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Wie Sauerbier zu Sekt

Kai Butterweck | Donnerstag, 23. September 2010 Kommentare deaktiviert für Wie Sauerbier zu Sekt

Mit dem Ausfall  Ribérys zahlt der FC Bayern nach Ansicht der Presse einen hohen Preis für das Beenden der jüngsten sportlichen Talfahrt

Nach Ansicht von Oliver Trust (Tagesspiegel) komme die Verletzung Ribérys für die Bayern zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, denn „neben dem 27-Jährigen fehlt mit Arjen Robben bereits ein anderer Stützpfeiler des Bayern-Spiels. Robben kehrte verletzt von der WM aus Südafrika zurück. Der Niederländer wird wegen einer schweren Muskelverletzung im Oberschenkel erst kommendes Jahr wieder spielen können. Nun müssen die Münchner auch Ribérys Ausfall verkraften, was im Hinblick auf die Champions League schwierig werden dürfte. Acht Wochen bedeuten rund sieben Ligaspiele und drei auf internationaler Ebene. Erst nach zehn Tagen Gips können die Reha-Maßnahmen beginnen. Vor Mitte November wird Ribéry kaum spielen können.“

Moritz Kielbassa (SZ) hat Mitleid mit dem Franzosen: „Außer sich vor Wut und Schmerz trommelte er mit der Hand auf den Rasen, während am rechten Knöchel ein dickes Ei schwoll. Zwei Betreuer führten den Patienten vom Feld, Ribery weinte. Zum Bus ging er mit Krücken. Außenband- und Kapselriss im Sprunggelenk, zehn Tage Gips, dann Spezialschuh, Reha, vier Wochen Pause, mindestens. 2010 bleibt ein Seuchenjahrdes Spaßfußballers: vielerlei gesundheitliche Probleme, von entzündeten Zähnen bis Zehennägeln, hemmten ihn schon in der Vorsaison; dazu die Sperre im Champions-League-Finale, die wilde WM mit Frankreich, eine delikate Privataffäre – all das wollte Ribery gerade abhaken, wieder Tritt fassen. Nach einem aufwühlenden Abend passte Riberys Pech zur Stimmungslage der Bayern wie Sauerbier zu Sekt.“

Die Chance für Mario Gomez?

Nach dem Ausfall der beiden kreativen Stützpfeiler des Münchner Spiels macht sich Jan Reschke (Spiegel Online) Gedanken über Systemfragen: „Die Lösung: Van Gaal lässt mit zwei Stürmern spielen. Das wäre sinnvoll. Während Robben und Ribéry meist eher selbst den Abschluss suchen und weniger ein Auge für die Angreifer im Zentrum haben, fallen Müller, Kroos und Altintop auch als Zulieferer auf. Mit zwei permanenten Spitzen hätten sie die passenden Abnehmer. Und so könnte einer unverhofft zu mehr Spielzeit kommen, den viele schon abgeschrieben haben: Mario Gomez. In einem Zwei-Spitzen-System wäre er ideal aufgehoben. Auch in Stuttgart funktionierte er am besten mit einem Partner an seiner Seite, wenn er im Eins-gegen-Eins-Duell seinen wuchtigen Körper zum Einsatz brachte. Fakt ist: Der Ausfall von Ribéry wiegt schwer, denn es gibt neben Robben in der Bundesliga kaum einen Spieler mit einer derart hohen individuellen Klasse. Fakt ist aber auch, dass van Gaal vielfältig reagieren kann – und die machbaren Aufgaben in der Bundesliga und die noch einfacheren Spiele in der Champions League auch ohne Ribéry meistern kann.“

Anja Schramm (Welt Online) entdeckt beim Rekordmeister Parallelen zum Vorjahr: „Überhaupt erinnert vieles in der derzeitigen Gemengelage in München an das Vorjahr. Acht Punkte nach fünf Spielen stehen auf der recht bescheidenen Habenseite. Am Samstag kommt nun Tabellenführer Mainz nach München. Auch wenn Vorstandboss Karl-Heinz Rummenigge jüngst tönte, die Tabelle schaue er sich sowieso erst nach dem 12. Spieltag an. Und wie in der vergangenen Saison fallen nun die beiden Kreativsten des Münchner Spiels aus. Arjen Robben, Riberys Pendant auf dem rechten Flügel, wird nach seinem verschleppten Muskelriss wohl erst 2011 wieder spielen. Aber es sind jene Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr, die den Münchnern trotz der Faktenlage Gelassenheit geben. Die Erinnerungen an die Zeit, als sie sich auch ohne Robben und Ribery selbst in Europa in Szene setzten, als sie beim 4:1 im entscheidenden Champions-League-Vorrundenspiel in Turin Fußball zelebrierten und ihnen im Anschluss attestiert wurde, sie hätten ihre spielerische Abhängigkeit von den Beiden beendet. Mit Ribery und Robben sei das Team stärker, aber auch ohne sie könne es bestehen, so heißt seither das Arbeitsmotto in München.“

Oliver Völkl (Focus Online) sieht jetzt vor allem Probleme wenn es gegen vornehmlich verteidigende Teams gehen wird: „Louis van Gaal ist ein begabter General und Stratege – vergleichbar mit dem König der Molosser. Van Gaal besiegte am Dienstagabend ganz knapp die Hoffenheimer. Pyrrhus um 280 vor Christus die Römer. Der Holländer verlor dabei seinen wichtigsten Spieler und die Hoffnung, die Bayern-Viererkette könne den Laden hinten dichtmachen. Der Grieche verlor beinahe sein gesamtes Heer. Pyrrhus musste seine Feinde nach seinem Sieg um Gnade und Frieden bitten. Soweit ist es bei van Gaal sicher noch nicht. Doch ohne seine wichtigsten Männer dürften die Duelle gegen defensiv eingestellte Gegner nicht einfacher werden. Am Samstag kommt Tabellenführer Mainz 05.“

Christoph Ruf (taz) zeigt sich trotz der bisher mageren Punkteausbeute begeistert vom Auftreten der Münchner: „Es wird noch ein wenig Feinschliff nötig sein, ehe das Ensemble seine Klasse wieder in die Torgefährlichkeit umsetzen kann, deren Fehlen derzeit der einzige Punkt auf der Mängelliste ist. Die Aufzählung dessen, was Spaß an dieser Mannschaft macht, dauert ungleich länger. Sie ist bestens organisiert, und wenn das Wort nicht mittlerweile so oft verfloskelt würde wie das `ich sag mal`, müsste man den Bayern attestieren, dass sie `kompakt` spielen. Ein Vogel, der nichts Besseres zu tun hat, als an einem lauen Spätsommerabend über Sinsheim zu kreisen, hätte zehn Weißgekleidete gesehen, die in beängstigend geschlossener Formation vor und zurück wogen.“

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