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Bundesliga

Vom Luftikus zum Leitwolf: Schweinsteigers Wandel; Herthas Abgang; Freiburgs Fußball

Frank Baade | Dienstag, 27. April 2010 2 Kommentare

Bei Bayern überzeugt Schweinsteiger, aber die Personaldecke ist dünn, Hertha offensiv zu schwach und auch zu naiv, der SC Freiburg spielt wieder Fußball, Detail-Analysen von Pizarro und Ivanschitz

Noch könnte Bayern schlimm scheitern

Bei Spiegel Online stellt Christoph Biermann fest, dass noch nichts sicher sei: „Bislang haben die Bayern jeden Ausfall und jede Formschwäche kompensieren können, auch in den nun schon sieben Spielen innerhalb der vergangenen vier Wochen. Doch Felix Magath hat schon recht: Die Gefahr des Scheiterns besteht beim FC Bayern immer noch. Ein Ausscheiden bei der am vergangenen Wochenende spielfreien und deshalb ausgeruhten Mannschaft von Olympique Lyon könnte auch im Bundesliga-Endspurt schlimme Folgen haben.“

Etwaige solche wären in eigenen Fehlern begründet, urteilt in der Berliner Zeitung Markus Lotter: „Drei Innenverteidiger sind letztlich bei einer Dreifachbelastung durch Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League dann doch ein Innenverteidiger zu wenig. Es war sicherlich angebracht, sich von Lucio zu trennen, dem stets missmutigen Brasilianer, der sich schon immer zu etwas Höherem berufen fühlte und mit seinem Wahnsinn für das van Gaal’sche Aufbauspiel wohl ohnehin ungeeignet gewesen wäre, und doch hätte man spätestens in der Wintertransferperiode einen Abwehrmann mit internationalem Format verpflichten müssen.“

Schweinsteigers neue Reife, alte Schwäche

Einer wäre daran jedenfalls nicht schuldig, findet Jörg Hanau (FR), Bastian Schweinsteiger: „In dieser Saison kam ihm das Image als Jungmädchen-Schwarm abhanden. Eine ganz gezielte Metamorphose. Schweinsteiger gibt sich seriös, hat sich emanzipiert, persönlich wie beruflich. In der Mannschaft ist Schweinsteiger zum Leitwolf aufgestiegen, zieht neben Kapitän Mark van Bommel die Strippen im defensiven Mittelfeld. Seine unstrittige spielerische Klasse kommt auf der Sechser-Position voll zur Geltung. (…) Zweikampfstark, lauffreudig – das war er schon immer, nur wirklich antrittsschnell war er nie. Früher, als er noch die Außenbahn beackerte, war dies zweifelsfrei sein größtes Manko. In der Zentrale wiegt das vielleicht einzige Defizit dieses kompletten Fußballers weit weniger schwer. Schweinsteiger ist die Schaltstelle im Mittelfeld der Bayern.“

In Lichtgeschwindigkeit ruiniert

Beinahe, aber nur beinahe sprachlos ist Stefan Hermanns angesichts der nackten Zahlen bei Hertha BSC (Tagesspiegel): „Marko Pantelic, oder besser: seine Abschiebung aus Berlin, ist ungewollt zum Symbol für Herthas Hybris geworden, für die fatale Fehleinschätzung der eigenen Stärke. Die Gründe für Herthas Absturz sind die gleichen wie die für das S-Bahn-Chaos in der Stadt: Dilettantismus und Missmanagement. (…) In den 16 Heimspielen dieser Saison hat Hertha neun Tore erzielt, in der Rückrunde waren es zwei. Für eine solche Bilanz lassen sich eigentlich gar keine Worte mehr finden.(…) Der Kader ist längst im Auseinanderbrechen begriffen, die Fliehkräfte werden jetzt immer stärker, und spätestens wenn der Abstieg auch rechnerisch feststeht, wird die große Flucht einsetzen.“

„Just auf dem Höhepunkt der Sympathiewerte folgte der Fall ins Bodenlose“, erinnert Markus Völker an die positive Entwicklung in der letzten Saison (taz). „Das alte Westberliner Milieu bemächtigte sich wieder des Klubs und ruinierte ihn in Lichtgeschwindigkeit vollends. Die Trümmer darf Hertha nun in Liga zwei aufklauben. (…) Vor dem Tor versagten die Stürmer allzu oft. Reichten in der Vorsaison zwei, drei Möglichkeiten, um sich ein 1:0 zu ergaunern, so brauchten sie in dieser unglücklichen Spielzeit sieben oder acht für ein Unentschieden. Auch im Spiel gegen Schalke hätten Theofanis Gekas oder Cicero treffen müssen, Hertha war zeitweise das überlegene Team. Doch Hertha, deren Stürmer im Abstiegsstrudel offenbar einen Drehwurm bekommen haben, brachten den Ball nicht an Schalke-Keeper Manuel Neuer vorbei.“

Bayer schwach, doch auf dem Weg nach unten ist Gegner Hannover

„Unscheinbar“ nennt Peter Heß (FAZ) beim 3:0 der Leverkusener gegen Hannover 96 den Auftritt des Siegers. „Bayer lieferte dabei die schwächste Leistung der vergangenen Wochen ab, in denen freilich nur ein Sieg in neun Spielen gelungen war.“ Im Mittelfeld habe „Ideen- und Ratlosigkeit“ geherrscht. Und trotzdem erreichte Bayern diesen klaren Sieg in einer Partie, in der sich Hannover erst langsam von der 0:7-Niederlage der Vorwoche erholte: „Es wirkte an diesem Nachmittag so, als hätten die Hannoveraner den Fahrstuhl in die zweite Liga betreten.“

