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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ascheplatz

Gierige Uniformität

Jan-Carl Ronnecker | Dienstag, 29. Juni 2010 7 Kommentare

Die Fifa reguliert zum Wohle ihrer Sponsoren alles bis ins letzte Detail und erstickt damit einen Großteil der Stimmung; gut geht es hingegen denen, denen Offizielle nahe stehen

Holger Gertz und Thomas Kistner (SZ) stören sich an der Eintönigkeit, die im Regulierungswahn der Fifa zwecks optimaler Sponsorenbeglückung ihren Ursprung hätten. Das fange beim Fernsehbild an und setze sich in den Spielorten durch Restriktionen für die lokalen Unternehmer fort: „Es gibt eine Weltregie bei dieser WM, die ein und dasselbe Bild in alle Kanäle auf dem Globus einspeist. England gegen USA, Deutschland gegen Australien, Kamerun gegen Holland, Italien gegen die Slowakei. Die Spiele ähneln sich, ein grünes Feld mit bunten Figürchen drauf. Die Kamera ist weit vom Geschehen entfernt, denn wenn die Kamera weiter weg ist, kann sie besser die Werbebanden der Sponsoren am Rasenrand ins Bild nehmen, und darauf kommt es an. (…) Die Weltmeisterschaft ist schon wieder zur Hälfte rum, ein Ereignis, auf das die Welt sich freut, aber die Fifa ist dabei, es den Leuten zu verhageln. Das Fernsehbild, das sie den Zuschauern liefert, die polierte Oberfläche ist ein Symptom für die Regelungswut der Fifa. Und für ihre Gier, sagen die Menschen in Afrika. Rhodos Ioannides zum Beispiel sagt es, der in Bloemfontein einen Coffee-Shop hat, in der Mimosa Shopping Mall, eine Viertelstunde entfernt vom Free State Stadium, wo die Südafrikaner gegen Frankreich gewonnen haben, und Deutschland gegen England im Achtelfinale spielt. Der Coffee-Shop-Mann wirbt mit der WM, ohne mit ihr zu werben. ‚Fifo 2010′ steht auf einem Plakat neben der Auslage. Ein Werbespruch für seinen Laden, sagt er: Fifo ist die Abkürzung für ‚First in – first out‘. Und 2010 ist der Preis, für 20,10 Rand bekommt man eine Mahlzeit, Kaffee inklusive. Die Provokation ist ein Protest gegen die Fifa, die zur Besatzungsmacht in dem Land wird, in dem die Weltmeisterschaft stattfindet.“

Familienbande

Auch der jüngere Bruder Danny Jordaans [Chef des Organisationskomitees] profitiere recht ordentlich von der WM, schreiben Jackie Mapiloko, Gcina Ntsaluba und Adriaan Basson in der südafrikanischen Mail&Guardian: „Eine Firma, die Jordaans jüngerem Bruder Andrew gehört, wurde von Match Event Service, dem Exklusivanbieter von WM-Hospitality-Angeboten, beauftragt, für 200.000 Rand [ca. 22.000€] pro Monat einen Verbindungsmann für Port Elizabeth zu stellen.“ Da Jordaan der einzige Gesellschafter der Firma sei, die den Auftrag im April letzten Jahres übernommen habe, „wird er bis zum Auslaufen des Vertrags im August mehr als 3 Mio. Rand erhalten haben.“

Kommentare

7 Kommentare zu “Gierige Uniformität”

  1. reteef
    Dienstag, 29. Juni 2010 um 13:58

    „Die Spiele ähneln sich, ein grünes Feld mit bunten Figürchen drauf.“ Wie auch sonst? Ich möchte gerne Fussball sehen und nicht das Publikum oder das tolle Stadion. Naja, vielleicht vor dem Spiel oder in der Halbzeitpause, aber ansonsten finde ich eine Kamera, die das Spielfeld aus einer vernünftig bemessenen Entfernung zeigt, eigentlich ideal. Was ich nicht mag ist, dass man manchmal so nah am Geschehen ist, dass man den Überblick über das Geschehen abseits des Balles verliert. Und das kommt noch viel zu häufig vor.

  2. erbgor
    Dienstag, 29. Juni 2010 um 16:21

    Sehe ich absolut genauso, ich bin sehr dankbar dafür dass bei der WM deutlich seltener als in der Bundesliga das laufende Spiel ausgeblendet wird um „Emotionen einzufangen“ und dass wir einen vernünftig großen Ausschnitt des Spiels sehen.

