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Bundesliga

Dortmund, Schalke, Gladbach – im Gleichschritt Richtung Bayern

Kai Butterweck | Montag, 23. Januar 2012 1 Kommentar

Endlich rollt der Ball wieder. Mit beeindruckenden Siegen erhöht das Verfolger-Trio den Druck auf den FC Bayern. Außerdem: Struktur-Probleme in Stuttgart und Ernüchterung in Berlin

Für die Bayern beginnt die Rückrunde ebenso ernüchternd wie die Vorrunde. Andreas Burkert (SZ)weiß warum: „Das auf Ballbesitz angelegte Spiel der Münchner  ist decodierbar von Mannschaften, die sich verbarrikadieren, klug verschieben und geduldig auf den Moment zum Überfall warten. Den Gladbachern war das bereits beim Saisonauftakt geglückt, ehe mit der Masche auch Hannover, der damals defensiv eingestellte Meister Dortmund und Mainz zu Erfolgen kamen. Intelligent verteidigen, das haben inzwischen einige Teams im Repertoire, sie werden von den Tuchels, Klopps, Slomkas oder eben von einem Favre eine komplette Trainingswoche in die Abläufe der Bayern unterwiesen. Louis van Gaal ist es gewesen, der den Münchnern diesen häufig attraktiven Stil verpasste und damit im ersten Jahr fast alles gewann – ehe sich die Liga auf die passorientierte Dominanz entstellte.“

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Klaus Bellstedt (stern.de) bindet sich einen Gladbach-Schal um: „Was war das schon wieder für eine schlimme Kaffeesatzleserei der sogenannten Fußballexperten in dieser Republik: Mönchengladbach würde nach der Winterpause einbrechen, Reus wäre nicht mehr bei der Sache, Trainer Lucien Favre so gut wie weg. Es wurde geunkt und für die Region am Niederrhein der Weltuntergang prognostiziert. Die Wahrheit ist: Gladbach hat bei diesem furiosen Sieg nahtlos an die glänzende Hinserie angeknüpft, an deren Ende ein sensationeller vierter Platz stand. Lucien Favre hatte seinem Team eine meisterliche Taktik verpasst. Und Bayern? Spielte genauso, wie man es eben nicht gegen einen gut organisierten Gegner tun darf: Zu langsam ließ man den Ball laufen, zu wenig rochierten sie. Aber Arjen Robben ist doch normalerweise immer für ein, zwei Geniestreiche pro Spiel gut. Denkste! Der Niederländer wurde auf der rechten Seite zugeparkt, erdrückt von der Kompaktheit der Hausherren; so gelang es nie, die Defensive des Gegners auseinanderzureißen. Die Bayern, sie waren an diesem Abend vor allem auch taktisch unterlegen.“

Eine bessere Visitenkarte kann man als Fußball-Lehrer kaum abgeben

Artur vom Stein (derwesten.de) verneigt sich vor dem Gladbach-Coach: „Haushoher taktischer Sieger an diesem Abend war zweifelsfrei Borussias Trainer Lucien Favre, der sein System mittlerweile so perfektioniert hat, dass selbst der Ausfall eines Leistungsträgers wie Dante überhaupt nicht mehr auffällt. Eine bessere Visitenkarte kann man als Fußball-Lehrer kaum abgeben. Spätestens am Freitag werden das auch die Bayern erkannt haben, die genau wissen, wie schwierig es ist, einen passenden Coach zu finden. Auch das hat der Abend gebracht: Bei allem Jubel über den Sieg ist die Sorge der Gladbacher nicht kleiner geworden, auch Lucien Favre mittelfristig zu verlieren.“

Stefan Rommel (spox.com) verlässt beeindruckt den Borussen-Park: „Das Team von Lucien Favre verteidigte mit zwei dicht aneinander stehenden Viererketten, davor störten Reus und Mike Hanke beharrlich oder verstärkten die Mittelfeldreihe. Bayern München, sowohl mit einem geordneten Aufbauspiel als auch großer individueller Klasse üppig ausgestattet, fand keinen Weg hindurch. Gladbach gewährte seinen Gästen kein Tempo bei deren Angriffen. Vielleicht wollten die Bayern auch gar nicht immer das höchste Tempo gehen. Denn das Perfide am Gladbacher Spiel ist ja auch, dass sich der Gegner kaum noch traut, geschlossen und risikoreich nachzurücken – weil jeder Ballverlust gleichbedeutend ist mit einem gefährlichen Gegenangriff.“

