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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2010

Der gescheiterte Picasso, Japans Kampf um einen Platz an der Sonne

Kai Butterweck | Freitag, 2. Juli 2010 1 Kommentar

Die Presse beschäftigt sich eingehend mit dem Abgang von Superstar Cristiano Ronaldo und mangelnder Fitness beim Team aus Japan

Ronaldos Stil passe laut Ronny Blaschke (Berliner Zeitung) nicht in einen Kollektivgedanken: „Der WM ist die wichtigste menschliche Marketingfläche abhanden gekommen. Ronaldo, 25, der von Plakatwänden grinst und durch Werbespots rast, scheiterte mit Portugal an Spanien schon im Achtelfinale. Joseph Blatter, der Präsident des Weltverbandes Fifa, hatte ihn einst als Picasso des Fußballs bezeichnet. In Südafrika lieferte dieser Picasso nicht mehr als ein weißes Blatt mit wenigen Tupfern, undefinierbar, ohne Farben. Ein Tor ist ihm gelungen, beim 7:0 in der Vorrunde gegen Nordkorea, nachdem der Ball auf seinem Nacken tänzelte. Ansonsten Übersteiger, Finten, Hackentricks, viel Zauber ohne Belohnung. In jedem Fall hat Ronaldo auch während der WM zu seiner Überhöhung beigetragen. Sogar im Training jonglierte er den Ball minutenlang, während seine Teamkollegen noch in der Kabine waren. Die Fotografen hatten jene Bilder, die das einseitige Bild Ronaldos fortzeichnen konnten. Der teuerste Kicker der Welt, ein Soloartist, verliebt in sich selbst.“

Ronaldos Debakel

Für Florian Haupt (Financial Times Deutschland) sei es gar der Abgang eines Schnösels gewesen: „Stumm stapfte Portugals Kapitän durch das Untergeschoss des Green-Point-Stadions, ein Abgang, der in etwa so viel Klasse hatte wie seine Darbietungen auf dem Feld. Was sein Turnier werden sollte, was mit einem imposanten Pfostenschuss nach elf Minuten des ersten Spiels gegen die Elfenbeinküste auch verheißungsvoll begann, wurde zu seinem Debakel.“ Da hilft nur der Blick nach vorne: „Ronaldo ist erst 25, da bleiben noch ein paar Turniere, um das Bild wieder geradezurücken.“

Für seine Spuckattacke nach dem Scheitern gegen Spanien hat auch Daniel Barthold (stern.de) kein Verständnis: „Es war ein unschöner WM-Abgang von Cristiano Ronaldo. Als das Spiel gegen Spanien im Green-Point-Stadion in Kapstadt zu Ende war, schwenkte eine Kamera auf den Star von Real Madrid. Der auf Madeira geborene Portugiese schaute daraufhin arrogant in das Objektiv und spuckte dem Kameramann vor die Füße. Nicht nur die Fußballwelt schüttelt den Kopf. Lediglich ein Pfostentreffer gegen die Ivorer und ein Tor beim 7:0 gegen erschreckend schwache Nordkoreaner hat Ronaldo bei dieser WM auf dem Konto. Viel zu wenig. Und nun als Abschluss die Spuckattacke von Kapstadt. Ein trauriger Abschied. Gut möglich, dass sich die internationale Presse auf den Portugiesen einschießt. Die heimische tat es bereits. Das `Jornal de Notícias` meint stellvertretend für viele: `Portugal fehlte der echte Cristiano Ronaldo. Unser CR7 schlich nur wie ein Geist über den Platz.`“

Angeblich der beste Fußballer

Birger Hamann (Spiegel Online) ist ebenfalls der Auffassung, Portugals Kapitän sei bei dieser WM kläglich gescheitert: „Mit gesenktem Kopf schlich Cristiano Ronaldo vom Platz. Schlecht gespielt, keinen einzigen Torschuss aus dem Spiel heraus abgegeben, ohne Inspiration agiert. Wohlgemerkt: Das Fazit nach dem  Achtelfinale gegen Spanien galt nicht für das portugiesische Team, sondern allein für Portugals Superstar, dem Exzentriker von Real Madrid, der bei dieser Weltmeisterschaft in Südafrika komplett den Nachweis schuldig blieb, angeblich gemeinsam mit Argentiniens Lionel Messi der beste Fußballer der Welt zu sein.“

Wir sind ein Team

Das Beeindruckende beim Auftreten der Japaner bei dieser WM war für Tetsuo Gunchi von der japanischen Zeitung Asahi, dass „sie zu keinem Zeitpunkt unkonzentriert waren. Sowohl bei der ersten WM-Teilnahme in Frankreich 1998 als auch bei den folgenden Turnieren in Südkorea & Japan 2002 sowie Deutschland 2006 führte mangelnde körperliche Fitness zu Unkonzentriertheiten, die wesentlich für das Ausscheiden verantwortlich waren.“ Die überzeugenden Auftritte Japans bei dieser WM seien insbesondere auf den großen Zusammenhalt innerhalb des Teams zurückzuführen: „Im Mittelpunkt steht die Mannschaft, das ist die Philosophie des Trainers. Jeder Einzelne muss stets mit dem Bewusstsein agieren, dass Japan seine Mannschaft ist. Der Trainer hatte Zettel mit Botschaften wie ‚Wir sind ein Team’ überall im japanischen Mannschaftshotel angebracht, damit die Spieler dies verinnerlichten.“ Was die Zukunft betrifft, ist Gunchi optimistisch: „Wenn alle Kräfte mobilisiert werden, kann Japan seinen Platz in der Fußballwelt finden. Es hat gerade angefangen, dafür zu kämpfen.”

Aus dem Japanischen übersetzt von Christian Schwöbel und Angela Falero.

Kommentare

1 Kommentar zu “Der gescheiterte Picasso, Japans Kampf um einen Platz an der Sonne”

  1. Peter
    Freitag, 2. Juli 2010 um 14:24

    Scheint also das professionelle und flächendeckende Doping auch bei der japanischen Nationalmannschaft angekommen zu sein…

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