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Champions League

Quo vadis, FC Bayern?

Matthias Nedoklan | Freitag, 24. Februar 2012 8 Kommentare

Auch zwei Tage nach der erschreckenden Pleite des FC Bayern in Basel diskutiert die Presse über den Rekordmeister. Wer ist Schuld an der Misere – Spieler, Trainer oder Vorstand?

Jürgen Schmieder (SZ) erinnert: „Die Spieler des FC Bayern können froh sein, dass Oliver Kahn seine Karriere längst beendet hat. Dem Torwart wäre so eine Situation wie nach dem 0:1 in der 86. Minute durch Valentin Stocker nicht untergekommen: Kahn hätte sich kurz geschüttelt, dann hätte er seine Kollegen mit patschenden Händen und Gebrüll angefeuert. Am Ende hätte er den Ball zur Mittellinie geworfen, zur Not hätte er das Spielgerät ins gegnerische Tor geboxt und einen Mitspieler hinterhergeworfen.“

Christian Eichler (FAZ) fragt sich: „Ratlosigkeit. Kaum je hat es einmal eine so gut besetzte Bayern-Mannschaft gegeben, die ein solches Rätsel war. Auch sich selbst. Mal so, mal so, mal traumhaft, mal traumatisch, aber warum und wann? Jede Prognose ist eher ein Horoskop.“

Helmut Schümann (Tagesspiegel) schreibt über die Kritik an Jupp Heynckes: „Wunderbar, haben vor wenigen Wochen alle gesagt, das kann nur ein Mann mit der Erfahrung eines Jupp Heynckes. Schrecklich, sagen nun alle, das hat man eben davon, wenn man einen Trainer dieses Alters engagiert, der hat eben kein Gespür für Neuerungen mehr, keine Idee für eine frische Spielkultur.“

Karlheinz Wagner (Berliner Zeitung) schimpft: „Der permanente Ballbesitz war, bis auf die Anfangsphase, wo es ein paar Torchancen gab, nicht Ausdruck von Überlegenheit, sondern von Ratlosigkeit; das wacklige Passspiel war nicht darauf angelegt, Freiräume zu erschließen, sondern verschob nur die Verantwortung für eine gescheite Idee von einem Spieler zum nächsten und wieder nächsten.“

Claudio Catuogno (SZ) blickt auf siegreichen Baseler: „Die Basler haben bisher noch keines ihrer Auswärtsspiele verloren. Sollte ihnen auch in der Münchner Arena ein Tor gelingen, bräuchten die Bayern schon drei Treffer, um weiterzukommen. Sie trauen sich noch nicht recht zu träumen beim FC Basel, aber ihnen ist bewusst, dass sie das Potenzial haben, nach den Sternen zu greifen mit dieser Elf auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft.“

Klaus Hoeltzenbein (SZ) blickt auf die Insel. Aus England wird es aller Vorraussicht zum ersten Mal seit 1996 keinen Viertelfinalisten in der Königsklasse geben. Eine Blamage für die stärkste Liga der Welt: „So schnell ging selten ein Empire unter, und jeder Klub reklamiert jetzt eigene Krisensymptome. Das ergibt sich schon aus den diversen, zunehmend komplizierter verschachtelten Eigentums- und Finanzmodellen bei ManUnited (gehört den Glazers aus Florida), ManCity (Scheich aus Abu Dhabi), Arsenal (Mehrheitseigner ist ein Amerikaner), Chelsea (Abramowitsch, Oligarch aus Russland) und Liverpool (New England Sport Ventures aus Boston/USA). In der Premier League, der einzigen nationalen Fußball-Liga, die eine Weltmarke ist, haben sie Saison für Saison immer mehr Monopoly gespielt. Und immer weniger Fußball.“ Ob es schlimm ist, dass Deutschland dasselbe Schicksal droht?

freistoss des tages

Kommentare

8 Kommentare zu “Quo vadis, FC Bayern?”

  1. Geert H
    Freitag, 24. Februar 2012 um 14:21

    Schönes Zitat im Eichler-Text:

    „Rummenigge appellierte also an den Willen. Das zeigte, dass auch er nicht weiß, woran es fehlt. Am Willen fehlte es in Basel nämlich nicht. Eher am Wissen. Dem Wissen, wie man eine modern verteidigende Mannschaft aushebelt. Wie man den Druck so erhöht, dass es wirkt.“

    Warum habt Ihr das nicht genommen?

  2. Manfred
    Freitag, 24. Februar 2012 um 14:31

    Der Herr Nedoklan kann ja nix dafür, daß hier bayerntechnisch mal wieder die übliche hilflose Tintenpisserei betrieben wurde (Ausnahme: Helmut Schümann), insofern spiegelt die Auswahl ja nur die Einfallslosigkeit wider, die die deutschen Berufsschwänzer zu dem Thema zu bieten haben.
    Wenn dann der Herr Eichler: ‚Jede Prognose ist eher ein Horoskop.‘ faselt, als sei das so unerhört wie nur was, dann möchte ich nur zu gern mal zurückfragen: ja, was denn sonst? Eher? Blödsinn. Wie nun wer Vorhersagen für die Zukunft zu treffen pflegt, ist doch völlig egal, der eine deutet Sterne, der andere geistigen Kaffeesatz. Ergebnis: siehe Pumukel im vorigen Freistoß^^.

