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Am Grünen Tisch

Das Robben-Fiasko und die Nachwehen

Martin Hauptmann | Freitag, 15. Oktober 2010 3 Kommentare

Nach dem Fall Robben und der neuerlichen Verletzung ihres heimkehrenden Kapitäns van Bommel fordern die Bayern-Bosse dringend rechtliche Neubestimmungen in einem kränkelnden System

Die Situation: Trotz vehementer Bedenken seines Vereinsarztes Müller-Wohlfahrt war Mark van Bommel am Mittwoch zum Qualifikationsspiel gegen Schweden mit einer Schleimbeutelentzündung im rechten Knie aufgelaufen. In der 72. Minute hielt ihn die alte Verletzung auf, die sich bei der Untersuchung in München gar als Faszienriss mit ausgedehntem Hämatom entpuppte. Dass die Bayern den neuerlichen Ausfall von 10 Tagen zum jetzigen Zeitpunkt alles andere als gebrauchen können, ist verständlich. Doch inwieweit dürfen sie auch Ansprüche stellen?

Die Regeln sehen vor, Spieler im Falle einer Nominierung in die Obhut der Nationalmannschaft geben zu müssen und den Verantwortungsbereich für die gegebenenfalls notwendige Betreuung durch Ärzte an den Verband abzutreten. Während zum DFB abgestellte Spieler bereits Versicherungsschutz durch den Verband genießen, gibt es diese Bestimmungen in anderen Ländern noch nicht.

Die Frage muss lauten: Ist das System noch tragfähig?

Thomas Kistner (Süddeutsche Zeitung) vergleicht den Sportarzt schon mit einem Hütchenspieler: „Es birgt ja viel strategischen Nutzen: Mal kommt es zu jähen Verletzungen, mal zu Wunderheilungen, je nach Bedarf. Das funktioniert, weil, siehe van Bommel, die Profis in der Regel sehr gern mitspielen.“ Dass sie van Bommel spielen ließen, wirke noch wie eine Lappalie gegen das Verfahren mit Arjen Robben: „Laut FC Bayern bestritt der Angreifer in Südafrika mit einem Fünf-Zentimeter-Riss im Beinmuskel vier WM-Spiele, 120 rasante Endspielminuten inklusive. Da will man gar nicht wissen, was an Schmerzmittel in ihn reingepumpt worden sein muss – und welche (Pharma-)tricks angewendet wurden, um einen so perforierten Muskel unter Höchstbelastung vor dem vollständigen Zerreißen zu bewahren. Denn: Anzumerken war Robben die Blessur nicht.“ Die Bedeutung der Gesundheit, gibt Kistner zu bedenken, könne durchaus als Argument instrumentalisiert werden. Ein Ausweg aus der Misere könne wie folgt aussehen: „Eine Schiedsstelle etwa aus einem Pool von klub- und verbandsunabhängigen Ärzten, die kurzfristig per Gutachten über Verletzungsfälle befinden. Damit aber gäben Klubs, Verbände und Profis die Macht über ihre Sportshow aus den Händen. Dann würden bald Stars in rauen Mengen die Ersatzbänke bevölkern.“

Druck auf UEFA steigt

Maik Rosner (Financial Times Deutschland) zitiert den Sportrechtler Martin Nolte. Das System Fußball brauche dringlich einen neuen rechtlichen Rahmen: „Der Druck auf die Uefa wird ganz enorm durch diese Fälle. Die Chancen der Bayern stehen nicht schlecht, sich bei diesen Präzedenzfällen durchzusetzen.“ Dafür spreche die Prominenz der Fälle genauso wie das Standing des Vereins. Knackpunkt sei allerdings die Beweisführung. So hält es der Kieler Professor für „absolut inakzeptabel“, dass die Spieler nicht versichert seien und der Verein den Schaden zu tragen habe. Anders sei das beim DFB. Der deutsche Verband habe einst durch den ähnlich spektakulären Fall Sebastian Deisler den Versicherungsschutz für Nationalspieler eingeführt. Noltes Empfehlung: Fifa und Uefa müssten die Nationalverbände dazu verpflichten, den Versicherungsschutz der Spieler in ihre Statuten aufzunehmen.

Mit Verständnis zur Lösung

Im Stile eines Brückenbauers möchte Christian Hönicke (Tagesspiegel) Verständnis für beide Seiten aufbauen: „Die Nationaltrainer sehen ihre Spieler selten und wollen vor allem in wichtigen Spielen nicht auf ihre Leistungsträger verzichten. Je wichtiger dieses Spiel ist, desto mehr Risiko gehen auch die Spieler ein, immerhin gibt es Ruhm und damit Geld zu ernten. Die Vereine schließlich leiden durchaus auch nicht nur daran, ihre Profis für das Nationalteam abzustellen. Die ungeheure Wertsteigerung, die ein vor kurzem unbekanntes Talent namens Thomas Müller erfahren hat, ist zum Großteil seinen Auftritten im DFB-Trikot zuzuschreiben. Auch der VfB Stuttgart hat übrigens weder Fifa noch DFB an den 35 Millionen Euro beteiligt, die er für den Verkauf seines Nationalspielers Mario Gomez in die Kassen gespült bekam. Davon abgesehen sind die Klubs auch die ersten, die jammern, wenn einer ihrer Stars mal nicht zur Nationalmannschaft eingeladen wird.“ Kommunikation statt Konfrontation sei die Formel. Wie im Fußball, so auch anderswo.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Das Robben-Fiasko und die Nachwehen”

  1. cagla cetin
    Samstag, 16. Oktober 2010 um 14:31

    das ist ein sehr schöner text

  2. mtb-ruttish
    Sonntag, 17. Oktober 2010 um 10:24

    Super Beitrag, sehr sachlich geschrieben, bitte mehr davon…

  3. Calli Camp
    Sonntag, 17. Oktober 2010 um 22:13

    Seid mal ehrlich, bitte. Ist das jetzt ein redaktioneller Minimal-Beitrag, damit ich den Flattr-Button wieder drücken darf?

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