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Am Grünen Tisch

Hoffenheimer Akustik-Attacke – Einzeltat oder Methode?

Kai Butterweck | Mittwoch, 17. August 2011 5 Kommentare

Die Presse beschäftigt sich weiter – teils vorwurfsvoll, teils schmunzelnd – mit den Geschehnissen in Hoffenheim

Freddie Röckenhaus (SZ) stellt das Objekt der Diskussionen vor: „Das selbst gebaute Corpus Delicti ist einen Meter mal 1,30 Meter groß, rollbar auf einem Holzwägelchen, es wurde mit einem 60 Meter langen Kabel aus dem Stadionnetz mit Strom versorgt und von einem Laptop fernbedient, und zwar von einer Position hinter dem Tor in der Nähe des Gästeblocks. Dass dem Hoffenheimer Angestellten ein Alleingang mit dieser nicht unauffälligen Anlage bei gleich vier Bundesliga-Spielen möglich war, ohne dass die Aktivitäten irgendjemandem im TSG-Management aufgefallen wären, halten Fan-Vertreter für unglaubwürdig. Eher, so vermuten Fan-Vertreter aus Dortmund und Köln, werde ‚ein Bauernopfer‘ vorgeführt.“

Die Schmährufe gegen Dietmar Hopp werden eine Renaissance erleben

Tobias Schächter (taz) prophezeit dem Klub eine langfristige Rufschädigung: „Angesichts des logistischen Aufwands steht weiter die Frage im Raum, ob der Mann tatsächlich als ein Einzeltäter gehandelt hat. Zumal es nicht der erste Schallangriff war. Der DFB-Kontrollausschuss verlangt nun eine Stellungnahme der TSG Hoffenheim. Das Image des Klubs jedenfalls wird so schnell nicht besser werden, die Schmährufe gegen Dietmar Hopp womöglich eine Renaissance erleben.“

Steffen Dobbert (Zeit Online) schüttelt den Kopf: „Neben dem Spiel auf dem Rasen geht es im Stadion auch darum, dass die Anhänger des einen Teams lauter sind als die des anderen. Die TSG Hoffenheim hat nicht sehr viele eigene Fans. Vermutlich wollte der Verein das Problem mit dem Schallgerät lösen. Gelungen ist das nicht. Hoffenheims Akustik-Attacke ist mit oder ohne Duldung der Verantwortlichen zu einem PR-Desaster geworden. Dass ein technisches Gerät den Job der eigenen Fans übernimmt, war keine gute Idee. Das Dilemma des Retortenfußballvereins aus Hoffenheim besteht darin, dass er nun erst Recht als Retortenfußballverein wahrgenommen wird.“

Olfaktorischer Angriff aus dem Kölner Block

Carsten Heidböhmer (stern.de) schmunzelt in seiner Glosse und erhebt den Zeigefinger in Richtung Domstadt: „Wäre die Welt nicht schöner, wenn solche Boxen zum Einsatz kommen, wann immer das menschliche Ohr beleidigt wird? Also: Sobald irgendwo auf der Welt Musik der Amigos ertönt. Wenn Guido Westerwelle sich in einer Stadthalle über die einzig richtige Politik, nämlich seine, ereifert. Oder Verona Pooth den Mund aufmacht. Im Vergleich dazu wäre die Hoffenheimer Schalloffensive immer noch der bessere Lärm. Die Welt könnte schon morgen ein besserer Ort werden. Während man sich solche Gedanken durch den Kopf gehen lässt, sind einige Kölner ‚Fans‘ offenbar schon weiter. Sie geben sich nicht länger mit akustischen Attacken ab, sondern gehen gleich zum olfaktorischen Angriff über: Am Samstag haben einige FC-Anhänger bei ihrem Besuch in der Schalker Arena Kot in Richtung Schalke-Block geschleudert. Verglichen damit ist das Hoffenheimer Vergehen ein Kavaliersdelikt. Oder, um es mit Shakespeare zu sagen: Viel Lärm um nichts.“

