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Schwarz-rot-goldener Ramsch, eine Frage des Geldes und die WM der Schulden

Christoph Asche | Freitag, 16. Juli 2010 Kommentare deaktiviert für Schwarz-rot-goldener Ramsch, eine Frage des Geldes und die WM der Schulden

Das Turnier ist zu Ende, die Probleme bleiben? Die internationale Presse berichtet über das Schicksal übrig gebliebenener Fanartikeln, die soziale Kluft im Gastgeberland und das böse Erwachen vieler Südafrikaner nach der WM

Kaum ist die Weltmeisterschaft vorbei, wandern die Trikots und T-Shirts wieder zurück in den Schrank – bis zum nächsten großen Turnier. Was hingegen mit den vielen nicht verkauften Fanartikeln passiert, weiß Christina Horsten von der Financial Times Deutschland: „Corporate Trading“ nenne sich ein Konzept, das zwei Düsseldorfer Geschäftsleute verfolgen. Sie kaufen Saisonartikel auf, die in den Geschäften nichts mehr einbringen und an Aktualität verloren haben, um sie anschließend weiterzuverkaufen. „Die Händler bekommen den vollen Wert für ihre überschüssige Ware, aber nicht in bar, sondern in Form von Gutschriften. Damit können sie – über die Vermittlung der beiden Geschäftsmänner – beispielsweise Werbekampagnen in Zeitungen oder bei Fernsehsendern schalten, Werbematerial drucken lassen oder Reisen und Hotels für ihre Mitarbeiter buchen. Alles Dinge, die die Händler sowieso machen.“ Die Idee komme aus den USA, die beiden Düsseldorfer arbeiteten für die deutsche Niederlassung der amerikanischen Firma Active, die nach eigenen Angaben einen jährlichen Umsatz von 1,5 Mrd. Dollar mache. „Überschüssige Vuvuzelas und die Fußball-Hundekuchen – zu anderen Zeiten sind es beispielsweise Schoko-Osterhasen oder Mode aus der vergangenen Saison – werden weiterverkauft. ‚Diese Produkte haben ja durchaus noch einen Wert – nur sind die Preise dafür dann nicht mehr erzielbar’, sagt Kirschbaum. ‚Aber es gibt einen Markt dafür und dahin verkaufen wir sie.’ Beispielsweise könnte das Osteuropa sein: ‚Da ist die Kaufkraft eine ganz andere und der Kunde ist vielleicht auch weniger kritisch.’“ So sei es durchaus denkbar, dass in Rumänien künftig schwarz-rot-goldene Kaubonbons verspeist oder bulgarische Hunde mit Leckerlis in Deutschland-Farben belohnt werden.

Werden die Reichen mehr geben?

„War alles nur ein großes Schauspiel?“, fragt Richard Calland in der südafrikanischen Mail&Guardian und meint damit das Bild, das Südafrika während der vergangenen WM-Wochen abgegeben hat. Für ihn haben die technischen Modernisierungen, die das Turnier mit sich gebracht hat, keinerlei Mehrwert: „Weder die glänzenden neuen Flughäfen und die schimmernden Stadien noch die neuen Busse und die Infrastruktur können die sozio-ökonomische Ungleichheit und die Kluft zwischen weißen und schwarzen Südafrikanern überwinden, die ihre Wurzeln in jahrhundertelanger Unterdrückung haben.“ Die wirkliche Frage sei, ob die Weltmeisterschaft es geschafft habe, die festgefahrenen Strukturen im Land aufzulockern und die Art, wie sich die Einwohner gegenüber verhalten, neu zu kalibrieren. „Einfach ausgedrückt: Werden sich die Reichen nun anders gegenüber den Armen verhalten? Werden sie mehr geben? Werden sie dazu bereit sein, mehr Steuern zu zahlen, weniger Profit zu akzeptieren, mehr Risiko mit den schlecht Gebildeten einzugehen, mehr Verantwortung zu übernehmen?“ Eine Sache habe die Weltmeisterschaft auf jeden Fall erreicht: „Sie hat Südafrika daran erinnert, was alles möglich sein kann in unserem Land – eine kompetente Sanierung der Infrastruktur, ein souveräner Auftritt der öffentlichen Verwaltung, funktionierende öffentliche Verkehrsmittel und ein neues Erscheinungsbild bei den Bürgern.“

Auf den Kater folgt die Depression

Nach dem emotionalen WM-Kater könnte in Südafrika bald auch ein Konjunkturtief hinzukommen, berichtet Bronwynne Jooste von der südafrikanischen Independent Online. „Millionen Südafrikaner, die die WM wie eine verlängerte Weihnachtszeit gefeiert haben, laufen jetzt Gefahr, in Zahlungsrückstand zu geraten. Sie werden daher in nächster Zeit mehr Darlehen aufnehmen, warnen Finanzexperten und Schuldenberater.“ Die Zahl derer, die sowieso schon im Rückstand bei ihren Zahlungen sind, würde in nächster Zeit nochmals ansteigen. „Manche Experten befürchten sogar, dass die Konsumenten, die während der WM über ihre Maßen gelebt haben, kaum in der Lage sein werden, ihre Strom- und Wasserrechnungen zu begleichen.“ Die Weltmeisterschaft habe den Menschen das Gefühl von Urlaub gegeben, daher haben die Konsumenten deutlich mehr ausgegeben als sonst, wird eine Finanzexpertin zitiert. „Laut Debt Busters, einer Schuldenberatung, ist die Zahl der Kunden seit dem Ende des Turniers bereits leicht angestiegen. Direktor Luke Hirst sagt, die vergangenen Wochen seien für die Menschen wie die Weihnachtszeit gewesen. Er sei sich sicher, dass die Zahl der Kreditsuchenden in nächster Zeit merklich steigen wird.“

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