Solider Funktionsfußball

Obwohl die Schalker mittlerweile dieselbe Punkteausbeute vorweisen können wie das Führungsduo aus München und Dortmund, stapelt man bei den Knappen weiterhin tief. Marcus Bark (taz.de) hält mit Tatsachen dagegen: „Huub Stevens spricht seiner Mannschaft ab, stabil genug zu sein, um Meisterschaftsträume zu hegen. Diese Bedenken sind aber teilweise mit Fakten auszuräumen. Die Schalker gewannen ihre vergangenen fünf Heimspiele, erzielten dabei jeweils mindestens drei Tore und kassierten nie mehr als eines. Gegen den VfB garnierten die Königsblauen, bei denen der von der TSG 1899 Hoffenheim ausgeliehene Chinedu Obasi einen ordentlichen Einstand gab, eine Vorstellung von solidem Funktionsfußball mit einem traumhaften Tor. Draxler schloss eine Kombination mit schnellem Kurzpassspiel und noch schnellerem Erkennen der freien Räume erfolgreich ab. Ein solches Tempo war dem VfB am Samstag viel zu hoch. Nach fünf Spielen, in denen nur ein Punkt gewonnen wurde, fuhren die Schwaben kleinlaut nach Hause.“

Daniel Theweleit (FR) traut den Schalkern noch viel zu: „Es ist ziemlich unglaublich, dass diese Schalker Mannschaft punktgleich mit dem Rekordmeister ganz vorne in der Tabelle geführt wird. Schalke spielt eine sehr solide Saison, das schon, überragend gute Spiele wie von Bayern, Mönchengladbach oder Dortmund waren bisher aber eher nicht zu sehen von diesem Team. Außerdem musste sich in dieser Saison kein anderer Klub im oberen Tabellendrittel mit ähnlich großen Widrigkeiten auseinandersetzen wie die Gelsenkirchener.  Ralf Rangnick musste nach seinem Burnout aufgeben, Jefferson Farfán, ist seit Wochen verletzt. Mit dem gesperrten Jermaine Jones und dem angeschlagenen Lewis Holtby fielen zwei zentrale Mittelfeldspieler aus, Ralf Fährmann, der Stammtorhüter, plagt sich seit Monaten mit den Folgen eines Kreuzbandrisses, und nun hat sich auch noch Benedikt Höwedes das Jochbein gebrochen. All das hört sich nicht gut an, doch die Summe der Ärgernisse führt dazu, dass Schalke 04 die Rolle des Unterschätzten zukommt, was dem Klub viel besser liegt als die Bürde des Favoriten. Und vielleicht kommt es im Mai zum Überholmanöver aus dem Windschatten.“

Mulmiges Gefühl in Stuttgart

Heiko Hinrichsen (Stuttgarter Zeitung) prophezeit den Schwaben schwierige Wochen: „Wer sollte  beim VfB überhaupt die Richtung vorgeben, nachdem die Hierarchie in der Winterpause durcheinandergewürfelt wurde? Nach der Pause stürmte der degradierte Cacau neben Pawel Pogrebnjak. Jenem Mann also, dem man von Seiten des Managements klargemacht hat, dass er schnellstmöglich gehen kann. Für den kurzfristig verletzten Boulahrouz spielte zudem in Stefano Celozzi ein Profi, der längst durchgefallen ist. Beim Blick in die Zukunft kann dem VfB-Fan alles in allem also mulmig werden. Während auf dem Platz kaum ein Rädchen ins andere greift, haben es die nächsten Gegner in sich: Am Sonntag kommt der Bayern-Bezwinger Gladbach – dann geht es nach Leverkusen. In der Vorsaison hat Fredi Bobic mit den Wintertransfers Okazaki und Tamás Hajnal die richtigen Weichen gestellt. Und diesmal? Da darf man es zumindest als freundliche Geste werten, dass eine helfende Hand in der Stadionkapelle der Arena auf Schalke, die nah bei den Umkleidekabinen liegt, nach Spielschluss eine Kerze angezündet hat.“

