indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Frankfurt strampelt mit Händen und Füßen

Martin Hauptmann | Freitag, 13. Mai 2011 1 Kommentar

Eintracht Frankfurts Ultra-Fanszene gibt nach außen ein erschreckendes Bild ab; der Verein steht vor dem Abstieg; des Weiteren: Bemerkungen zum VfB Stuttgart, Gomez, Ballack, Finke, Huth und gesellschaftlichen Trends

Er ist Professor der Sportphilosophie. Gunter Gebauer spürt gesellschaftliche Konflikte im Fußball auf. In einem sehr interessanten Interview mit Michael Horeni (FAZ) äußert er sich unter anderem zum Ausnahmezustand am Main: „Es handelt sich meist um junge Fans, die Niederlagen als narzisstische Kränkung erleben. Die leiden wie ein Hund und haben Mühe, das unter der Woche zu verdauen. Der Sport aber erfordert eine gewisse Reife, man muss in der Lage sein, einen überlegenen Gegner anzuerkennen, ihm seine Glückwünsche auszusprechen. Sehr junge Menschen können die Überlegenheit von anderen noch nicht anerkennen, weil sie ihre Grenzen noch nicht kennen. Diese Unreife schlägt jetzt durch.“ Deshalb kritisiert er auch Trainertypen wie Daum: „Offenbar hat sich auch der Fußball weiterentwickelt, dass Medizinmänner nicht mehr landen können, und Autokraten auch nicht. Man muss heute sehr stark am Spieler arbeiten und die Mannschaft insgesamt zu einem intelligenten System zusammenbauen, das ist es, was die jungen Trainer teilweise ganz faszinierend können.“

Situation im Abstiegskampf deckt auf: die Eintracht hat ein Fan-Problem

Christoph Schröder (Zeit) reibt sich an der extremen Haltung der Ultra-Fans in Frankfurt, die für ein befremdliches Klima rundum den Verein sorgen: „Die Ultras distanzieren sich ausdrücklich nicht von Gewalt. Weil sie das für verlogen halten würden. Und weil, wie sie sagen, die Verteidigung von Freiräumen zwangsläufig nicht immer gewaltlos vor sich gehen kann. Für die Ultras ist Gewalt vor allem das, was von der anderen Seite provoziert wird. Die andere Seite, das ist die Polizei, das sind die privaten Ordnungsdienste der Bundesliga-Vereine; all diejenigen also, die sich in der Vorstellung der Ultras nichts mehr wünschen als den entemotionalisierten Zuschauer in Form einer Cash-Cow, der das Stadion nach dem Spiel am besten noch friedlich verbrüdert mit den gegnerischen Fans verlässt. Schon lange wird nicht nur in Frankfurt darüber diskutiert, inwieweit die Ultras sich die Berechtigung zuschreiben dürfen, den wahren und echten Fan zu repräsentieren. Sie haben ein Klima befeuert, das vernünftiges Handeln schwieriger macht; ein Klima in der die unterschiedlichen Akteure sich in ihrer Hysterie stets gegenseitig bestätigen.

Michael Horeni (FAZ) untersucht die Dynamik, die in Fußballstadien wie der Commerzbank-Arena Angst und Schrecken hervorruft: „Die Ultras, die sich als Avantgarde der Fan-Bewegung fühlen, schaffen ihrerseits starke Bindekräfte, indem sie Kritik an der Entwicklung im Fußball formulieren, die weite Teile der Fans bis hin zum Haupttribünenbesucher mittragen: am Diktat der Kommerzialisierung, dem Verkauf von Stadionnamen, dem Verlust an Identität. Aus ihrem Wunsch- und Selbstbild, das Spiel und den Verein zu schützen, erwächst der Machtanspruch der Ultras. Auf der anderen Seite wird der Wunsch von Fans, konstruktiv über Vereinsgremien Einfluss auch auf das Geschäft zu nehmen, von Vereinen oft als Konfrontation empfunden. Fans sollen am besten zahlende Kundschaft und Stimmungsmacher sein, mehr nicht. Dabei sind es die Anhänger, die in Profiklubs die größte Konstante bilden, während Spieler und Führungspersonal immer schneller wechseln. Mitunter allerdings ist die Bindung von Fans so extrem, dass sie mit ihrer individuellen Lebensgestaltung nicht mehr klarkommen. Der Fußball bestimmt das Leben fast wie eine Sucht oder Sekte.“