  3. stefan kleiner
    Dienstag, 29. Juni 2010 um 18:10

    Um Himmelswillen seit Jahren warte ich auf einen Kommentar ,das man ein Fußballspiel bei der immer mehr zu kleineren Ausschnitten tendiereren Regie ,nicht mehr beurteilen kann.Übertragen auf ein Schachspiel sieht man doch nur noch die ziehende Figur und nicht ihr Wirkungsfeld.Die CL auf Sat 1 war nicht zu ertragen.Habe mich immer gewundert warum man zwar immer Kritik an den Reportern geübt hat aber nie an der Regie .Ständige Bildwechsel,Trainer ,Publikum während das Spiel in seiner taktischen Ausprägung nicht zu verfolgen ist.Bei dieser WM ist es besser ,immer noch nicht gut.Den Ton kann ich abschalten.Warum gibt es eigentlich keine Möglichkeit sich selber eine Einstellung aus zu suchen .Ist das technisch nicht möglich ?

  4. kaputnik
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 09:29

    Schließe mich den Vorkommentatoren zu 100% an. Bei der WM könnte es noch viel schlimmer sein und bei allen anderen Fußballübertragungen, bei denen deutsche Sender die Regie haben, ist es noch viel schlechter.

    Es gab vor ein paar Jahren einen Stromausfall bei einem Pokalspiel, ich glaube in Bremen: das ganze Spiel konnte nur mit halben Flutlicht in genau einer Totalen übertragen werden: so sollte es viel häufiger sein. Radikal aber ist was dran.

    Und was hat eigentlich der Blomfontein-Fifo-Verkäufer mit dem Fernsehbild zu tun?

    Neuer Hass-Reporter Steffen (Stephan?) Simon – ARD).

  5. Sebastian
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 10:27

    Steffen Simon? Den kann ich nicht mehr hören seit er mal sagte:
    „Dieser Totti sollte sich mal seiner Mädchenfrisur entledigen und anfangen zu spielen wie ein echter Kerl!“
    Das war die WM 2002 glaub ich. Arroganter Schnösel, der Typ. Kommt mir vom Sprech her vor, wie ein ewig 14 J. gebliebener Nerd, der auf cool macht.

    Zum Bild: eure wünsche in Ehren, aber für uns Fußballpuristen übertragen die das sowieso nicht! Wir gucken eh immer, egal ob die in der Totale zeigen oder nur noch Fan-Emotionen (= Tittenmietzen und ulkige Kerle).
    Habe mal gehört, dass die in England viel mehr Nahaufnahmen bringen, weil der Engländer an sich das gern hat und dass in der Totale gucken ein ziemlich deutsches Ding sei.
    Mir wäre Totale ohne Bandenwerbung und nur Stadionsound am liebsten, aber…
    Schlimm auch: Suuuuuuuperzeitlupen. Würg.

  6. koslowski
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 11:44

    ich kann mich den Vorrednern auch nur anschließen. Es gibt nichts schlimmeres als ständige Nahaufnahmen bei denen ich z.B. nicht erkennen kann ob bei einem Angriff überhaupt Mitspieler mitgelaufen sind. Da kann ich die SZ überhaupt nicht verstehen. UNd die supersupersuper Zeitlupen braucht man auch nicht in jeder Situation.

  7. Martin Schröder
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 15:26

    Volle Zustimmung auch von mir für die Vorredner. Ich bin mit der Bildregie bei der diesjährigen WM hochzufrieden. Ganz im Gegensatz zu den beiden vorherigen Weltmeisterschaften gibt es dieses Mal nur selten Wiederholungen, während das Spiel weiter läuft, und nur sehr selten wird bei einem Flankenlauf von der Totalen hin zu einer Großaufnahme des ballführenden Spielers gewechselt (dann bekomme ich regelmäßig die Krise, denn ich möchte natürlich wissen, ob ein anderen Spieler anspielbar ist, ob ein Verteidiger in der Nähe ist usw.). Die Werbebanden sind auch im Bild zu sehen? Mag sein. Interessiert mich nicht. Jedenfalls kann dar Wunsch, die Werbebanden nicht sehen zu wollen, doch kein ernsthaftes Argument dafür sein, nur einen möglichst kleinen Ausschnitt des Spielfelds sehen zu wollen. Jedenfalls nicht für jemanden, der den Fußball liebt.

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