Das derzeit stärkste Team der Liga

Nach dem fulminanten Sieg beim HSV entledigt sich der BVB endgültig des Underdog-Titels im Kampf um die Meisterschale. Jan Reschke (Spiegel Online) schiebt alle Bescheidenheit beiseite: „Die Perspektiven des BVB sind glänzend. Tiefstapelei nicht nötig. Zumal von den fünf Mannschaften, die neben den Borussen auf den ersten sechs Plätzen stehen, vier noch in Dortmund antreten müssen: Der FC Bayern, Borussia Mönchengladbach, Werder Bremen und Bayer Leverkusen. Auswärts spielen die Schwarz-Gelben nur beim Reviernachbarn FC Schalke 04. Angesichts dieser Umstände steht die Rolle des Außenseiters den Dortmundern nicht mehr. Im vergangenen Jahr, als vor der Saison niemand mit einer Meisterschaft der Dortmunder gerechnet hatte, hat man ihnen sie noch abgenommen. Nach der Partie beim HSV nicht mehr. Knüpft der BVB in den kommenden Wochen an die Hamburg-Leistung an, wird es schwer, diese Linie beizubehalten. Dortmund hat gezeigt, dass es das derzeit das stärkste Team in der Bundesliga ist. “

Es sind eben nicht alle gleich, schon gar nicht gleich gut

Die Bundesliga-Talfahrt von Hertha BSC setzt sich auch mit Neu-Trainer Michael Skibbe fort. Nach zuletzt sieben sieglosen Spielen befinden sich die Berliner mitten im Abstiegskampf. Michael Rosentritt (Tagesspiegel) blickt zurück: „Vielleicht ist diese Niederlage auch ein Ergebnis der unsäglichen Chaostage von vor Weihnachten, als es Hertha nicht gelang, die Trennung von Babbel anständig zu managen. Der aus der Türkei herbeigekaufte Skibbe musste den aufgewühlten Kader beruhigen, sein Tun in Berlin war auf Befriedung und Harmonisierung ausgelegt. Alle Spieler seien gleich, alle hätten die gleichen Chancen, mit diesem Credo glitt Skibbe durch seine Anfangszeit. Es waren neutrale Tage, in denen keine Entscheidungen anstanden. Am Ende spielten dann doch die, die immer spielten, bis auf den verletzten Andre Mijatovic und gesperrten Raffael. Es sind eben nicht alle gleich, schon gar nicht gleich gut.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Dortmund, Schalke, Gladbach – im Gleichschritt Richtung Bayern”

  1. augelibero
    Samstag, 4. Februar 2012 um 20:34

    Bayern befindet sich in einer schwierigen Situation. Zweifellos ist die Elf personell eine Klasse für sich, als Mannschaft funktioniert es nicht meisterlich. Das liegt an der Schwachstelle in der Verteidigung. Gegen Gladbach hingen die ersten beiden Gegentreffer mit taktischen Fehlern von Boateng zusammen, gegen Dortmund und gerade gegen den HSV ermöglichte er durch einen Abpraller das Gegentor. Selten kann man ihm einen echten Fehler nachsagen, aber die Schwäche hängt mit seinen Konzentrationsmängeln zusammen. Dass er ein guter Fußballspieler – kopfballstark, passsicher, schnell und zweikampfstark – ist sieht man über 89 Minuten. Jeder clevere Bundesligastrürmer weiß aber, was in den TV-Analyse nicht vorkommt: Boateng ist – wie einst Demichelis – immer für einen gut. Und da auch Phillip Lahm, von den Medien meist übergangen, eine schwache und fehlerreiche Saison spielt, geht hinten vieles schief. Mittlerweile wissen die Gegener dies. Heynckes wirkt sehr ideen- und hilflos. Das einzige, worin er sich sicher scheint, ist, dass er nichts von seinem besten Außenverteidiger hält: Raffinha. Und viel von seinem Einer-geht-noch-Stopper Boateng. So wird Bayern in der Bundesliga die entscheidenden Punkte lassen. In der CL ist mit dem Innenverteidiger Boateng nix zu holen.

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