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Transfers und Spielerförderung im Zeichen der Spielsucht

Martin Hauptmann | Freitag, 4. Februar 2011 Kommentare deaktiviert für Transfers und Spielerförderung im Zeichen der Spielsucht

Große Versprechungen, schneller Aufstieg, ungewisse Zeiten. Talente und unkalkulierbare Neueinkäufe erfüllen in einem hektischen Fußball-Zeitalter oftmals nur noch Mittel zum Zweck. Wo steht der ursprüngliche Spielgedanke?

Oliver Fritsch (Zeit Online) sieht die Gefahr einer Ausbeutung im Talentbereich. Anhand des neuen 17jährigen Schalke-Shootingstars beschreibt er die sich wandelnde Ausbildungssituation im Fußball: „Die Transfersumme für Draxler: null Euro. Die Ausbildungsentschädigung für Draxler: null Euro. Julian Draxler ist bereits als Achtjähriger zu Schalke gekommen. […] Die Jugendarbeit in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Alle zwölf Deutschen, die im 90er Finale in Rom Weltmeister wurden, hatten mindestens bis zum fünfzehnten Lebensjahr in einem kleinen Verein gespielt, bevor sie nach München, Stuttgart oder Köln wechselten. Heutzutage verbringen die aktuellen und kommenden Nationalspieler den Großteil ihrer Fußballjugend in Profivereinen. […] Die großen Vereine sammeln dank ihrer professionell und vernetzt arbeitenden Scouting-Abteilungen alle Talente in immer jüngerem Alter ein.“ Sie verlangen angesichts ihrer zum Teil finanziell verheerenden Situation meist rücksichtslos nach Talenten zum Null-Preis. Wie lange können kleine Amateurvereine in der Jugendförderung noch konkurrenzfähig bleiben? Es zeichnet sich eine Entwicklung zur Monopolstellung einzelner Großer ab. Dies begünstigt die Globalisierung, der hohe Anspruch an die stabile Wettbewerbsfähigkeit.

Ist Schalke-Trainer Magath spielsüchtig?

Der Einkauf der in der Bundesliga vom Hof gejagten Fußballgrößen Angelos Charisteas und Ali Karimi erweckt beim Beobachter alles andere als den Anschein von solider, kontinuierlicher Vereinsführung. Jan Christian Müller (FR) stört sich an Felix Magaths Handel mit der Ware Fußballprofi: „Kein Trainer hat in der nunmehr fast 50-jährigen Bundesligahistorie das Prinzip des ‚Hire and Fire’ mit einer auch nur annähernd vergleichbar radikalen und für viele Fans verstörenden Konsequenz praktiziert […]. Magath will Titel, keine Zuneigung. Seine von einem gehörigen Maß an Rücksichtslosigkeit, Fleiß und Wagniskapital begleiteten Praktiken haben ihm beim VfL Wolfsburg einen epochalen Erfolg beschert, sie drohen aber bei Schalke nach durchaus denkwürdiger Vize-Meistersaison in einer irreparablen Unwucht zu enden.“

Im Interview mit Zeit-Online-Redakteur Dominik Bardow schildert der Wirtschaftspsychologe Alfred Gebert die Intentionen eines Zockers wie Magath: „Ab einer gewissen Summe sind das nur noch Zahlen, zu denen man keinen Bezug hat. Echte Zocker sind Glücksspieler: Sie sehen nur den Gewinn, den sie bei etwas machen könnten, nicht die Verluste. […] Die meisten Kaufsüchtigen sind so krank, weil andere ihnen helfen: […] die Banken, die immer wieder neue Kredite geben. […] Wenn sie Erfolg haben, dann werden sie teilweise dafür vergöttert. Sie leben von dieser Anerkennung. […] Ein Kaufsüchtiger braucht nur den Kick im Moment des Kaufs. Zocker sind dagegen überzeugt, dass sie nur gute Geschäfte abgeschlossen haben. […] Fristen spielen eine große Rolle. […] im letzten Moment alles auszureizen, gibt dem Zocker das Gefühl: Da war ich genial.“

