, weil die Freiburger beherzt ihren eigenen Torraum verteidigten.“

Endlich die richtige Mischung gefunden hätten die Freiburger, hofft Christoph Ruf (SZ): „Zum ersten Mal seit Herbst sah man eine SC-Mannschaft, die defensiv gut stand, ohne vollständig außer acht zu lassen, dass auch hinter dem gegnerischen Torhüter ein Tornetz aufgespannt ist.“ Anfangs der Saison seien die Freiburger noch viel zu naiv stets offensiv bemüht gewesen, und hätten dabei oft Bundesligatauglichkeit vermissen lassen. „Als die vielen Gegentreffer dann ein wenig aufs Gemüt drückten, stellte Robin Dutt um. Dass die Sicherung des eigenen Tores zur gedanklichen Hauptbeschäftigung wurde, war geplant. Dass die Mannschaft vor lauter defensivem Denken das Fußballspielen weitgehend einstellte, wohl eher nicht.“

Niemand nimmt das Leverkusener Heft in die Hand

Borussia Dortmund hat einen echten Mittelstürmer im Kader und hofft nicht nur deshalb noch auf Platz 3 zum Abschluss der Liga. In Richtung Bayer sehen die meisten Kommentatoren allerdings das alte Unglück aufziehen. So bilanziert im Tagesspiegel Felix Meininghaus nach der Partie: „Es ist gut vorstellbar, dass Leverkusen seinem Standardwerk Vize in dieser Saison ein neues Kapitel hinzufügt. Ein Sieg in Dortmund, und Bayer wäre in der Tabelle an den Bayern vorbeigezogen. Doch die Steilvorlage wusste das Team nicht zu nutzen. Als das passierte, was Trainer Jupp Heynckes als ‚Blackout von 15 Minuten‘ bezeichnete, war niemand zu sehen, der das Heft in die Hand genommen hätte.“ Auch Trainer Heynckes könne sich „diesem psychologisch wie medial so reizvollen Thema“ nicht entziehen. „Sieben Runden bleiben Bayer, um das Stigma des ewigen Verlierers doch noch abzulegen.“

Dass sie in Dortmund verloren, hätte nicht sein müssen, stellt Felix Meininghaus an anderer Stelle im Tagesspiegel fest: „Es war eine Niederlage, die sich die Rheinländer in erster Linie selbst zuzuschreiben hatten. Weil sie es versäumten, aus ihrer drückenden Überlegenheit in der ersten Hälfte Kapital zu schlagen. Und weil sie in der zweiten Hälfte, als die Dortmunder ihr Kämpferherz entdeckten, nicht energisch dagegenhielten. Zumindest 45 Minuten lang erfüllten die Leverkusener beinahe alle Attribute, die an eine Spitzenmannschaft gestellt werden: Läuferisch stark, mit kluger Raumaufteilung und frappierender Sicherheit am Ball nutzten sie das Spitzenspiel zu einer Demonstration der Stärke. Was fehlte, waren allein die Tore.“

Die Leverkusener Stärke ist zerbröckelt

Noch mal in die Kerbe des häufigen Leverkusener Scheiterns schlägt in der Berliner Zeitung Matti Lieske: „Auch unter Heynckes also dasselbe Spiel, der Mannschaft geht die Puste aus, und wie das mutlose, fast ohnmächtige Auftreten nach dem zweiten Dortmunder Tor zeigte, auch die Moral. Die eigene Stärke, auf die Leverkusen so lange vertrauen durfte, ist zerbröckelt.“

Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) hat einen der Hauptgründe für den Dortmunder Erfolg ausgemacht: „Längst hat sich Barrios zum Dortmunder Königstransfer entwickelt. Zieht man die ersten acht torlosen Partien ab, in denen er sich nach seinem Wechsel vom chilenischen Club Colo Colo an das Tempo in der Bundesliga gewöhnen musste, sind ihm in 19 Spielen 15 Treffer und fünf Torvorlagen gelungen. Nach anfänglicher Kritik wird er inzwischen in höchsten Tönen gelobt. Als der Held ausgewechselt wurde, verabschiedete das Publikum ihn nicht mit überschwänglichem Jubel, eher mit liebevollem Applaus. So, als erwarte man noch eine Menge mehr von der ‚Tormaschine‘, wie Zorc ihn nannte. Und das kann man ja vielleicht auch“, mit Blick auf die für Dortmund nicht ungünstige Tabellenlage.

Das sieht Freddie Röckenhaus in der SZ ganz ähnlich: „BVB-Mittelstürmer Lucas Barrios personifizierte erneut jenen Killerinstinkt, der die Elf von Jürgen Klopp allmählich zum Geheimfavoriten der Liga macht. Mit zwei typischen Torjäger-Toren schlug der Argentinier zu.“ Dass Dortmund nur gewann, weil Leverkusen mal wieder scheiterte, ficht Röckenhaus an: „In Wahrheit ging der Wandel in diesem Spiels allein von Dortmund aus und hatte wenig mit allzu oft beschworener Leverkusener Verzagtheit in wichtigen Momenten zu tun. Seit Wochen würgt Klopps Elf mit Leidenschaft, Laufpensum und radikalem Forechecking die Spielambitionen seiner Gegner schon im Entstehen ab – nur eben in der erste Halbzeit gegen Bayer nicht.“

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2 Kommentare zu “Barrios, ein echter Mittelstürmer, Hoffenheim bleibt grau, Bayern arrogant”

  1. Ein Tempodribbler in der Sackgasse « Sportlich
    Mittwoch, 24. März 2010 um 10:59

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  2. Zwei späte Aussetzer gefährden die Ernte « Sportlich
    Mittwoch, 24. März 2010 um 11:00

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