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Bundesliga

Breno, Rangnick & Co. – Dramen abseits des Rasens

Kai Butterweck | Dienstag, 27. September 2011 4 Kommentare

Die Presse beschäftigt sich intensiv mit der Situation um Bayern-Verteidiger Breno und Ex-Schalke-Coach Ralf Rangnick

Sebastian Krass (Tagesspiegel) zeigt mit dem Finger auf die Münchner Chefetage:  „Die Reaktionen der Bayern-Oberen – auch Vorstandschef Rummenigge kritisierte die Ermittlungsbehörden – legen den Verdacht nahe, dass sie nun versuchen, ein Versäumnis wettzumachen. Sie betonen ja gern den familiären Charakter ihres Vereins und dass man sich um die Probleme der Spieler kümmere. Bei Franck Ribéry und seinen diversen Eskapaden war das auch schön zu beobachten. Die prekäre Lage Brenos scheint ihnen aber entgangen zu sein.“

Klaus Bellstedt (stern.de) mutmaßt im Fall Breno: „Zwar gelang Breno im vergangenen November das Comeback, aber das Knie gab keine Ruhe. Wiederholt folgten wochenlange Aufenthalte in der Reha, die Mannschaftssportler einsam machen. Ein richtiges Teammitglied beim FC Bayern konnte Breno so nie werden. Es kann sein, dass Breno in den Tagen vor der Brandnacht einfach keinen Ausweg mehr sah. Die nächste Schock-Diagnose und im Hinterkopf immer der im Sommer 2012 auslaufende Vertrag bei den Bayern. Wer würde ihn, den Dauerverletzten, denn noch verpflichten? Auch wenn noch nichts bewiesen ist: Die Angst vor der Zukunft, die Ausweglosigkeit, sie könnte Breno, der in Stadelheim keine normale Zelle bewohnt, sondern auf der Krankenstation untergebracht ist, zum Täter gemacht haben.“

Was ein Tabu ist, bestimmen  wir Journalisten

Christoph Ruf (taz) geht mit dem eigenen Berufsstand hart ins Gericht: „Was ein Tabu ist, bestimmen  wir Journalisten. Über das, was angeblich tabuisiert ist, plaudern wir jeden Tag ein paar Stunden. Die Deutungshoheit liegt oft bei Menschen, die sich selbst für ungeheuer aufgeklärt halten, dann doch über das ‚Weichei‘ lästern, das nicht jeden Tag den Ellenbogen ausfährt. Doch die Gesellschaft scheint da längst weiter zu sein als ihre Interpreten. Sebastian Deisler, der Depressive, hat aus vielerlei Gründen gemerkt, dass er in der Bundesliga fehl am Platze ist – die Fans waren dabei kein Grund. Sie haben ihn ermuntert weiterzumachen. Der homosexuelle Rugbyspieler Thomas Gareth schob sein Outing jahrelang vor sich her. Nun ist er erleichtert: Weder Fans noch Mitspieler haben so reagiert, wie er das befürchtet hatte. Genauso wenig würde ein schwuler Profi in der Bundesliga angefeindet. Nur dass der entsprechende Spieler nicht mehr spielen würde, weil er pro Tag 48 Exklusivinterview-Anfragen erfüllen müsste.“

Michael Ashelm (FAS) beschäftigt sich mit der Entwicklung des Jobs am Spielfeldrand: „Für Experten führt kein Weg daran vorbei, dass Führungskräfte den Gefahren vorbeugen müssen. Dazu gehören die Fähigkeit zur Selbstführung und eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Anforderungsprofil. Die Anforderungen der Trainer haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Die Erwartungen von Vorständen, Spielern, des Publikums und der Medien sind nicht selten übersteigert. Ein Trainer muss heute einen multikulturell besetzten Kader im Griff behalten, in dem sich Hierarchien durch die vielen Wechsel der Spieler nicht mehr so einfach ergeben wie früher. Ein Trainer ist heute nicht mehr nur Fußballlehrer, sondern auch Manager. Er muss 20 oder 30 Profis anleiten, dazu mit einem ausgewachsenen Betreuerstab von zehn oder sogar mehr Mitarbeitern vertrauensvoll steuern.“

Irgendwann ist es mit einem Energieriegel nicht mehr getan

Oscar Beck (Welt Online) beneidet keinen Bundesliga-Trainer um seinen Job: „Ein Trainer lebt in der Quadratur des Teufelskreises, er soll ein langfristiges Konzept entwickeln, wird aber kurzfristig gefeuert. Sein Kopf klemmt täglich im Schwitzkasten, unter dem Druck des Klubs, der Fans, der Medien. Es ist ein Leben mit ständigen Notlügen und Durchhalteparolen, er muss sich als Motivationskünstler das Maul fusselig reden, seine Primadonnen und Stinkstiefel mit unter den Hut bringen und als Entert(r)ainer möglichst zündende Bonmots parat haben vor der Kamera. Selbst ein Ottmar Hitzfeld war zeitweise am Ende, saft- und kraftlos, ausgelaugt von diesem täglichen Tanz auf der Rasierklinge des Ausnahmezustandes. Irgendwann ist es mit einem Energieriegel nicht mehr getan. Wer immer unter Strom steht, zahlt für den Verbrauch am Ende eine hohe Rechnung, in Form des F-Syndroms: Flasche leer. Fix und fertig. Frischzellenkur. Facelifting. Flucht aus dem Fußball.“

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Kommentare

4 Kommentare zu “Breno, Rangnick & Co. – Dramen abseits des Rasens”

  1. Dirk
    Dienstag, 27. September 2011 um 11:32

    Für mich ist der ganze Kommentar von C.Ruf sehr lesenswert. Danke IF, hätte ich ohne Euch bestimmt nicht gelesen!

  2. lateral
    Mittwoch, 28. September 2011 um 21:40

    @Dirk: Zustimmung!

    Kleiner Hinweis an die Redaktion: Der Herr von Welt Online und Stuttgarter Zeitung mit den geschliffenen Sätzen heißt Oskar Beck.

  3. Kai Butterweck
    Donnerstag, 29. September 2011 um 06:21

    @lateral: Sehr gutes Auge;-) Danke für den Hinweis.

  4. FCB, 1860 und Haching im „BLOGlichtgewitter“ (38) « BLOGpunkt Sport
    Donnerstag, 29. September 2011 um 08:41

    […] „Breno, Rangnick & Co. – Dramen abseits des Rasens“ (–> indirekter-freistoss.de) […]

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