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Am Grünen Tisch

Zwanziger, Blatter, Havelange – die Leiden der Funktionäre

Kai Butterweck | Mittwoch, 7. Dezember 2011 Kommentare deaktiviert für Zwanziger, Blatter, Havelange – die Leiden der Funktionäre

Nach Theo Zwanzigers Rücktrittsankündigung beginnt nun die Suche nach dem Nachfolger. Die Presse sieht Wolfgang Niersbach als aussichtsreichsten Kandidaten. Außerdem: Joao Havelange verabschiedet sich aus dem IOC

Jan Christian Müller (FR) zweifelt an den Führungsqualitäten von Erwin Staudt: „Ob der Ex-VfB-Präsident, ein sicherlich ehrenwerter Mensch, die Persönlichkeit sein kann, die auf Theo Zwanziger folgt, wird in der Branche bezweifelt. Dazu hat der ehemalige Deutschland-Chef von IBM im Krisenmanagement beim VfB Stuttgart zu wenig Profil gezeigt. Dazu ist er zu oft abgetaucht. Als Meinungsführer ist Erwin Staudt in der Bundesliga auch nach acht Jahren an der Spitze der Schwaben nicht wahrgenommen worden.“

Eine Lösung mit Sprengkraft

Claudio Catuogno (SZ) weiß, woran eine Niersbach-Zusage scheitern könnte: „Es mag aus Zwanzigers Sicht Charme haben, einen loyalen, durchaus vorzeigbaren Kandidaten wie Erwin Staudt zu präsentieren – auch um den Preis, den Favoriten Wolfgang Niersbach zu brüskieren. Dem DFB hat er damit allerdings wieder mal keinen Gefallen getan. Wenn die Delegierten aus Amateur- und Profilager dennoch – wie erwartet wird – Niersbach zum neuen Häuptling küren sollten, täten sie dies nun gegen den erklärten Wunsch Zwanzigers. Und weil Zwanziger ja weiterhin der deutsche Vertreter im Europa- und im Weltverband bleiben will, entschieden sie sich letztlich für eine Lösung mit Sprengkraft. Es wäre wohl auch diese Aussicht auf bis zu vier Jahre Doppelpass-Zwang mit Zwanziger, die Niersbach von einer Kandidatur noch abhalten könnte.“

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Robert Ide (Tagesspiegel) geht davon aus, dass der neue Chef Niersbach heißen wird: „Zwanzigers Plan, einen externen Kandidaten als Nachfolger zu installieren, um selbst noch bis zum Oktober als Chef zu regieren und danach als Königsmacher weiter reinregieren zu können, hat bislang wenig Chancen. Er käme nur zum Tragen, sollte auch Niersbach absagen. Dann hätte Zwanzigers Kandidat, der ehemalige Präsident des VfB Stuttgart Erwin Staudt, unversehens noch Chancen. Zwanziger hatte zuletzt versucht, Zweifel an Niersbachs Willen zu säen, als ehrenamtlicher Präsident weniger Geld zu verdienen als derzeit. Nach Zwanzigers Vorstoß, den neuen Chef an seinem Generalsekretär vorbei bestimmen zu wollen, dürfte sich Niersbach die Chance aber kaum nehmen lassen, selbst zuzugreifen.“

Ein verlässlicher Gestalter und glänzender Strippenzieher

Frank Hellmann (taz.de) stellt dem Generalsekretär ein gutes Zeugnis aus: „Innerhalb der divergierenden Interessen scheint Wolfgang Niersbach für viele die beste Lösung: Der amtierende Generalsekretär gilt als verlässlicher Gestalter und glänzender Strippenzieher, genießt bei Fifa und Uefa, vor allem aber bei der Nationalmannschaft, der Bundesliga und den DFB-Geldgebern allergrößtes Ansehen. Dafür hat der gebürtige Düsseldorfer mit dem Meinungsmacher Franz Beckenbauer den wohl wichtigsten Fürsprecher und einen echten Freund im Rücken – beide haben gemeinsam die WM 2006 organisiert. Nur logisch, dass Beckenbauer sagt, Niersbach sei der Beste.“

Joao Havelange ist zurückgetreten. Der 95-jährige Brasilianer ist nicht mehr Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees. Damit ist der Brasilianer seiner Suspendierung zuvorgekommen, die aufgrund von Bestechungsvorwürfen wohl dieser Tage verkündet worden wäre.

Jens Weinreich (Spiegel Online) zieht noch einen weiteren Häuptling mit ins sinkende Boot: „Havelange hat als Mitinhaber der Firma Renford Investments von der ISL kassiert. Zum Verhängnis wurde ihm aber eine andere Zahlung, die sogar in den Fifa-Büchern dokumentiert ist. Im März 1997 überwies der ISL-Konzern 1,5 Millionen Franken für Havelange irrtümlich auf ein Fifa-Konto. Gemäß Aussagen ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter ordnete Blatter als damaliger Generalsekretär an, die Summe unverzüglich auf Havelanges Privatkonto weiterzuleiten. Blatter bestreitet dies bis heute. Interessant wird sein, ob und was die IOC-Ethikkommission zum Fall Havelange veröffentlicht. Denn wenn der Transfer dieser 1,5 Millionen Franken beschrieben wird, dann müsste, wenn die Aussagen der Mitarbeiter stimmen sollten, unweigerlich ein weiteres Verfahren eröffnet werden: gegen das IOC-Mitglied Joseph Blatter.“

Gefährliche Altlasten

Auch Michael Ashelm (FAZ) prophezeit dem Fifa-Präsidenten eine ungewisse Zukunft: „Die große Frage ist, wie lange sich der gewiefte Fifa-Chef Blatter halten kann und ob ihn die Affären und Skandale am Ende nicht doch noch mitreißen. Die angekündigte Öffnung der ISL-Akte hat ihm erst einmal Zeit verschafft. Er wird hoffen, dass die genannten Personen unter dem Druck der Öffentlichkeit aufgeben, sich die Fifa auf diesem Weg von einem Teil der auch für Blatter selbst gefährlichen Altlasten befreien kann und er sogar noch als Aufklärer erscheint. Es ist nicht auszuschließen, dass sich demnächst auch Teixeira, Hayatou sowie der Fifa-Vorstandskollege und Fußballchef Südamerikas, Nicolaz Leoz, der ebenfalls als Empfänger auf der ISL-Liste stehen soll, aus „gesundheitlichen Gründen“ von ihren Posten zurückziehen. Eine echte Vergangenheitsbewältigung sieht anders aus, ist aber wohl nicht gewollt. In der vergangenen Woche hatte der neue unabhängige Fifa-Antikorruptionsbeauftragte angekündigt, nur nach vorne schauen zu wollen. Es ist kaum vorstellbar, dass Blatter von den vielen undurchsichtigen Vorgängen im eigenen Haus nichts gewusst haben kann.“

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