Frankfurter Bosse fordern Einsicht der Fans

Ralf Weitbrecht (FAZ) ordnet die chaotischen Zustände in Frankfurt: „Die mögliche Zurückstufung wäre nach 1996, 2001 und 2004 Abstieg Nummer vier in der Geschichte der Eintracht. Wirtschaftlich würde der Etat von 68 Millionen Euro auf rund 40 Millionen reduziert. Die Annahme aber, dass die Mannschaft in ihre Einzelteile zerfallen würde, wies Vorstandschef Bruchhagen als falsch zurück. ‚Wir haben Verträge mit achtzehn Spielern, die für die zweite Liga gelten.’ […] Damit es auch im größten deutschen Fußballstadion geordnete Verhältnisse gibt und die meisterlichen Feierlichkeiten des BVB nicht gestört werden, hat sich die Eintracht mit einem Aufruf an ihre zuletzt so unbeherrschten Fans gewandt: ‘Wer meint, seinem Frust noch einmal mit Gewalt, Feuerwerk und anderen Grenzüberschreitungen freien Lauf lassen zu müssen, der stellt sich klar und deutlich gegen diesen, unseren Verein, gegen seine 112-jährige Geschichte, gegen alle treuen und aufrechten Anhänger und gegen unsere Zukunft.‘“

Köln: Finkes Umgang mit Ex-Trainer Schäfer polarisiert weiterhin die Fans

Es folgt das vorerst letzte Spiel auf der Trainerbank des 1. FC Köln für Volker Finke. Daniel Theweleit (Spiegel) versetzt sich in die Rolle der protestierenden Fans: „Mit irrationalen Urteilen hat der strategisch denkende Fußballmensch Finke ein Problem. Er konnte nur schwer ertragen, wie dieser Trainer (Schaefer, Anm. d. Red.), von dem er selbst immer weniger überzeugt war, in den Status eines Superhelden gehievt wird. […] Von außen ist schwer zu beurteilen, ob Finke wirklich einen fähigen und modernen Trainer weggemobbt hat. Der Blick in die Vergangenheit spricht allerdings gegen diese Theorie. Denn der ehemalige Gymnasiallehrer ist eigentlich nie ein Mensch gewesen, der sich hinterlistige Strategien ausdachte. Zwar hat er auch in Freiburg immer wieder Leute verletzt, aber eher durch mangelnde Empathie als durch Bösartigkeit. Jedenfalls hat der 63-Jährige immer im Interesse seiner Clubs gearbeitet, und auch in Köln gibt es kein klares Indiz dafür, dass er gegen die sportlichen Interessen des Vereins agierte. Der Gedanke, dass Schaefer einfach nicht taugt, um den Verein in die herbeigesehnte Erfolgszukunft zu führen, scheint in Köln tabu zu sein. Und Finke hatte – vielleicht auch unter dem Einfluss des nicht entlasteten Vorstandes – nicht den Mut, diese Überzeugung offen und fachlich fundiert zu kommunizieren.“

