indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Wunder gibt es immer wieder

Matthias Nedoklan | Donnerstag, 26. August 2010 1 Kommentar

Auch zwei Tage nach dem Drama in Genua ist die Presse vom Bremer Comeback in letzten Sekunde begeistert. Den Bremern, so der Tenor, ist alles zuzutrauen

Jörg Marwedel (SZ) bestaunt einen weiteren legendären Europapokal-Abend der Bremer. Ein normaler Sieg scheint den Werderanern unmöglich: „Wie soll das gehen bei einem Team, das zwar viele Fehler macht, aber zuweilen über einen Willen verfügt, der so selten ist wie ein vierblättriges Kleeblatt? Dass schließlich Claudio Pizarro das entscheidende 2:3 (100.) erzielte, hatte nicht nur damit zu tun, dass er weiter ein Stürmer ist, der für die kleinen Wunder des Fußballs sorgen kann. Es hatte auch mit der Gabe dieser Mannschaft zu tun, sich binnen 90 Minuten vom stotternden Motor in ein Raketentriebwerk zu verwandeln.“ So bildet die Aktienkurve, die der Sponsor den Bremern vor der Saison auf das Trikot druckte, durchaus auch den bisherigen Saisonverlauf ab: „Nach dem souveränen 3:1 im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation gegen Sampdoria Genua folgte zum Bundesliga-Auftakt ein desaströses 1:4 in Hoffenheim. Dann folgte eine katastrophale erste Halbzeit beim Rückspiel im ausverkauften Stadio Comunale Luigi Ferraris zu Genua mit einem 0:2-Rückstand, der den Klub aus der Königsklasse ausgesperrt hätte. Und am Ende waren die Bremer wieder auf dem Gipfel. Mit einer 2:3-Niederlage, die sich anfühlte, als habe man soeben den DAX gesprengt.“

Frank Heike (FAZ.net) atmet nach der aufregenden Partie in Genua durch: „Man kann den Unverbesserlichen von der Weser ja vorwerfen, dass sie unbelehrbar seien, dass die Abwehrschwäche sie womöglich irgendwann in den Abgrund reißen könnte, doch welcher Klub der Bundesliga kommt im Jahresschnitt auf mehr mitreißende Fußballabende als Werder Bremen? Schaaf scheint über die Vorwürfe, Werder lerne nicht dazu, nur noch müde lächeln zu können. Ihm gefällt das Spektakel. Am Ende einer nervenaufreibenden Partie, die Werder vor allem in der Abwehr unfassbar schlecht begonnen und beeindruckend konditions- und willensstark beendet hatte, stand eine verlorene Partie, die sich wie ein Sieg anfühlte: Werder Bremen darf zum sechsten Mal in den vergangenen sieben Jahren in der kontinentalen Königsklasse mitspielen und kann sich über garantierte 15 Millionen Euro freuen.“ Ein Abnehmer für das Geld scheint bereits gefunden: Neben Wesley wird sich auch Verteidiger Mikael Silvestre an der Weser einfinden.

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) erklärt die Faszination Werder Bremen: „So reiht sich die Nacht von Genua in die große Bremer Europapokal-Geschichte, die voll ist von Erfolgen, die niemand erklären kann. Sie erzählt von magischen Nächten, von längst verlorenen Schlachten, die auf wundersame Weise noch gedreht wurden. Es ist nicht nur Bremens Hang zum bedingungslosen Offensivfußball, es sind auch solche Spiele unter Flutlicht, die Werders Faszination begründet und den Klub zu einem der beliebtesten in Deutschland gemacht haben. Und eben deswegen wird das, was in Bayern Dusel heißt, bei Werder Wunder genannt.“

Kai Niels Bogena (Welt) sucht schon nach Verstärkungen für Werder Bremen: „Der Bundesligaverein präsentierte sich wie schon beim 1:4 auswärts gegen die TSG 1899 Hoffenheim drei Tage zuvor über weite Strecken Ideen- sowie mutlos und ließ die Treffer der Italiener fast ohne Gegenwehr zu. Erst als das Spiel durch Sampdoria Genuas Stürmer Antonio Cassano zum 3:0 fünf Minuten vor dem Abpfiff entschieden schien, rafften sich die Bremer zu einem nicht mehr für möglich gehaltenen Kraftakt auf und zwangen die konditionell unterlegenen Italiener in die Knie. Namen gehandelt werden einige. So könnte nun der Transfer des 23-jährigen französischen Mittelfeldmannes Hatem Ben Arfa vom französischen Meister Olympique Marseille realisiert werden, an dem Bremer offenbar starkes Interesse besitzen und für den sie etwa sieben Millionen Euro Ablöse bezahlen müssten. Zusätzlich stehen die Hanseaten kurz vor der Verpflichtung des französischen Innenverteidigers Mikael Silvestre. Silvestre saß daher am Dienstagabend in Genua bereits auf der Tribüne, um sich seinen kommenden Klub anzuschauen. Dort sah er in einer wackelnden Abwehr viel Arbeit auf sich zukommen.“

Red Bull setzt auf Leipzig

Michael Smejkal (SZ) fürchtet die Folgen des Scheiterns von Red Bull Salzburg in der Champions-League-Qualifikation – auch für die Bundesliga: „Just im Saisonendspurt im Mai plauderte Klubbesitzer Dietrich Mateschitz plötzlich locker über seine Fußball-Visionen. Darin hat Salzburg erstaunlich wenig Platz. Mittelfristig soll Leipzig die Fußball-Ambitionen des Konzerns führend vertreten. Noch ist der Ableger RB Leipzig in der viertklassigen Regionalliga angesiedelt, beim gewohnten Investitionsprogramm des Unternehmens lässt sich aber an wenigen Fingern abzählen, wann Leipzig zum Sprung in den Europacup ansetzt. Welche Prioritäten der Konzern setzt, nahm man zuletzt in Salzburg zur Kenntnis: Red Bull verpflichtete den Franzosen Thierry Henry und Mexikos Kapitän Rafael Marquez – beide sollen die Fußball-Sektion New York befeuern. So zieht langsam, aber sicher die große europäische Fußballwelt, von der Salzburg nach dem Einstieg von Red Bull träumte, an dem Klub vorbei.“

Peter Birrer (NZZ) blickt nüchtern auf das Ausscheiden der Young Boys Bern in der Champions League gegen Tottenham Hotspur: „Mit dem unerwarteten Sprung in die mit Millionen von Franken bespickte Champions League hätten die Berner mit einem Schlag ihr über Jahre kultiviertes Verliererimage abgestreift, das sie in der letzten Saison im glücklosen Titelkampf gegen den FC Basel zementierten. So schnell könnte das gehen. Nun werden sie vom Basler Erfolg gegen den FC Sheriff Tiraspol an das erinnert, was sie zuletzt verspielt haben: neben dem Titel auch den leichteren Zugang zum Laufsteg des europäischen Fußballs. Die Young Boys müssen sich mit der Europa League begnügen. Das ist keine Strafe, sondern ein Geschenk – und ein Fortschritt, weil YB europäisch im Gegensatz zum FCB in der Neuzeit null Referenzen hat. Es kann nicht schlecht sein, wenn man nicht vergisst, woher man kommt.“

freistoss des tages

Kommentare

1 Kommentar zu “Wunder gibt es immer wieder”

  1. Erwin
    Donnerstag, 26. August 2010 um 16:55

    Hätte Bremen nur eine halbwegs brauchbare Abwehr hätten sie gegen Genua nicht solche Probleme bekommen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, sonst sehe ich schwarz für die Champions League.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

112 queries. 0,576 seconds.