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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2010

Die neuen Europäer

Jan-Kristian Jessen | Donnerstag, 1. Juli 2010 2 Kommentare

Die Presse diskutiert über die Qualität der südamerikanischen Teams und spekuliert über das Abschneiden Ghanas bei der WM 1966

Vor den Viertelfinalspielen zieht die Presse eine sportliche Bilanz. Christian Zaschke (SZ) erklärt die Dominanz von Brasilien, Paraguay und Co: „Alle vier südamerikanischen Viertelfinalisten spielen ähnlichen Fußball. Ihr oberstes Prinzip ist die Defensive, vor den kompakten Abwehrreihen stehen, so wirkt es, mehr defensive Mittelfeldspieler, als es Länder in Südamerika gibt. Greifen die Teams an, bleibt die Hälfte der Mannschaft hinten stehen, um eventuelle Konter abzufangen.“ Wer die Defensivarbeit so sehr betont, könne aber nur Erfolg haben, wenn er mit überragenden Angreifern agiert: „Gibt es eine bessere Offensivreihe als den wuchtigen Luis Fabiano, den tänzerischen Robinho und den listigen Kaka? Allenfalls den wuchtigen Carlos Tévez, den tänzerischen Lionel Messi und den listigen Gonzalo Higuain. Für Uruguay stürmen die unberechenbaren Diego Forlàn und Luis Suarez, selbst Paraguay kann immerhin Roque Santa Cruz und Lucas Barrios aufbieten.“ Allerdings sei es das nicht alleine: „Der Erfolg Südamerikas ist sicherlich auch in der Schwäche der Europäer begründet, die vor vier Jahren noch sieben Viertelfinalisten (und sämtliche Halbfinalisten) stellten.“

Nicht mehr als eine Momentaufnahme

Jörg Hanau (FR) sieht das etwas anders: „Uruguay und Paraguay hingegen waren schlicht vom Losglück begünstigt, in der Gruppenphase auf französische Verweigerer und italienische Altherrenfußballer getroffen zu sein, die schon bei der EM vor zwei Jahren in Österreich und der Schweiz eindrucksvoll belegten, sich mittelfristig aus dem illustren Kreis der großen Fußballnationen verabschiedet zu haben. Den Profiteuren Uruguay und Paraguay bescherte dies ebenso unvermittelt wie unverhofft den Gruppensieg und schlagbare Gegner (Südkorea und Japan) im Achtelfinale obendrein.“ Der Erfolg sei nicht mehr als eine Momentaufnahme: „Wer (wie etwa der ach so clevere Fifa-Boss Sepp Blatter) mutmaßt, die armen Südamerikaner würden mit heißerem Herzen als ihre europäischen Kollegen kicken, um so dem Elend ihrer Heimatländer entfliehen zu können, muss sich als ein ewig Gestriger enttarnt fühlen. Denn nicht nur die meisten Brasilianer oder Argentinier werden längst in Euro bezahlt. Diego Forlán und Luis Suárez, das erfolgreiche Stürmerduo aus Uruguay, schießen ihre Tore für Atletico Madrid und Ajax Amsterdam. Die treffsicheren Elfer-Raus-Schützen Lucas Barrios und Nelson Valdez aus Paraguay sind feste Größen im Team von Borussia Dortmund.“

Ghana ist bereit

Jonathan Wilson vom Guardian nimmt sich dem einzig verbliebenen afrikanischen Team an: „Der ghanaische Kommentator Ernest sagt: ‚Was hier gerade passiert, hätte bereits in den fünfziger und sechziger Jahren geschehen müssen als die Black Stars eine wahre Größe waren. Aber die Fifa wollte uns damals nicht.’ Das ist zwar eine leicht parteiische Sicht auf die Geschichte, aber auch nur leicht. Es ist schwer zu sagen, wie Ghana 1966 abgeschnitten hätte. Ihnen wurde die Chance genommen, weil der afrikanische Fußballverband (CAF) die WM boykottierte – aus Protest gegen die Entscheidung der Fifa, Afrika nur einen einzigen Platz zuzuweisen.“

Kommentare

2 Kommentare zu “Die neuen Europäer”

  1. juwie
    Donnerstag, 1. Juli 2010 um 19:02

    Kleine Korrektur: 1966 war lediglich ein gemeinsamer Platz für Afrika, Asien und Ozeanien vorgesehen (http://www.rsssf.com/tables/66qual.html#gr14)

  2. Peter
    Freitag, 2. Juli 2010 um 14:53

    Uruguay und Paraguachos als Profiteure der Unfähigkeit des französischen Verbandes, einen respektierten Trainer einzustellen und die Unfähigkeit der Italiener, ihre strukturellen Schwierigkeiten zu regeln?

    Mittelfristig?

    wenn 5-8 Jahre mittelfistig sind…

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