indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Der DFB schreibt mit

Matthias Nedoklan | Dienstag, 21. Dezember 2010 1 Kommentar

Der Prozess um die neusten Manipulationsvorwürfe sorgt weiter für Schlagzeilen: Die Presse notiert die Details der Verhandlungen

Ulrich Hartmann (SZ) schockieren die neusten Enthüllungen im Bochumer Wettbetrugs-Prozess: „Zu den Unwägbarkeiten im Wettbetrugsmilieu gehörte aber nicht nur, welche Spieler wirklich bestochen wurden und die Absprache einzuhalten versuchten sowie welche Partie deswegen Chancen besaß, das erwünschte Ergebnis wirklich zu erreichen, sondern auch, wo auf unterklassige Partien gesetzt werden konnte. Auf die Partie der Bielefelder A-Jugend beispielsweise, erklärte Wettbetrüger Marijo C., ‚konnten wir nur in Asien spielen‘. Marijo C. trat in der Branche als Wettanbieter ebenso auf wie als Wetter, wobei er darauf achtete, selbst bessere Quoten zu spielen, während er Manipulatoren wie etwa Stevan R. eine geringere Gewinnquote anbot, damit sich die Sache garantiert lohnt. Aufmerksam verfolgte den zehnten Verhandlungstag erneut der stellvertretende Vorsitzende des Kontrollausschusses im Deutschen Fußball-Bund. Norbert Weise obliegt im Verband die Aufgabe, gegen die aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und aus dem Prozessverlauf heraus des Betrugs verdächtigen Fußballer zu ermitteln. Gegen den Verler Patrick N., den Bielefelder Yousef H. und den Alzenauer Elvir S. laufen diese Ermittlungen noch. Bis heute wurde keiner dieser Spieler gesperrt. Elvir S. ist sogar noch als Torwart beim bayerischen Viertligisten Bayern Alzenau aktiv. Sperren hat der DFB bislang gegen den früheren Osnabrücker Marcel Schuon, den früheren Verler Tim Hagedorn sowie drei ehemalige A-Jugendliche von Arminia Bielefeld ausgesprochen. Mit weiteren Sperren ist zu rechnen, Weise hat eifrig mitgeschrieben.“

Thomas Kistner (SZ) kommentiert: „Warum sollten Wettbetrüger eine lukrative Kombi-Wette rund um ein locker erworbenes Jugendspiel verschmähen, wenn hier die Anreize doch viel preiswerter zu setzen sind als beispielsweise bei arrivierten Erstligaprofis, die sechsstellige Monatsgehälter nach Hause schleppen? Auf diese Systemlogik verwies jetzt explizit der Verdächtige Mario C. Diese besonders leicht zu inszenierende Betrugsvariante lässt sich nur vermeiden, indem Nachwuchsspiele gar nicht gewettet werden dürfen. Da will man übrigens gar nicht wissen, wer ganz vertraulich von solchen Tipp-Gelegenheiten Gebrauch machen könnte rund um die Fußballhoffnungen von morgen. Bochum öffnet den Blick auf die Risikogruppe Fußball. Jedenfalls für den Publikumsteil, der das Zocker-Knowhow nicht aus all den Wett-Foren kennen, wo Seh-, Fang-, Finanz- und sonstige Schwächen von Profikickern rauf und runter diskutiert werden. Zudem sind Fußballer ja oft selbst begeisterte Spieler, es gilt, chronische Monotonie zwischen Trainingsfron und Spielen zu bekämpfen. Da wechseln, am Spieltisch unter Sportskameraden, flott kleine, große oder sehr große Beträge den Besitzer; Spielsucht zählt zu den Berufskrankheiten. Wo steter Orts- und Klubwechsel Teil des Geschäfts ist, findet sich der Anschluss an neue Kollegen am besten in der Zockerrunde.“

312 Spiele werden untersucht

Christoph Becker (FAZ) bestaunt die vernetzte Wettmafia: „Von Verbindungen zu ‚Paul aus Holland‘, ‚Dragan in Slowenien‘, dem ‚Chinesen George‘ und – zurück im vermeintlich beschaulichen Ostwestfalen – ‚dem Spanier‘ in Gütersloh ist die Rede. Und weiterhin von Spielen auf dem ganzen Kontinent, von der Bayernliga über Profiligen in halb Europa bis zu internationalen Wettbewerben. 312 Spiele werden derzeit untersucht. Darunter bislang keines in der ersten Bundesliga. Marijo C. sagt, dass es wohl mehr Geld erfordere, dort Spieler zu ködern. C. gewährt konziliant Einblicke ins Geschäft. Stevan R. vermittelte er asiatische Wettpaten, die Geld auf deutsche Juniorenspiele annehmen. Fünfstellige Summen wurden gesetzt, wenn es entsprechende Hinweise auf Manipulationen gibt – aber nicht immer sind die Tipps bombensicher. Im Gegenteil: Die Zocker arbeiteten untereinander mit Bluffs und Doppelbluffs, nicht manipulierte Spiele wurden als manipuliert bezeichnet, manipulierte Spiele als sauber. Kassieren wollten alle, Verluste wurden dann bei nächster Gelegenheit verrechnet – Abhängigkeiten entstanden. Doch für das Gericht bleiben jede Menge juristische Probleme: Besonders schwierig dürfte es werden, den Angeklagten nachzuweisen, dass sie gemeinsam als Bande agierten. Anfang Januar kommt Sapina als Zeuge nach Bochum.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Der DFB schreibt mit”

  1. anderl
    Dienstag, 21. Dezember 2010 um 19:09

    Der DFB kann meiner Ansicht nach nichts dafür. Wie soll der denn verhindern, dass in Asien drauf gewettet wird?

    Interessant ist eher die Frage, warum die Ermittler die betroffenen Verbände aus der Geschichte raushält.

    Warum?

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