Ivanschitz: Zahlen des Niedergangs

Für Ingo Durstewitz (FR) bedient der in der Rückrunde schwache Ivanschitz das „Klischee des Stehgeigers“, auch wenn dieser gegen Frankfurt „nicht schlecht spielte und eine gute Torchance hatte“ – er „fühlt sich gedemütigt.“ Denn sein Trainer Tuchel verabreichte ihm das, was man nach guter alter Art die „Höchsstrafe“ für einen Fußballer nennt: erst wechelste Tuchel ihn ein, dann wieder aus. „Tuchel, der großen Wert auf Laufarbeit und taktische Disziplin legt, fand schon in den vergangenen Monaten kein gutes Wort mehr für Ivanschitz, spätestens seit der Roten Karte in Nürnberg scheint das Tischtuch zerschnitten.“ Wohl auch, weil Ivanschitz nicht mehr an seine Leistungen in der Hinrunde anknüpft: „Keines seiner letzten acht Spiele ging über 90 Minuten, in seinen letzten 15 Partien hat er kein einziges Tor geschossen und nur eines vorbereitet. Zahlen des Niedergangs.“

Pizarro, der leise Anführer

In ihrem bald alleinigen besten ausländischen Torschützen der Bundesliga, Claudio Pizarro (Klaus Allofs: „Das schafft er sowieso bald.“), habe das junge Bremer Team einen „Anführer für die Mannschaft gefunden, der anderen die lauten Worte überlässt und selbst unaufgeregt und allürenlos vorangeht“, berichtet Frank Heike in der FAZ. Seine Freude am Spiel sei verstärkt sichtbar, ohne dabei die Ernsthaftigkeit im Streben nach Erfolgen zu vernachlässigen. „Pizarro ist kein Heiliger, aber doch gibt man ihm gerne die zweite und dritte Chance, vielleicht schon deshalb, weil aus seiner langen Zeit als Profi kein einziges böses Foul überliefert ist. Und die Bremer Fans interessiert es ohnehin nicht wirklich, was in Peru passiert ist. Sie sehen in Claudio Pizarro einen der Spieler, die wie Ailton, Micoud, Diego für das Besondere stehen und bei denen man sich manchmal fragt, warum sie bei Werder spielen.“

HSV-Hoffmann und die Bilanz aus Hoffenheim

Zur Partie Hoffenheim gegen den Hamburger SV und den Auswirkungen der hohen Niederlage lesen Sie auch diesen Extra-Beitrag mit Stimmen zur Entlassung Bruno Labbadias.

Freiburg findet im 4-1-4-1 zurück zum Erfolg

Anders als die Wolfsburger würden die Freiburger „seit einigen Wochen beim Fußballspielen wieder Fußball spielen“, findet Christoph Ruf (SZ). Wolfsburgs Köstner wirke hingegen, als könne er nur Betonfußball spielen lassen. Sieger Freiburg hingegen im „4-1-4-1-System, funktioniert von Spieltag zu Spieltag besser. In der Rückwärtsbewegung sieht es zuweilen aus, als agiere das Team mit drei Sechsern, in der Vorwärtsbewegung sind urplötzlich vier, fünf Offensivkräfte anspielbar.“ Das wirke sich auch auf die Psyche der Spieler aus. Hörbar zum Beispieler vor dem kommenden Auswärtsspiel in Köln. „Während Statements von SC-Spielern vor Auswärtsspielen noch vor wenigen Wochen so zuversichtlich klangen wie die Aussagen eines griechischen Finanzministers, scheinen sie nach den jüngsten Erfolgen tatsächlich daran zu glauben, dass sie am Ende unter den besten 15 Mannschaften sein werden.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Vom Luftikus zum Leitwolf: Schweinsteigers Wandel; Herthas Abgang; Freiburgs Fußball”

  1. Peter Glock
    Dienstag, 27. April 2010 um 20:16

    Schweinsteiger war schon lange fehlbesetzt auf der Rechtsaußenposition. Es war lange bekannt, dass er in die Zentrale gehört. Aber einerseits haben es ihm seine Trainer vielleicht nicht zugetraut, andererseits gab es einfach niemanden für die Rechtsaußenposition, wie zum Beispiel in der Nationalmannschaft.

    Was ganz besonders interessant ist, ist die öffentliche Betrachtung Schweinsteigers. War er noch unter der Regie der vor-van-Gaal-Zeit-Trainer immer der Feier-Mode-Frisur-Schweini, so sei er plötzlich ein anderer geworden.
    Ich glaube nicht, dass er ein anderer geworden ist. Vielleicht reifer.

    Aber das ist die Masche der Zeitungen, die irgendwas finden mussten. Irgendwann glauben die Journalisten selbst, was sie in den Windkanal gepustet haben und wundern sich dann, wenn es nicht so ist.

    Das ist fast schon witzig.

  2. Heffer
    Samstag, 1. Mai 2010 um 14:33

    Interessant zu wissen wäre es, wie es Schweinsteiger ergangen wäre, wenn er auf der Außenposition geblieben wäre. Wahrscheinlich hätte er sich mit Müller um die Mitte streiten müssen. Ausgang ungewiss, aber Vorteil Müller, denke ich mal.

    Ergänzenderweise muss man aber auch sagen, dass Schweine schon auch seine Mehmet-Scholl-Bravo-Phase hatte und sich dem Trara mit Sicherheit nicht entzogen hat, den anderen Eigengewächsen im Kader würde ich sowas eigentlich nicht zutrauen.

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