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Bundesliga

Freude in Gladbach, Frust in Köln

Kai Butterweck | Dienstag, 23. August 2011 Kommentare deaktiviert für Freude in Gladbach, Frust in Köln

Während die Gladbacher um Trainer Lucien Favre genüsslich von der Tabellenspitze grüßen, kauern die Kölner am Tabellenende. Außerdem: Tristesse in Leverkusen und  Offensiv-Debatten in Berlin und Stuttgart   

Klaus Hoeltzenbein (SZ) beschäftigt sich mit den neuen Machtverhältnissen am Rhein: „Zunächst besiegte Fortuna Düsseldorf die Münchner Löwen in der zweiten Liga mit 3:1. Und wer pünktlich zum Abpfiff losbrauste, konnte bei Anpfiff im  Borussen-Park sitzen, um staunend in der ersten Liga Mönchengladbachs 4:1 gegen Wolfsburg zu beschunkeln. Dieser Doppelsieg treibt nun selbst notorische Niederrheiner in die Erklärungs-Not. Auf wunder- same Weise hat sich Fortuna, diese seit Jahrzehnten darbende, zwischenzeitlich bis in die Viertklassigkeit abgerutschte Schönheit von ehedem, aufgehübscht und ist erstmals seit 15 Jahren wieder ein Kandidat fürs Oberhaus. Und Tabellenführer Borussia, der jüngst nur haarscharf dem Abstieg entkam, spielt mit genau derselben Mannschaft plötzlich einen Fußball, der Gedankenflüge zurück in die goldenen siebziger Jahre erlaubt. Fortuna und Borussia – diese beiden waren ja mal wer. Jetzt nur kein Neid, liebe Kölner, immer schön ans rheinische Grundgesetz denken: Man muss auch gönnen können! Und wenn’s nur für einen einzigen Freitagabend ist.“

Daniel Theweleit (FR) beruhigt die Kölner: „Köln bleibt Letzter, und doch werden die Rheinländer das Duell beim Vorletzten in Hamburg erheblich weniger hysterisch angehen als die Partie gegen Lautern. Denn es reift die Erkenntnis, dass es in dieser frühen Saisonphase weder um Trainerentlassungen noch um die Existenz geht.“

Für Podolski geht es derzeit um sehr viel

Rafael Buschmann (Spiegel Online) sorgt sich um Lukas Podolski: „Ob es bei Podolski leistungsmäßig und insbesondere in der Umsetzung des Solbakkschen Systems noch Luft nach oben gibt, beantwortet der Trainer nicht. Er lächelt nur. Er weiß, dass jedes Wort über Podolski von allen Seiten interpretiert wird. Doch falls sich Podolski in den kommenden Spielen nicht an die strikten Direktionen des Trainers hält, wird Solbakken nicht davor zurückschrecken, mit seinen Taten für Gesprächsstoff zu sorgen. Jemand, der dem Stadtidol aus inhaltlichen Gründen die Kapitänsbinde abnimmt, der schreckt auch nicht davor zurück, einen Ausnahmespieler auf die Bank zu setzen, wenn dieser nicht ins System passt. Für Podolski geht es dadurch derzeit um sehr viel. Denn eine Schwäche im Verein könnte schnell zu einem Positionsverlust im Nationalteam führen.“

Der Fastabsteiger entwickelt sich nun zum Spitzenreiter

Matthias Bossaller (Zeit Online) freut sich für die Gladbacher: „Der Nicht-Abstieg von Borussia Mönchengladbach der vergangenen Saison gehörte in die Kategorie Wunder, die nur der Fußballgott vollbringt. Zu hoffnungslos schien damals die Lage der Borussia. Was sich in diesen Tagen abspielt, erinnert schon wieder an den himmlischen Wunder-Macher: Der Fastabsteiger entwickelt sich nun zum Spitzenreiter. Sieben Punkte aus drei Spielen gewann die Borussia und freut sich über den besten Ligastart seit 16 Jahren. Nach dem beeindruckenden 4:1 gegen den VfL Wolfsburg konnten sich einige Berichterstatter den Vergleich mit der Fohlen-Elf aus einer längst vergangenen Zeit nicht verkneifen. Die Fohlen hatten Deutschland mit ihrem Fußball berauscht.“

Andreas Ernst (derwesten.de) lobt Gladbachs Coach Lucien Favre: „. Die Gladbacher Gala gegen Felix Magaths Chaos-Wölfe riss alle 43 000 Zuschauer von den Sitzen – auch die Zuschauer, die in den vergangenen Jahren fast nur zum Meckern ins Stadion gekommen waren. Doch das ist jetzt anders. Weil einer einen Plan hat – Trainer Lucien Favre. Und doch – bei allem Jubel über den Gladbacher Fohlen-Gedächtnisfußball – erinnert ein vergleichbares Ergebnis an das beinahe furchtbare Ende der vergangenen Saison. Vor fast genau einem Jahr, am zweiten Spieltag war das, gewannen die Gladbacher in Leverkusen mit 6:3. Beim späteren Vizemeister. Der bittere Verlauf der Saison ist bekannt. Wobei kaum zu glauben ist, dass Gladbach in diesem Jahr ähnlich einbricht. Denn Favre, dieser zurückhaltende Fußball-Lehrer, weiß einfach, was er vorhat.“

