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Champions League

Arbeitssieg in der Wohlfühl-Zone

Matthias Nedoklan | Mittwoch, 29. September 2010 Kommentare deaktiviert für Arbeitssieg in der Wohlfühl-Zone

Bayern freut sich nach einem Arbeitssieg gegen Basel auf die Rückkehr zur Normalität. Außerdem: Auf Schalke wackelt die Abwehr, bei Inter das Kollektiv

Moritz Kielbassa (SZ) therapiert den FC Bayern: „Schon vor dem Spiel leuchtete der St.-Jakob-Park, im Volksmund Joggeli genannt, auf einer Tribünenseite außen rot und blau, wie in München die Arena. Das Stadion des FC Basel wurde von denselben Architekten konzipiert, zur Anlage gehört auch ein Seniorenstift. In diesem bunten Salon hatte sich der FC Bayern einen Therapieabend vorgenommen. In der Champions League, ihrer Wohlfühlzone, wollten die Münchner den besorgniserregenden Bundesliga-Start ausblenden, wieder Selbstsicherheit gewinnen. Das Vorhaben gelang spät, aber es gelang: Schweinsteiger drückte in der 89. Minute einen Ball zum 2:1 über die Linie – in der Champions League (zwei Spiele, zwei Siege) hat der FC Bayern nun eine makellose Bilanz, von der er in der Bundesliga nur träumen kann. Es war kein glanzvoller, aber ein dank klarer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit verdienter Sieg, der den Debatten zumindest bis zum Spiel in Dortmund am Sonntag etwas Schärfe nehmen könnte.“

Peter Penders (FAZ.net) analysiert das Comeback des FC Bayern gegen Basel: „ In der Not kommt man auf ungewöhnliche Ideen: Dass van Gaal seinen Stürmer im Vorruhestand – Mario Gomez – schon zu Beginn der zweiten Halbzeit auf das Feld schickte, gehört nicht zu seinem normalen Einwechselschema. Für Gomez musste Altintop weichen, Klose rutschte auf die Position hinter die Spitze, Müller wechselte auf rechts. Für den Ausgleich waren diese Wechsel nicht entscheidend – dem schottischen Schiedsrichter Thomson war der Einsatz des früheren Frankfurters Huggel im Strafraum gegen Müller zu weit gegangen. Den fälligen Elfmeter nutzte Schweinsteiger (56.) souverän zum 1:1. Die Dominanz der Anfangsphase aber kehrte trotzdem nicht zurück – das Geschehen entwickelte sich zu einem offenen Schlagabtausch, allerdings mit den besseren Chancen für den heimstarken FC Basel, der sieben seiner letzten acht Heimspiele in europäischen Wettbewerben gewonnen hatte.“

Es reicht für die Königsklasse

Carsten Eberts (Tagesspiegel) dankt Bastian Schweinsteiger für einen Bayern-Arbeitssieg: „Seiner Form aus Weltmeisterschaftstagen in Südafrika läuft Bastian Schweinsteiger zwar noch immer hinterher – aber seine derzeitige Verfassung reicht immerhin, um ein Auswärtsspiel in der Champions League zu entscheiden. Einen Elfmeter verwandelte der Mittelfeldspieler des FC Bayern München und erzielte vor allem den 2:1-Siegtreffer beim FC Basel. Noch vor drei Tagen hatte sich Schweinsteiger gegen Mainz eines seiner schlechteren Spiele geleistet. Gerade für ihn war es ein Arbeitssieg in Basel, Schweinsteiger kämpfte sich ins Spiel hinein, sah zwischenzeitlich die Gelbe Karte fürs Foulen und Meckern. Eckig wirkte sein Spiel – wie das der gesamten Mannschaft. Die Basler hatten die Bayern vielleicht vorher etwas zu sehr beruhigt.“

Jörg Hanau (FR) entspannt mit dem Rekordmeister von der anstrengenden Bundesliga: „ Sie waren quer über den Bodensee gereist, um im Dreiländereck Selbstbewusstsein zu tanken. Die Champions League als Wohlfühl-Zone, fern aller aufmüpfigen Karnevals-Klubs, die jedweden Respekt vor dem FC Ruhmreich verloren haben. Der Basler St. Jakob-Park entpuppte sich dabei aber keineswegs als die perfekte Wellness-Oase für den FC Bayern, der gut in die Partie startete. Von tiefer Depression nach dem Heimflop gegen den FSV Mainz 05 war jedenfalls nichts zu spüren. Die Bayern dominierten, zogen eine gute Viertelstunde lang ihr perfektes Kombinationsspiel auf. Trotz gefühlten 80 Prozent Ballbesitzes in der Anfangsphase, war der FC Bayern aber wiederum nicht in der Lage, wirklich für Gefahr vor dem Tor der Schweizer zu Sorgen. Ein Distanzschuss des ansonsten matten Toni Kroos, eine gefährlich hereingeschlagene Ecke von Holger Badstuber – das wars dann auch schon. Der Wille zur Besserung war den Bayern nicht abzusprechen. Es mangelte ihnen aber auch diesmal an der nötigen Inspiration. Die verletzten Kreativen Arjen Robben und Franck Ribéry sind schlicht nicht zu ersetzen.“

Öfter Treffen als die Abwehr es zulässt

Philipp Selldorf (SZ) wundert sich über die Schalker Abwehrspieler: „Tatsächlich bezeugt Fahrenhorsts Einbeziehung in die Profi-Trainingsgruppe aber ebenso wie die Verpflichtung des Veteranen Hans Sarpei, dass die Reform der Abwehrreihe noch kein Meisterwerk ist – um es liebenswürdig zu formulieren. Gegen Lissabon wird sich Schalke den Luxus häufig wechselnder Notlagen nicht leisten können. Portugals Rekordmeister bringt eine beunruhigend starke Offensive mit: Hinter den Stürmern Oscar Cardozo und Javier Saviola steuert der 52-mal in Argentiniens Nationalelf erprobte Pablo Aimar das Spiel. Torwart Manuel Neuer muss darauf hoffen, dass er einen perfekten Tag erwischt – oder dass Huntelaar und Raúl einfach ein Tor mehr schießen, als Magaths neue Abwehr zulässt.“

Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) sucht nach Magaths klarer Handschrift auf Schalke: „Der Trainer passt auch deshalb so gut nach Schalke, weil er ein Meister der Improvisation ist. Weil er ohne Skrupel von einem Moment auf den anderen umdisponiert. Nirgends ist diese Fähigkeit hilfreicher als hier im königsblauen Herzen des Ruhrpotts. Erst hat Magath Jurado gar nicht eingesetzt, zu gravierend seien die Schwächen im Defensivverhalten des 13-Millionen-Euro-Einkaufs von Atlético Madrid, fand der Trainer. Nach der desolaten 1:3-Niederlage im Derby gegen Borussia Dortmund, die Jurado von der Bank aus beobachtete, hat Magath nun sein ganzes System auf den neuen Spanier zugeschnitten. Und ein zentrales Ziel seiner Umbauten hat er damit schon einmal erreicht: Das Schalker Spiel ist hübscher anzusehen.“

Bremen braucht drei Wesleys

Frank Hellmann (FR) porträtiert Wesley: „Beeindruckend sind seine Dynamik, seine Aktivität, seine Ausdauer und seine Power – fast atypische Attribute für einen Südamerikaner. Mit dem ehemaligen Bremer Diego hat er zwar telefoniert, doch mit ihm hat Wesley eigentlich nichts gemein – sein Spielstil dient als Kontrastprogramm, weil es viel mannschaftsdienlicher und weit weniger spektakulär angelegt ist. Ein bisschen unklar bleibt, von welcher Position aus der neue hanseatische Sympathikus, der mit vollem Namen Wesley Lopes Beltrame heißt und aus Cantanduva im Bundesstaat Sao Paulo stammt, seine Umtriebigkeit im San Siro entfalten darf. Eingedenk der Ausfälle von Claudio Pizarro, Clemens Fritz (beide Muskelfaserriss) und Torsten Frings (Bluterguss im Hüftknochen), die allesamt die Reise in die Lombardei erst gar nicht antraten, bräuchte Bremen eigentlich drei Wesleys – in Abwehr, Mittelfeld und Sturm.“

Julius Müller-Meiningen (FAZ) schreibt das Märchen vom tapferen Sneijderlein: „Es regnete, der Asphalt vor der Mailänder Scala war glatt und Sneijder sah in seinem Auto, wie vor ihm eine Frau mit ihrem Roller stürzte. Der 26 Jahre alte Niederländer stieg aus seinem Wagen, kümmerte sich um das leicht verletzte Unfallopfer und wartete eine halbe Stunde lang, bis der Krankenwagen kam. Sneijders Einsatz vor der Scala wurde in der Sportzeitschrift ‚Gazzetta dello Sport‘ als eine für Fußballprofis ungewöhnliche Heldentat gefeiert. Eine Tat, passend für einen Mann, der erst vor drei Monaten mit Holland ins WM-Finale eingezogen war und maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass Inter Mailand in der vergangenen Saison das Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Champions League gewann.“

Eto’o, der letzte Weltstar in Italien

Birgit Schönau (SZ) blickt bei Inter Mailand auf Samuel Eto’o: „Jetzt tritt Eto“o als der auf, der er wirklich ist: einzig verbliebener Weltstar in der Serie A, mit einem Jahreseinkommen von 10,5 Millionen Euro netto fürstlich entlohnt wie kein Zweiter, auf jeden Fall verdient er drei Mal soviel wie sein neuer Trainer Rafael Benítez. Der Spanier hat entschieden: ‚Samuel Eto“o ist ein Stürmer. Also spielt er im Sturm.‘ Eine simple Erkenntnis eigentlich, aber für Inter ein Problem. Ein Luxusproblem, denn mit Eto“os Toren ist der Titelverteidiger Tabellenführer, daran hat auch die erste Saisonniederlage beim AS Rom nichts geändert. Der Start in die Champions League war vergleichsweise verhalten, beim 2:2 gegen Twente Enschede gab es von Diego Milito ein Eigentor, auch hier verhinderte Eto“o Schlimmeres. Dass der Angreifer aus Kamerun dem argentinischen Vorjahres-Torschützenkönig jetzt auch noch die Elfmeter abnimmt, ist eine weitere Verfügung von Trainer Benítez. Milito ist außer Form, nach einer Zerrung wird er an diesem Mittwoch wohl kaum gegen Werder Bremen zum Einsatz kommen.“

Julius Müller-Meiningen (Berliner Zeitung) sieht Konfliktfelder im Inter-Kollektiv: „Nun widmet sich Eto‘o mit Erlaubnis des Trainers aber wieder seinem Kerngeschäft. Nicht allen im Team gefällt dies so gut wie ihm selbst. Wesley Sneijder, Diego Milito, Goran Pandev und Eto‘o harmonieren längst nicht mehr wie im Vorjahr. Damals stürmten bei Ballverlust sofort neun Spieler hinter den Ball, um anschließend mit blitzschnellen Kontern vors Tor des Gegners zu gelangen. Heute tun sich immer wieder Löcher im Inter-Mittelfeld auf, durch die dann die Defensivabteilung in Bedrängnis gerät. Gegen Bremen und am Sonntag gegen Juventus Turin wird sich zeigen, wer die Kraftprobe gewinnt: Eto‘o oder der Mailänder Abwehrverbund.“

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