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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

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Politiker bei der Frauen-WM – Menschen wie Du und ich?

Kai Butterweck | Mittwoch, 29. Juni 2011 1 Kommentar

Angela Merkel, Christian Wulff und Wolfgang Schäuble fiebern beim WM-Start auf der Tribüne mit. Außerdem: Begeisterung, Verwunderung und geleistete Pionierarbeit

Beim Eröffnungsspiel der WM ließen hochrangige Politiker ihren Emotionen auf den Rängen freien Lauf. Jörg Hahn (FAZ) fordert mehr Engagement an der Basis: „Der Sport als schöne, harmlose Bühne, auf der sich Volksnähe demonstrieren lässt, wo aus den entrückten Euro-Rettern Menschen wie du und ich werden. Wunderbar. Das Pendant zu diesen Fan-Fotos sind die politischen Gruppenbilder, wenn man freundschaftlich lächelnd und scherzend neben Hasardeuren oder Bankrotteuren sitzt oder steht. Schein statt Sein. Ist es schon eine Instrumentalisierung des Sports, wenn er als Kulisse für genehme Politiker-Fotos in privat erscheinender, menschelnder Pose dient? Zu wünschen ist auf jeden Fall dies: dass die Politik nicht nur an Festtagen zugegen ist, sondern sich um den Fußball, um den Sport generell, die kleinen Disziplinen vor allem, gerade auch dann kümmert, wenn es Schwierigkeiten gibt – und wenn keine Kameras in der Nähe sind.“

Alles irgendwie anders – oder doch nicht?

Lisa Sonnabend (sueddeutsche.de) mischt sich unter die Fans: „Es ist Fußball-WM in Deutschland. Frauen-WM. Irgendwie ist alles anders als bei einer WM der Männer, doch irgendwie ist auch vieles ähnlich. Am Sonntagabend im Biergarten am Chinesischen Turm in München zum Beispiel. Vor nicht allzu langer Zeit, als noch nicht zu jedem Groß- und sonstigen Ereignis Public Viewing angeboten wurde, hätte man es noch für eine Szene aus einem Science-Fiction-Film gehalten: Hunderte Menschen schauen gemeinsam auf eine riesige Leinwand, auf der Wesen in Trikots Fußball spielen. Inzwischen empfindet man es sogar als normal, dass diese Wesen weiblich sind. Zumindest als fast normal.“

Annette Berger (Financial Times Deutschland) beschäftigt sich mit Marktanalysen und stellt dabei Erstaunliches fest: „Die größten Fans der deutschen Fußballerinnen sind die Senioren. Das zumindest fand der Marktforscher Media Control heraus. Nicht nur sei das Auftaktspiel Deutschland gegen Kanada am vergangenen Sonntag mit mehr als 15 Millionen Zuschauern hierzulande insgesamt besonders gut angekommen. Eine Sonderanalyse habe zudem Folgendes ans Licht gebracht: Männer ab 65 gucken besonders gern, wenn sich die Mädels auf dem Rasen abrackern. Mit einem Marktanteil von 79 Prozent hätten sich mehr als drei Viertel der Zuschauer in dieser Zielgruppe für die ARD-Live-Übertragung ab 18 Uhr entschieden. Von den Frauen über 65 schalteten immerhin mehr als 56 Prozent ein. Wenn es vor allem ältere Männer und ältere Frauen sind, die den Fernseher einschalten, wirft das natürlich gleich eine Frage auf: Gucken Oma und Opa gemeinsam Fußball? Oder etwas abstrakter: Sind Männer und Frauen gemeinsam zu einer solch harmonischen Freizeitgestaltung in der Lage? Die Daten belegen eine solche These nicht, aber träumen darf man ja mal.“

Fußballbegeistert und zugleich gebildet und beruflich erfolgreich

Ann Germain war in den achtziger Jahren eine Pionierin des US-Frauenfußballs. Dorothea Hahn (taz.de) begibt sich auf Spurensuche: „Als Ann 1985 ihr erstes Spiel spielt, interessiert sich in den USA kaum jemand für Fußball. Der Spielbetrieb in der ersten Männerliga ist im Jahr zuvor eingestellt worden, die Frauen spielen vor leeren Tribünen, und talentierte Mädchen bekommen im günstigsten Fall eine Aufwandsentschädigung von 10 Dollar pro Tag. Ann entdeckt den Fußball im Alter von zwölf Jahren, als sie englische Frauen beim Spiel sieht. Seither ist sie am Ball und lässt sich von nichts abschrecken. Manche männliche Spitzensportler in Disziplinen wie Baseball und American Football verdienen bereits damals viel Geld. Jungen aus armen Vorstädten, die zu Geld und Ruhm aufsteigen wollen, können so auf gut bezahlte Engagements in den Mannschaften von Hochschulen hoffen. Denn eine Hochschule in den USA braucht Erfolge in diesen Sportarten. Als Markenzeichen. Aber für Frauenfußball gibt es Mitte der achtziger Jahre keinen Markt. Frauen können spielen. Aber um ein Auskommen zu finden, müssen sie zusätzlich eine Ausbildung machen. Das Resultat sind Frauen wie Ann Germain: fußballbegeistert und zugleich gebildet und beruflich erfolgreich.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Politiker bei der Frauen-WM – Menschen wie Du und ich?”

  1. westernworld
    Donnerstag, 30. Juni 2011 um 11:22

    „Gucken Oma und Opa gemeinsam Fußball? Oder etwas abstrakter: Sind Männer und Frauen gemeinsam zu einer solch harmonischen Freizeitgestaltung in der Lage? Die Daten belegen eine solche These nicht, aber träumen darf man ja mal.“

    also meine eltern, gereration 70+, auf jeden fall und nicht nur die nationalmannschaften

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