Klaus Wille (derwesten.de) wundert sich nicht: „Dass Borussia Dortmund am Montag seinen empörten Fans mit keinem Wort zur Seite gesprungen ist, lässt tief blicken. Noch einmal: Die Schall-Attacke ist nicht zu entschuldigen. Aber bei der Borussia unterscheidet man offenbar sehr wohl zwischen Ursache und Wirkung. Von kaum einer anderen Fan-Gruppe ist Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp über Jahre so übel unter der Gürtellinie beschimpft worden wie von einem Teil der BVB-Fans. Das Schweigen der Borussia lässt sich nur als Scham interpretieren. Letztlich sind Dortmunds Fans die Opfer des Geistes geworden, den sie selbst jahrelang herbeigerufen haben.“

Das örtliche Polizeiorchester spielt vor der Kurve zum Tusch auf

Benjamin Kuhlhoff (11Freunde.de) gibt augenzwinkernd Anregungen wie man zukünftig unliebsamen Fangesängen entgegentreten kann: „Sie sind beliebt wie Otto Waalkes und Franz Beckenbauer zusammen: die Militär- und Polizeiorchester dieser Repubilk. Warum sonst werden sie zu jedem Länderspiel in die Stadien gekarrt, um die Nationalhymnen der entlegendsten Staaten (Aserbaidschan, Estland, England) zum Besten zu geben? Diese stets fehlerfreien Meilensteine der Unterhaltungsmusik lassen einen Schluss zu: Da liegt Talent brach. Sollten sich also unliebsame Gesänge aus dem Gästeblock ankündigen, spielt ab sofort das örtliche Polizeiorchester vor der Kurve zum Tusch auf.“

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Kommentare

5 Kommentare zu “Hoffenheimer Akustik-Attacke – Einzeltat oder Methode?”

  1. Hoffenheimer
    Mittwoch, 17. August 2011 um 11:35

    Ich schäme mich für diese Aktion, die ja wohl zweifelsfrei von der Vereinführung zumindest geduldet wurde. 100 Prozent sicher ist, dass hier Dutzende von Vereinsmitarbeitern informiert waren, und geschwiegen haben. Das ist das Gegenteil von Fairplay. Die Abmahnung eines Einzelnen ist hier völlig unangebracht. Hier müssen konsequent personelle Konsequenzen gezogen werden, vom Rücktritt der Sicherheitsverantwortlichen, bis zu Abmahnung aller, ich wiederhole: aller, die von der Anlage gewusst haben und es nicht gemeldet haben.

  2. OscarMadison
    Mittwoch, 17. August 2011 um 12:15

    Ich verstehe nicht, wie man da schmunzeln kann. Auch beleidigende Äußerungen aus dem Dortmund Block können keine Entschuldigung sein. Von jeher war ein Fanblock nicht zimperlich mit gegnerischen Reizfiguren (frage nach bei Wiese, Lehmann, Kahn).
    Aber das Fan/ -Kundenbild der Hoffenheimer geht schon sehr in Richtung „blöde Schafherde“.

  3. Schubbiaschwilli
    Mittwoch, 17. August 2011 um 14:06

    Gude!

    Mich würde mal interessieren, ob und wie Hopp das mit dem „Wer mich beleidigt, sollte nicht empfindlich sein“ gesagt hat – Erstens würde ich gern geklärt wissen, ob Herr Hopp der Meinung ist, dass in einem Rechtstaat Unrecht mit Unrecht zu bekämpfen gilt, und zweitens, ob er denn jedem (zahlenden!) Besucher des Gästeblocks Beleidigungen unterstellen möchte – Oder aber versucht Herr Hopp nur den franzesken Status zu erreichen?

    Fragen…
    Schubbiaschwilli

  4. qualitätsbeiträge ausnahmsweise
    Donnerstag, 18. August 2011 um 01:07

    @Schubbiaschwilli
    Das würde mich auch mal interessieren. Aber leider nimmt die Presse die hoppelnde Vorlage nicht auf…
    Diese feige Presse raubt mir den letzten Spass am Sport.

  5. breeze
    Donnerstag, 18. August 2011 um 10:30

    Ich bezweifel stark, dass Didi mit jemand anderem als seiner Rhein-Neckar-Zeitung sprechen wird zu dem Thema. Da könnten ja kritische Fragen kommen. Und solche kritischen Fragen kennen die Jungs von der RNZ nicht.
    Trotzdem muss man solche Fragen auch mal erwähnen, ohne Antworten liefern zu können. Und das ist bisher, wenn überhaupt, in nur sehr abgeschwächter Form geschehen.

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