indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2010

Spanische Künstler ohne Ideen

Jens Peters | Mittwoch, 30. Juni 2010 5 Kommentare

Paraguay gegen Japan, oder Langeweile triftt auf Tristesse; Spanien braucht im Spiel um die fussballerische Vormachtstellung auf der iberischen Halbinsel die Hilfe des Linienrichters

Christian Haschke (Sueddeutsche.de) sieht sich bei der Betrachtung des Achtelfinals Paraguay gegen Japan als Besucher einer Kunstaustellung: „Das Aufeinandertreffen von Japan und Paraguay wirkte in der ersten Halbzeit wie Performance-Kunst: 22 Spieler und drei Schiedsrichter wirken in der Installation „Variationen des Nichts“. Wobei das dem Schiedsrichter und seinen Assistenten gegenüber etwas unfair ist, denn das Gespann pfiff und winkte eifrig und mit gebotenem Ernst. Die Spieler führten die Partie jedoch, je nach Auslegung, eher taktisch oder eher gar nicht.“ Entschieden wurde das Spiel dann aber doch: „(…) beim Achtelfinale Japans gegen Paraguay, war es Oscar Cardozo, der den letzten Schuss sicher ins Netz setzte, 5:3 nach Elfmeterschießen hieß es damit, was bedeutet, dass Paraguay ins WM-Viertelfinale gegen Uruguay einzieht. Dem Elfmeterschießen vorangegangen war ein Spiel der bemühten Langeweile.“

Spielwitz? Nein, danke!

Auch Dominik Wehgartner (taz) hat nur Kritik für die Achtelfinal-Partie über: „Eher wirkte es, als spielten die beiden Teams in der Schwüle eines Berliner Büros zu WM-Zeiten als bei angenehmer Kühle im südafrikanischen Winter, so bleiern und schwerfällig liefen die Akteure über den Rasen, so fahrig war die Partie, so wenig Präzision war in den Zuspielen zu finden. Kaum einmal wurde Fahrt aufgenommen, kaum einmal kam Tempo in die Aktionen, fast konnte man den Eindruck haben, die Mannschaften spekulierten schon beim Anpfiff auf die Verlängerung.“

David Villa erlöst einfallslose Spanier

Die zweite Partie des Tages zwischen Spanien und Portugal war zunächst auch eine spielerische Nullnummer, wie Christian Eichler (Faz.net) berichtet: „Und die Spanier? Fast 400 Pässe, 62 Prozent Ballbesitz, null Ertrag – die Bilanz einer fruchtlosen ersten Hälfte. Der Europameister kreiselte ziellos herum. Vor allem Andres Iniesta ließ die sonst gewohnte Präzision im Timing seiner Zuspiele vermissen. Nimmt man die drei Einzelaktionen der siebten Minute aus, so gingen die Spanier in die Pause, ohne sich viele Torchance herausgespielt zu haben.“ Grund dafür, so Eichler, sei das Abwehrbollwerk der Portugiesen gewesen, „zumal das Sturmzentrum zwischen den eher als Außenstürmern platzierten Villa und Torres ein Vakuum war.“

Sven Goldmann (Zeit Online) ist mutig und spart die Abseitsposition des Siegtorschützen im „clasico iberico“ aus: „Als es so aussah, als würden sie den Teufelskerl im portugiesischen Tor gar nicht mehr überwinden, war dann endlich doch David Villa zur Stelle. Eingefädelt hatten es seine künftigen Barceloneser Klubkollegen Xavi und Iniesta, aber Villa brauchte schon den Nachschuss für das alles entscheidende Tor. Es war der erste Gegentreffer für die Portugiesen im Turnier und seit insgesamt 764 Länderspielminuten.“

freistoss des tages

Kommentare

5 Kommentare zu “Spanische Künstler ohne Ideen”

  1. eric
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 11:58

    Spanien macht seine Sache mehr als gut. Es ist schon auffällig, dass viele Gegner vor der Begegnung mit Spanien hochgelobt werden und danach waren sie dann doch nur Mittelmaß.

    Die Schweiz war die gesamte WM 2006 ohne ein einziges Gegentor und kam bis ins Achtelfinale. Portugal hatte auch keinen einzigen Gegentreffer bei dieser WM kassiert, bis sie auf Spanien trafen. Kein einziges südamerikanisches Team hatte verloren oder geriet in Rückstand, bis eben Chile gg. Spanien ran musste.

    Klar spielte Deutschland gg. die teilweise vereinslosen Australier gut auf. Auch gg. das schon im Vorfeld nicht zum Favoritenkreis gehörende England kam man dank des größten Betrugs der WM-Geschichte weiter.

    Aber ich denke mal, so wie sich mit Spanien die Qualität durchsetzt, wird auch Argentinien gg. die Fohlenelf im DFB-Dress zeigen, was Messi, Higuaín, Di María, Tévez, etc. drauf haben.

