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Ball und Buchstabe

Schwache chinesische Beine und Hitler-Fernsehen

Kai Butterweck | Freitag, 18. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Schwache chinesische Beine und Hitler-Fernsehen

Zwei Chinesen hoffen auf ein Finale mit deutscher Beteiligung, deutsche Weltenbummler hoffen auf einen guten Platz am Zaun, die Live-Berichterstattung steht in der Kritik

Johannes Dieterich (Stuttgarter Zeitung) beschäftigt sich mit zwei von 100.000 in Südafrika lebenden Chinesen und deren  Bezug zur WM: „Newcastle – Offenbar gibt es 51 Newcastles in der Welt: Das von uns aufgesuchte liegt zwischen weiten Grasflächen und sanften Hügeln in der südafrikanischen Kwa Zulu/Natal-Provinz. Der 44-jährige Wron Xua Yan kommt aus der Nähe von Schanghai und wohnt seit acht Jahren in einer Textilfabrik, die außerhalb der früher ‚weißen’ Stadt im schwarzen Township ausgerechnet in der Yellow-Street, der gelben Straße, liegt. Er sitzt vor einem chinesischen Großbildschirm und schaut sich die Begegnung zwischen Brasilien und Nordkorea an. ‚Natürlich bin ich für Nordkorea’, sagt der Chinese in einwandfreiem Englisch: ‚Schließlich sind sie unsere Nachbarn und sozialistisch wie wir.’ Dass seine Heimat als bevölkerungsreichster Staat der Erde nicht bei der WM vertreten ist, hat nach Auffassung von Mister Yan vor allem mit der Ernährung zu tun: ‚Unsere Beine sind einfach nicht stark genug’, sagt der Fabrikbesitzer und beißt in eine panierte Garnele.“ Sein Chef, der Stadtrat Chuan-Yi Liu, der ebenfalls im Reich der Mitte geboren ist, habe auch schon eine perfekte Geschäftsidee während der WM ausmachen können: „Nachdem der Magistrat am Sonntag Deutschland spielen sah, will er mehrere tausend Trikots in den Farben schwarz-rot-gold produzieren. Denn: ‚Die kommen bestimmt ins Finale’, ist der Geschäftsmann überzeugt.“

Air Bäron und Dudenhofens Sohn

Bei jedem Spiel der Nationalelf sieht man ihre Fahnen auf den Tribünen. Johannes Ehrmann und Ron Ulrich (Tagesspiegel) trafen sich mit besonders treuen Zaunkönigen: „Frank Niemann zeigt in Südafrika Flagge. Schwarz-rot-gold, darauf mit weißen Lettern nur zwei Wörter: ‚Air Bäron’, eine Hommage an den früheren HSV-Stürmer Karsten Bäron. Es ist Frank Niemanns Visitenkarte am Kap. Seit 15 Jahren reist er der Nationalelf in alle Welt hinterher und hängt seine Fahne in die Kurve.“ Dabei gehe es vor allem um „Ruhm und Ehre“. Denn „‚’Air Bäron’ ist das bekannteste Markenzeichen der Szene, die in Südafrika derzeit mit rund 40 bis 50 Leuten vertreten ist.“ Ein weiterer Freund des Fahne sei Michael Malmer aus Speyer: „In der Kurve ist Malmer ‚Dudenhofens Sohn’. Zwei Wochen Urlaub für Südafrika hat er zu Hause herausgeschlagen, natürlich auch mit Option auf mehr, falls Deutschland noch weiterkommt. Seit zwölf Jahren ist Malmer Bannerträger, er war mit dem Fußball überall in der Welt. Im letzten Jahr bei der U21-EM in Schweden hat es Malmer so gut gefallen, dass der 28-Jährige trotz Arbeit drei Mal zwischen Deutschland und Skandinavien hin und her geflogen ist. Und alles für einen guten Platz am Zaun. ‚Man muss schon verrückt in der Birne sein’, sagt Michael Malmer und lächelt.“

Hitler Sender ZDF

Deniz Yücel (taz) hat bislang wenig Freude an der WM-Berichterstattung: „Das Event-Fernsehen findet alles langweilig. Keine Freude mit den Kleinen, kein Respekt, nur blöde Sprüche: ‚Die sind keine Laufkundschaft mehr’. Auch sonst nur schlechte Laune: Erst Hetz-Berichte über Südafrika, dann Genöle über Vuvuzelas, schlechtes Wetter, zu wenig Zuschauer, schwache Torhüter, schwache Stürmer. Doch die Wahrheit ist: Der einzige Grund zum Nölen ist das Nöl-Nöl-Fernsehen. Am schlimmsten wieder: Der Hitler-Sender ZDF mit Katrin Müller-Hohenstein (44, ‚innerer Reichsparteitag’), Béla Réthy (53, ‚Sturmführer’) und Oliver Schmidt (38, ‚Belgien hat Probleme’). Am besten noch RTL: Moderiert hitlerfrei, bringt danach Super-Recherche-Infos über Spieler-Frauen.“ Zum Abschluss macht der Autor einen Vorschlag zur Güte: „Warum gehen die nicht ins Mit- und Miesmach-Medium Internet? Warum müssen wir die im Fernsehen ertragen?“

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