Stuttgart vor Sparmaßnahmen

Beim VfB sind die Blicke von Aufsichtsratchef Dieter Hundt weiterhin kritisch auf die Aktionen von Fredi Bobic gerichtet. Thomas Haid (Stuttgarter Zeitung) zeigt die Richtung an: „Die Vereinsführung hat angeordnet, dass die Gehaltskosten für das Aufgebot noch einmal gesenkt werden müssen – von 56 Millionen Euro auf 50 Millionen. […] Jetzt folgt die Nagelprobe. Um sich zu profilieren, muss der Manager ausmisten und dem Team eine ausgeprägtere Siegesmentalität verpassen. ‚Diese Transferperiode wird nicht einfach‘, sagt Bobic. Kein Geheimnis ist, dass es Spieler gibt, die der VfB ziehen lassen würde – etwa Pawel Pogrebnjak, der ein Kandidat beim Hamburger SV, dem 1. FC Köln und dem FC Fulham ist, oder Ciprian Marica oder Arthur Boka oder Khalid Boulahrouz oder Zdravko Kuzmanovic. Eine weitere Option geht jetzt dagegen für längere Zeit auf Krücken. […] Delpierre“.

Michael Ballack vor DFB-Karriere-Ende – Löw verpasst ihm einen Stich ins Herz

Ein Mitglied eines Internetforums schrieb treffend: „Ballack wäre als Großer gegangen, wenn er die Signale vor der WM früh richtig gedeutet hätte.“ Und in der Tat verkauft sich der langjährige Kapitän durch seine abwartende Haltung in der Frage zu seiner Zukunft beim DFB unter Wert. Es fehlt ein Machtwort. Jan Christian Müller (FR) leidet mit dem im Nationalteam offenbar abgeschriebenen Michael Ballack: „Joachim Löw hat anlässlich der aktuellen Kadernominierung drei sehr interessante Sätze zur Rückkehr von Simon Rolfes formuliert. Sätze, die sich für Michael Ballack wie ein Stich ins Herz angefühlt haben dürften. Der Bundestrainer sagte nämlich: ‚Nach langer Verletzungspause ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, Simon wieder eine Chance zu geben. Wir hatten ihn nie abgeschrieben. Er hat sich in diesem Jahr hart herangearbeitet und war oft in guter Verfassung.’“

Robert Huth zurück in die Nationalmannschaft?

Jürgen Krönig (Zeit) wirbt für den Abwehrhünen Robert Huth: „Die Fans von Stoke City können in der Begeisterung für ihren deutschen Recken eines überhaupt nicht begreifen: Warum wird ein Spieler wie Robert Huth nicht in die deutsche Nationalmannschaft zurückgeholt? Ein wuchtiger Abwehrspieler, der für zehn Tore pro Saison gut ist – was will man mehr? […] Die besondere Stärke von Stoke: gewaltige Einwürfe des Mittelfeldspielers namens Rory Delap, die gefährlicher sind als jede Standardsituation. Dann kommt stets der Moment von Robert Huth. Und die Augenblicke, auf die die Fans von Stoke City während des gesamten Spiels warten. Sie stoßen einen lang gedehnten Schrei aus, in dem Sehnsucht und Erwartung mitschwingen. ‚Huuuth‘, wobei das ‚th‘ in der englischen Aussprache zum „f“ wird, wie in hoof, das dem deutschen Huf entspricht. Eine Anspielung auf die gewaltige Schusskraft des Deutschen.“

Mario Gomez umjubelter Torschützenkönig 

Andreas Burkert (Sueddeutsche) hebt Mario Gomez Leistung in dieser Saison hervor: „Der FC Bayern ist bisher einer der Verlierer der Saison, das liegt an seinen hohen Ansprüchen. Vielleicht werden die Münchner am Samstag doch noch Zweiter, aber den einzigen Titel holt ihnen Gomez. 27 Tore hat er bisher erzielt, er wird Torschützenkönig werden, und das, obwohl ihn van Gaal nach dem miserablen Saisonstart erst ab dem siebten Spieltag in seine Startelf setzte. 38 Pflichtspieltreffer hat der 25-Jährige erzielt, […] Seine Geschichte, die von Beharrlichkeit und Lernvermögen zeugt, kann Mario Gomez demnächst Nils Petersen erzählen.“