    Und schließlich noch zum letzten Satz: welches Schicksal droht bitte Deutschland? Ganz Deutschland? Uns allen, die wir doch schon genug gestraft sind mit Flugakne und einer Stewardess in Verkleidung einer Kanzlerin? Bitte, Herr Hoeltzenbein, grade in diesen dunklen Zeiten: erhellen sie mich. Uns alle. Und mir ist egal, worauf ihre Horognose basiert. Ehrlich.

  3. Dirk
    Freitag, 24. Februar 2012 um 15:11

    Vorstand, Trainer oder Spieler, wer ist Schuld?

    Eine schnelle Einschätzung meinerseits:

    Vorstand
    Will nur eines, nämlich Erfolg. Hat aber keine Idee, wie man das konkret erreichen könnte. Wechselt Trainer und deren Spiel- und Führungsideen wie andere Vorstände ihre Unterhosen: Magath, Klinsmann, van Gaal, Heynckes. Nächster Schritt wäre Favre (modern nach Heynckes verstaubt), wenn der dann auch scheitert folgt Peter Neururer.

    Trainer
    Spielsystem ist statisch, zu statisch. Eine Idee, wie man das ändern könnte, scheint nicht vorhanden zu sein.
    Bei Basel gegen München ist Bayern auf jeder Position individuell besser besetzt als der Gegner und verliert dennoch nicht unverdient. Wer (wenn nicht der Trainer) trägt dafür zumindest eine bedeutende Teilverantwortung?

    Spieler
    Habe selber überlegt, ob man der Mannschaft vorwerfen muss, dass sie aus sich heraus keine Leader wie Effe hervorbingt. Aber: Die gibt es in der Nationalmannschaft auch nicht.
    Trotzdem fehlt der Mannschaft „Führung“, diese Führung muss in erster Linie das Spielsystem vorgeben (derzeit nicht ausreichend, Problem des Trainers) und ergänzend die Hierarchie in der Mannschaft (derzeit auch nicht ausreichend mit einem Kapitän, der nichts entscheidend beeinflussen kann. Problem auch des Trainers, denn der muss das im Zweifelsfall von oben lösen).

    Spieler gehen mir als Werder-Fan, der Bayern-Krisen und -Ballyhoo jederzeit etwas abgewinnen kann, trotzdem auf den Sack.

  4. Dirk
    Freitag, 24. Februar 2012 um 15:18

    Nachtrag zum Freistoss des Tages:

    Baseball und Fußball hinsichtlich ihrer Beeinflussung durch Statistik zu vergleichen, ist wild. Außer einem runden Spielgerät sehe ich da wenig Gemeinsamkeiten, ganz besonders im Bereich Kreativität.

    Und diese schlaue Aussage des Baseball-Statistik-Nerds, dass sich alles berechnen lasse, also auch Fußball, ist soooooo weise, da bin ich fast baff. Es ist ja nur die Komplexität, die zwischen 1+2=3 und der Berechnung einer genauen 60 Tage Wetterprognose steht.

  5. Daddy
    Freitag, 24. Februar 2012 um 15:40

    @Manfred:

    Der Satz mit dem Schicksal, auf dem Sie herumreiten, ist nicht von Hoeltzenbein.

  6. Manfred
    Freitag, 24. Februar 2012 um 17:10

    @ Daddy: Hm. Stimmt, seh ich auch jetzt erst. Tja, dann möge mich der Autor mal erhellen.

  7. Norbert Schell
    Freitag, 24. Februar 2012 um 21:38

    Nach der Winterpause stehen drei Bayernsiege zu Buche, nicht überzeugende Heimsiege gegen erschreckend schwache Wolfsburger und Kaiserslauterer nund der Pokalsieg bei einem erbärmlichen VfB Stuttgart. Diese drei wenig überzeugend gewonnenen Partien müssen auch mit einbezogen werden, wenn man die Leistungen des Rekordmeisters in diesem Jahr beleuchtet. Was die Bayern in ihrer zuvor erfolgreichen Phase auszeichnete, war das frühe Pressing auch schon von Gomez und den übrigen Offensivkräften mit nachfolgendem schnellen Spiel in die Spitze. Dieses für die Bayern eher atypische Spiel Marke Gladbach oder Dortmund wurde nach der Winterpause unverständlicherweise komplett aufgegeben zugunsten des van Gaal’schen Breitwandfußballs mit ewig Ballbesitz aber ganz wenig Torchancen und null Überraschungseffekten.

  8. Juergen
    Samstag, 25. Februar 2012 um 23:20

    Was mich extrem stört ist das anscheinend niemand die gute Leistung der Basler beschreibt, hört sich an als ob die Bayern sich nur selbst geschlagen hätten.
    Wie clever die den Robben komplett aus dem Spiel genommen haben, schön den Weg nach innen dicht gemacht. Von aussen ist er dann kaum noch effektiv. usw. usw.
    Manchester United schmeisst man nicht einfach so aus dem Wettbewerb, aber anscheinend war der fehlende Handschlag von Ribery spielentscheidend.

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