    Dann heisst es für Özil, Müller und dem Rest der No-Name-Truppe wieder: „Da kuckst du nur!“ Markenware findet man eben nur in Südamerika oder Spanien.

  2. Rudi L.
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 12:22

    @ Eric,
    stimme Dir in Bezug auf Spanien zu. Gegen Argentinien allerdings bin ein wenig optimistischer. Die Hoffnung stirbt zuletzt…

  3. eric
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 12:40

    @Rudi L.: ich geb zu, dass ich den Kommentar etwas überzogen habe, denn irgendwie bin ich von dieser Schwarz-Weiß-Malerei der deutschen Presse genervt.

    Alle schummeln, nur Deutschland nicht. Die haben es gerechterweise verdient, dass den Engländern das Tor aberkannt wurde. Ich verstehe diese zweierlei-Maß-Messlogik nicht.

    Spanien hat in den 4 bisherigen Spielen 6 glasklare Elfer nicht bekommen und auch das Gegentor der Schweiz ging aus einer Abseitsposition hervor. Doch da regt sich keiner auf. Die Spieler halten den Mund und spielen unbeirrt weiter.

    Wenn ich jetzt die deutsche Presse bzw. Kommentare höre, die meinen, dass Villa nicht hätte spielen dürfen und das Tor auch nur Abseits war geht mir der Gaul hoch.

    Villa machte damals keine Tätlichkeit, sondern der honduranische Gegenspieler stand ihm auf dem Fuß, wie zuvor schon der Torwart. Man muss halt mal den ganzen Videoausschnitt zeigen und nicht nur die Backpfeife. Da hätte ich mal Kahn erleben wollen. Wie gesagt: das war kein Zurückschlagen sondern ein vom-Fuß-weggedränge. Soviel Anrecht muss sein. Und das sah auch die Fifa so, nach Videoeinsicht.

    DEU-ARG: Eine deutsche Mannschaft hat immer Chancen, weil Deutschland eine Turniermannschaft ist, d.h. nicht gut spielen muss, um zu gewinnen und spielerische Aspekte gg. physische und mentale eintauscht.

    Aber ich finde -wie auch die Wettquoten deutlich zeigen-, dass Argentinen mit Spanien und Brasilien von Beginn an bis heute zu den Topfavoriten zählt und da nichts anbrennen lässt.

    Argentinien ist abgekochter. Die haben so viele Top-Kräfte, die in Spanien oder England spielen, dass sie nicht mal 50% davon einsetzen können. Doch wenn es sein muss, verwalten Sie das Spiel á la Italiana. Und die mannschaftliche Geschlossenheit ist in Argentinien keinesfalls schlechter. Mangels Info wird eben alles nur aus deutscher Sicht für besser gehalten. Die internationale Presse ist da nicht soo einseitig, auch wenn sie den Deutschen das Lob erteilen, eben mal nicht wie eine typisch deutsche Mannschaft zu spielen, sondern sogar mal 4 Pässe an den Mann zu bringen. Was soll man da über Spanien sagen, die den Gegner nicht mal an den Ball lassen?

    Das Argentinien bei der letzten WM gg. Deutschland ausschied war selbstverschuldet. Der Ex-Trainer (El Fluppe), kannte Messi nicht einmal. Der sorgte jedoch damals schon mit Barça für Furore.

    Maradona ist anders. Der sah sich weit über 100 Spieler an. Kennt die Stars aus Spanien und England aus der Westentasche, denn er verbrachte mehr Zeit in Europa als in Argentinien. Der kennt seine Stürmer wie Higuaín, Tévez, Kun Agüero, etc. besser als jeder andere und macht nicht den Fehler Argentiniens von 2006.

  4. Klaus-Müller Peters
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 13:09

    Wie der Linienrichter diese Abseitsposition im Spanienspiel ohne Hilfsmittel erkennen soll, sollen mir Blatter und Konsorten mal bitte erklären. Zwischen dem Spanier, der den Ball zudem nur ganz leicht berührt, und dem Linienrichter stehen etwa drei oder vier Portugiesen, die ihm die Sicht versperren. Das KONNTE der gute Mann überhaupt nicht erkennen, allenfalls auf Verdacht zu winken wäre eine Möglichkeit gewesen. Im Zweifel für den Angreifer, lautet die Devise. Insofern war das auch keine Fehlentscheidung.

  5. lateral
    Mittwoch, 30. Juni 2010 um 14:04

    Dass Portugal bis zum Gegentor einige gute bis sehr gute Chancen hatte, hat bisher keiner erwähnt… Die einzige Enttäuschung war Ronaldo.

    Erst nach dem 1:0 zeigten die Spanier ihre wahre Klasse und fuhren den Sieg gewohnt ballsicher ein.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

116 queries. 0,485 seconds.