Auch Julian Buhl (Welt) erzählt von der Wandlung des Mario Gomez: „Dazu gehört es, Platz für die Mitspieler zu schaffen, Torchancen vorzubereiten. Gomez verkörpert nicht nur eine wichtige Anspielstation, sondern arbeitet zudem stets viel in der Rückwärtsbewegung für die Mannschaft. […] Einen großen Anteil an seiner Entwicklung schreibt Gomez dem geschassten Trainer Louis van Gaal zu. ‚Bei ihm’, sagt er, ‚habe ich am meisten gelernt.’ Allein in der Bundesliga erzielte Gomez achtmal das wichtige 1:0, darüber hinaus gelangen ihm fünf Dreierpacks. Insgesamt 100 Tore in 181 Spielen sind eine beachtliche Torausbeute.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Frankfurt strampelt mit Händen und Füßen”

  1. friedlicher Fan
    Freitag, 13. Mai 2011 um 18:01

    IIn dem, was der Professor der Sportphilosophie Gunter Gebauer in der FAZ sagt ist viel Wahres dran. Aber es reicht nicht um das speziell in Frankfurt zu erklären.

    In Frankfurt wurde uns von den Verantwortlichen und von den Eintracht-Hofberichterstattern immer nur die heile Welt auf und außerhalb des Platzes vorgegaukelt. Mir (und jedem, der ein Funken Ahnung hat) war immer klar, dass in Frankfurt nicht nur eine charakterlose Mannschaft hat, sondern auch, dass dort das mit großem Abstand asozialste und gewaltbereiteste Publikum in ganz Deutschland zu Hause ist. Auswärts fahren normale Fans der Eintracht schon gar nicht mehr mit, weil sie sich nur schämen für diese „Hooltras“!

    Die Frankfurter „Hooltras“(Wortschöpfung aus Hooligans und Ultras)-Problematik ist gerade in Frankfurt eindeutig vor allem hausgemacht. Immer und immer wieder wurden diese Hooltras vom Verein selbst protegiert, z.B. durch eine in die Stadiontechnik implementierte Megaphonanlage, Zaunfahnenplätze und die Genehmigung (und Förderung) übergroßer Schwenkfahnen, Stehplatzdauerkartenverteilung und verantwortungslose Aufhebung von Stadionverboten uvm.. Dieses freiwillige Entgegenkommen hat die Ultras doch erst dazu verleitet, die eigene Bedeutung zu überschätzen und sich zu verselbständigen. Sie fühlen sich (zurecht!) sicher bei all ihren Aktionen, die einzig der Selbstdarstellung (keineswegs der Unterstützung der Mannschaft) dienen, wie z.B. bei den Pyro-Aktionen.
    Dabei passt es ins Bild wenn dann noch der bei den Ultras so beliebte Selbstdarsteller und Eintracht-Präsident Fischer – wie konkret vor einem Jahr geschehen – im Fernsehen (HR) sich als ehemaliger Hooligan outet und mit dem Finger auf seine vordere Zahnreihe zeigt und dabei sagt: Das ist alles unecht, denn früher wurden die Auseinandersetzungen eins gegen eins im Wald geklärt..

    Es muss auch endlich Schluss damit sein die kriminellen „Fans“ in Frankfurt immer nur in Schutz zu nehmen und alles herunterzuspielen von Medien-, Vereins- und von Verbandsseite! Das ist auch kein allgemeines Problem, wie man in Frankfurt immer wieder suggerieren will, sondern ein ganz spezielles der Eintracht. Denn immer und immer wieder sind die Eintracht“fans“ in den letzten Jahren negativ aufgefallen und immer und immer wieder gab es vom DFB nur läppische Geldstrafen (härtere Sanktionen wurden immer und immer wieder nur angedroht!), während anderswo viel härter durchgegriffen wurde: Man stelle sich nur einmal vor anderswo als in Frankfurt am Sitz des DFB wären immer und immer wieder die „Fans“ auswärts und zu Hause so oft und derart asozial in Erscheinung getreten.

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