Ballack wirkt wie ein Anachronismus in einer Liga die dem Jugendwahn verfallen ist

Björn Erichsen (stern.de) verabschiedet sich von Michael Ballack: „Alpha-Mann Ballack droht bei Bayer Leverkusen die nächste schmerzhafte Ausmusterung. Das Fatale daran ist: Der Erfolg gibt Bayer-Trainer Dutt recht. Ohnehin wirkt Ballack wie ein Anachronismus in einer Liga, die dem Jugendwahn verfallen ist. Wo Milchgesichter wie Dortmunds Mario Götze, Bayerns Thomas Müller oder Teamkollege André Schürrle Hochgeschwindigkeitsfußball zelebrieren, schauen ‚agressive Leader‘ wie Ballack immer öfter hinterher: Zweikampfhärte, strammer Schuss, und gern auch mal den Ellenborgen ausfahren, das sind die Rezepte von gestern. Das ‚beste Fußballeralter‘, das Experten vor nicht allzu langer Zeit zwischen 26 und 29 verorteten, ist um einige Jahre gesunken. Mit seinen 34 Jahren befindet ein Spieler wie Ballack, der vor allem von seiner Kraft lebt, höchstens noch im besten Renteneintrittsalter.“

In Berlin könnte es im Angriff kompliziert werden

Claus Vetter (Tagesspiegel) befasst sich mit Berlins Offensiv-Abteilung: „Den Klassenerhalt will Hertha mit einer kleinen Angriffsabteilung schaffen. Mit Lasogga und vor allem mit Adrian Ramos. Wenn das Spiel allerdings weiter so an dem Kolumbianer vorbeiläuft wie in Hannover, wenn er zu wenig Bälle von den Kollegen bekommt, dann könnte es kompliziert werden. Zumal es auch im Offensivbereich bald eine Alternative weniger geben dürfte: Rob Friend war in Hamburg und in Hannover nicht im Kader. Babbel sagt zwar, dass der Kanadier mit ‚Stand jetzt‘ auch nach Ende der Transferperiode am 31. August für Hertha spielen kann, aber wahrscheinlich ist es nicht.“

Dem Stuttgarter Offensivspiel fehlt Kreativität und Durchschlagskraft

Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) nimmt den Angriff der Stuttgarter in die Verantwortung: „Ein ganz entscheidender Wert in der Statistik jedoch lautete auf VfB-Seite null – jener der Schüsse aufs Tor. Und genau das war das Problem. Es stimmt, dass die Stuttgarter Mannschaft in der Defensive stabiler geworden ist und mittlerweile aus einer taktisch disziplinierten Grundordnung heraus agiert; und es stimmt auch, dass es gegen ein so ballsicheres Team wie Leverkusen nicht einfach ist, sich Torchancen herauszuspielen. Dass im Offensivspiel aber jegliche Kreativität und Durchschlagskraft fehlen würde, das gehört streng genommen nicht in die Kategorie Kleinigkeiten und könnte zu ein paar Sorgen Anlass geben.“

Gewinnt Dortmund die deutsche Sprintmeisterschaft?

Oliver Kahn forderte in den letzten Wochen mehr Präsenz von Führungsspielern. Michael Horeni (FAZ) rückt hingegen die körperliche Leistungsfähigkeit in den Vordergrund: „Wenn man sich die siegreichen Bayern, Dortmunder und Leverkusener genauer ansieht, dann fällt auf, dass sie in zwei Maßeinheiten, die als unverzichtbar im modernen Fußball gelten – Laufdistanz und Sprints –, der Konkurrenz am Samstag überlegen waren. Bei den Bayern war Thomas Müller individueller Liga-Spitzenreiter mit 28 Sprints auf 11,6 Kilometern. Müller lief mehr als jeder Hamburger, und bei den Sprints mussten sich schon die beiden besten Hamburger zusammentun, um Müllers Wert zu erreichen. In Leverkusen legten gleich sieben Spieler zwischen 11,2 und 12,3 Kilometer zurück (beim HSV keiner). In Dortmund erreichten, abgesehen von Torwart Weidenfeller und Stürmer Lewandowski, alle anderen zwölf (!) eingesetzten Feldspieler bei ihren Sprints eine maximale Geschwindigkeit von mehr als 30 Kilometern pro Stunde, auch das unerreichte Werte. Wenn das so weitergeht, ist Borussia Dortmund die deutsche Sprintmeisterschaft nicht mehr zu nehmen.“

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