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Am Grünen Tisch

Lothars neue Liebe

Matthias Nedoklan | Dienstag, 28. September 2010 Kommentare deaktiviert für Lothars neue Liebe

Der Machtkampf zwischen Joachim Löw und Matthias Sammer um die U21 hat möglicherweise schwere Folgen für die DFB-Nachwuchsarbeit. Außerdem: Lothar Matthäus‘ neustes Abenteuer

Michael Horeni (FAZ)  blickt auf den Konflikt in der U21 zwischen Joachim Löw und Matthias Sammer: „Wenn man sich nun über eine Stunde lang mit Matthias Sammer auseinandersetzt, was diese Schwächung und der Glaubwürdigkeitsverlust nach vier Jahren als Sportdirektor für ihn persönlich bedeuten, dann wird klar, dass Sammer daran zweifelt, ob er noch der richtige Mann an diesem Platz ist. Aber alles, was er in diese Richtung äußert – oder auch nur, was so verstanden werden könnte –, darf nicht veröffentlicht werden. Aus dem über eine Stunde dauernden Gespräch gibt Sammer kein einziges Zitat über sich, seine Zukunftsvorstellungen und seine Situation als Sportdirektor frei. Offene Worte sind derzeit in der U21-Frage nicht erwünscht, jedenfalls nicht vom Sportdirektor, nicht mehr. Ein seit Monaten angeschlagener Präsident, der sich im Oktober trotzdem für eine dritte Amtszeit wählen lassen will, mochte sich dem Wunsch und dem Willen eines erfolgreichen und bejubelten Bundestrainers öffentlich kaum entgegenstellen. Das hatte sich Sammer denken können. Und auch, dass in einer solchen Situation Sachfragen eine untergeordnete Rolle spielen, falls überhaupt. Und man liegt wohl auch nicht falsch, wenn man vermutet, dass der Sportdirektor auch deswegen nicht von seinem Amt zurückgetreten ist, weil er dem Opportunismus im DFB keinen einfachen Erfolg gönnt. Denn bei aller Impulsivität neigt Sammer nicht zur Kurzschlussreaktion, zur Affekthandlung. Bis Adrion kam, haben unter Sammer alle Trainer der Auswahlteams zusammengearbeitet, fünf, sechs Sitzungen hat es im Jahr gegeben, in denen sich der U15-Trainer auch mit der Arbeit der U20 befasste oder der Trainer der U21 mit den Nöten der U17. Mit allen Trainern hat Sammer ein enges Arbeitsverhältnis etabliert, vergleichbar dem zwischen einem Bundesliga-Sportdirektor und seinem Trainer. In den gemeinsamen Sitzungen wurde Klartext geredet, aber dass die U21 nun aus dem System fällt, ist für manche beim DFB ein Rückfall ins Jahr 2006, für andere sogar ins Jahr 2000.“

Steffen Schneider (Tagesspiegel) durchleuchtet das oftmals dubiose Geschäft der Spielervermittler: „Nur nach bestandener Prüfung erlaubt der Verband dem Berater, Spieler bei Vereinen anzubieten und beim Weiterverkauf Provisionen zu kassieren. Ausnahmen: Rechtsanwälte (wie Ballack-Berater Michael Becker) oder Familienangehörige (wie Diegos Vater Djair da Cunha), die keine Lizenz benötigen. Eine Erfahrung, die ein ehemaliger Bundesligaprofi vor zwei Jahren hatte machen müssen. Sein Berater war für ihn nicht mehr zu sprechen, längst war sich der Profi deshalb selber mit einem Klub einig geworden. Kurz vor der Unterschrift intervenierte sein bis dato verschollener, lizenzierter Spielervermittler und ergänzte den Vertrag um seine Forderungen. Der Transfer drohte zu platzen, doch die Spielergewerkschaft konnte das gerade noch verhindern, indem sie den Verein beruhigte und den wieder erschienenen Berater mit Hinweis auf einen bemerkenswerten Fehler ziemlich kleinlaut machte: Die Provision, die der Berater für sich reklamiert hatte, war höher als das Jahresgehalt des Spielers.“

Christian Eichler (FAS) begleitet Lothar Matthäus in sein nächstes Trainerabenteuer: „Selbstverständlich muss man jeden beglückwünschen, der mit bald fünfzig Jahren wieder auf dem Arbeitsmarkt unterkommt. Und doch ist es eine Niederlage: das Eingeständnis, es in Deutschland nicht schaffen zu können. Matthäus hatte alles getan, um nach Trainerjahren im internationalen Abseits, in Österreich, Ungarn, Serbien, Israel, endlich in der Heimat zu landen. Nun ist er in Bulgarien, das nicht mehr den Hauch der Klasse von 1994 hat – jenes WM-Teams, das Titelverteidiger Deutschland mit Kapitän Matthäus aus dem Turnier warf.  Abgesehen von Michael Frontzeck ist kein deutscher Nationalspieler der letzten 25 Jahre als Trainer in der Bundesliga aktiv. Keiner der Weltmeister von 1990. Nicht mal der Spielführer und Rekordnationalspieler. Der aktuelle Kapitän, Michael Ballack, landet auf dem Abstellgleis; der alte Kapitän, Lothar Matthäus, wieder im Exil. Fußball-Deutschland verabschiedet seine letzten Ego-Kicker.“

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