In Italien kommen die Kleinen derzeit ganz groß heraus

Großes Kino – auch ohne Stars. Was Enfant terrible, Filmproduzent und Präsident des SSC Neapel Aurelio De Laurentiis bei seinem Klub auf die Bühne stellt, stehe Julius Müller Meiningen (FAZ) zufolge stellvertretend für viele unternehmerisch tüchtige Kleinvereine. „Der Schuhproduzent Diego Della Valle hat das beim AC Florenz bewiesen, der Reinigungsunternehmer Claudio Lotito bei Lazio Rom, dem derzeitigen Tabellendrittem. Besondere Knospen treibt der neue Realismus bei der einstigen Schuldenmaschine SSC Neapel, wo De Laurentiis nun zum vierten Mal in Serie eine positive Bilanz vorlegen konnte. Napoli ist Tabellenzweiter hinter Spitzenreiter AC Mailand und der einzige italienische Vertreter im Achtelfinale der Europa League. […] Dass der Verein auch wirtschaftlich so gut dasteht, liegt vor allem an den vergleichsweise geringen Personalkosten, außerdem sichert sich De Laurentiis von allen Spielern die Bildrechte und verkauft die Heimspiele im Pay-per-View.“

Wie oft darf man vom Neuanfang sprechen? Wann leidet die Glaubwürdigkeit?

Christian Otto (FAZ) erwartet beim Vfl Wolfsburg trotz der sechs Neueinkäufe im Winter-Transferfenster unvorhersehbare, gefährliche Situationen: „Es sind sprachliche, personelle und zwischenmenschliche Fragen, auf die der Trainer dringend eine Antwort finden muss. […] Die jüngste Einkaufstour von Hoeneß, die ihm seine Neider angesichts der Investition von 15 Millionen Euro als Kaufrausch auslegen, droht auch die letzte verbliebene Struktur im Wolfsburger Ensemble zu zerstören. Am 21. Spieltag so zu tun, als könne man einfach noch mal ganz von vorne anfangen, bleibt eine riskante Strategie. Hoeneß wird an der langfristigen Perspektive der Mannschaft gemessen. McClaren dagegen wird Hoeneß kurzfristig jeden Grund dafür nehmen müssen, ihn vorzeitig zu entlassen.“

Das Herz eines Löw

Lars Gartenschläger (Welt.de) stellt die Bedeutung von verlässlichem Zusammenhalt im Fußball heraus: „Es ist nicht nur ein Beweis seiner Loyalität gegenüber den Spielern. Vor allem ist es eine Frage des Vertrauens, das Joachim Löw seinen Nationalspielern auch in den Phasen schenkt, in denen sie bei ihren Vereinen schwächere Leistungen bieten oder gar nur Ersatz sind. […]  Denn sollte der Leverkusener Michael Ballack, auf den Löw gegen Italien noch verzichten wird, demnächst wieder ins Nationalteam berufen werden, steht Khedira ein harter Konkurrenzkampf bevor. […]“ Bei Real Madrid jedenfalls erfährt er derzeit ein Auf und Ab der Gefühle. 
„‚Jede Elf braucht einen Akteur wie Khedira, einen deutschen Schäferhund’, schrieb ‚Marca’ nach dem Finaleinzug (spanischer Pokal, Anm. d. Red.).“ Damit reagierte die spanische Presse, die Khedira zunächst rücksichtslos die Rolle des Sündenbocks für die im Meisterschaftskampf vielleicht vorentscheidende Osasuna-Niederlage zugewiesen hatte, auf dessen erneut überragenden Einsatz. „Der frühere Stuttgarter scheute keinen Zweikampf und musste dreimal verletzt behandelt werden. Mit seiner Vorlage zum Führungstor […] sendete Khedira ein deutliches Signal an den Bundestrainer.“  

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