indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Braucht die Fifa eine Piratenpartei?

Erik Meyer | Dienstag, 3. April 2012 2 Kommentare

Der indirekte freistoss blickt auf die Berichterstattung zum Reformprozess bei der Fifa anlässlich ihrer letzten Vorstandssitzung zurück.

Jens Weinreich (SpOn) resümiert die Pressekonferenz: „Was Blatter präsentierte, verdient das Wort ‚Reform‘ nicht wirklich – denn nirgends ist verzeichnet, dass die Skandale der Vergangenheit und Gegenwart definitiv aufgearbeitet werden. Es war vielmehr eine Demonstration der Macht- und Kommunikationsherrschaft.“
Eine detaillierte und flott formulierte Darstellung liefert Weinreich in seinem Blog.

Michael Ashelm (FAZ) porträtiert den Präsidenten als Schönredner: „Sowieso muss erst einmal der große Fifa-Kongress Ende Mai in Budapest über die ersten Reformvorhaben befinden. Dabei hatte Blatter Reformen im Rennwagen-Tempo versprochen. Doch hat die Fifa-Regierung dafür wirklich genügend Antriebskraft?“

Thomas Kistner (SZ) sieht den Basler Compliance-Experten Mark Pieth bereits als „kongenialen Mitstreiter“ Sepp Blatters: „Pieth bewegte sich ja stets auf dünnem Eis, als er bei der Fifa zu Bedingungen anheuerte, die es so nicht gibt in seinem bisherigen Berufsmilieu, der Wirtschaftskriminalität: dass böse Buben weiter an der Firmenspitze sitzen und selbst entscheiden, ob ihre Sünden aufgedeckt werden.“

Der Politikwissenschaftler Roger Pielke kommentiert in seinem Blog „The Least Thing“: „The Pieth report is remarkably thin for a document purporting to set forth a road map for institutional reform. Were it a seminar paper from one of my grad students, I‘d return it with a grade of ‚incomplete.‘“
Der vorgelegte Report des von Pieth geleiteten Independent Governance Committee als PDF-Dokument.

Daniel Drepper (WAZ Rechercheblog) beschäftigt sich in einem aufschlussreichen Interview mit der Frage, wie intransparent die Fifa wirklich ist. Jean Francois Tanda, der in der Schweiz auf Einsicht in Dokumente klagt, antwortet mit einem drastischen Vergleich: „Blatters Bekenntnisse zu Transparenz waren von Anfang an eine reine Show, er hat viel zu viel zu verbergen. Er hat Angst um seine Position und gibt dem Volk nun vordergründig, wonach es verlangt. Das ist wie Assad, der in Syrien während des Bürgerkriegs über eine neue Verfassung abstimmen lässt.“

Eine audiovisuelle Aufbereitung der Angelegenheit liefert die SPORTreportage des ZDF, deren Beitrag „Die WM für einen Dollar“ noch bis zum 8.4. in der Mediathek verfügbar ist.

Update:
Jens Weinreich
(SpOn) hat noch ein Interview mit dem Transparenz-Beauftragten Pieth nachgelegt, in dem dieser mit Rücktritt droht: „Ich bin auf dieses Theater nicht angewiesen. Ich kann im Sommer sagen, okay, jetzt reicht’s mir.“

freistoss des tages

Kommentare

2 Kommentare zu “Braucht die Fifa eine Piratenpartei?”

  1. Geert H
    Dienstag, 3. April 2012 um 14:55

    Sehr schöner Beitrag. Da bekommt der freistoss seine alte Klasse wieder. Bitte, bitte, weiter so.

  2. Hans Klemm
    Donnerstag, 5. April 2012 um 13:32

    Die Piratenpartei braucht die FIFA nicht, weil es da auch schon untereinander Schwierigkeiten gibt. Eine unabhängige internationale Truppe von echten Staatsanwälten sollte endlich ihre Arbeit in der als schier unantastbar geltenden Schweiz aufnehmen und die Machenschaften der dortigen Vereinsspitze mal richtig durchleuchten.
    Eigentlich wird es mir richtig schlecht, weil dieses Thema bereits zum x-ten Male auf dem Plan steht und bekomme auch aus naheliegenden Gründen einen richtig dicken Hals!!!

    Seit mehreren Monaten, eigentlich sogar Jahren, gilt der von Joseph Blatter geführte und in Zürich ansässige Weltverband FIFA nicht nur in Fachkreisen als Synonym für Korruption,
    Stätte dunkler Geschäfte mit prallgefüllten Konten und schwarzen Kassen, deren Höhe nur wenige Insider kennen, schwerer Betrügereien und anderen Schandtaten. Alle verschiedenen Medien berichten davon.

    Diese Fakten sind fast jedem ehrlichen Anhänger des Fußballsportes in der ganzen Welt bekannt, egal, ob er für nicht wenig Geld in den modernen Stadien, auf einfachen Sportplätzen oder kostenlos vor der „Röhre“ die Spiele in den unterschiedlichsten Klassen verfolgt. Nur durch die vielseitigsten Veröffentlichungen mutiger Redakteure, die z.B. erneut in ihren oben genannten Artikeln im „indirekten Freistoß“ wenigstens stichpunktartig auf die schlimmen Missstände hinweisen, kann eine dringend notwendige Änderung erreicht werden! Man könnte annehmen, dass diese mittlerweile betagten Herren Altersschutz genießen, um sich dadurch der längst fälligen konsequenten Aufklärung der fürchterlichen Vorfälle in der Vergangenheit zu entziehen.

    Das Kuriose dabei ist, dass sich Herr Blatter selbst als unnachgiebiger Aufklärer, Architekt und Reformer im Formel 1- Tempo bezeichnet und sich dafür einen entsprechenden Platz in den Geschichtsbüchern ausrechnet. Die Wahrheit ist aber:
    der ständig wieder angekündigte Selbstreinigungsprozess stagniert weiter, weil nach und nach immer mehr schwer belastete Mitglieder aus unterschiedlichsten Gründen (u.a. durch plötzliche Krankheiten) aus dem Verband ausscheiden.

    Trotzdem wollen wir doch alle wissen, was an den Vorwürfen in den letzten Jahren dran ist, deren Inhalte und getroffene Entscheidungen (z.B. WM-Standort-Vergaben und – Vermarktungsrechte usw.) auch in der Zukunft von großer Bedeutung sind. Wann endlich werden die ISL-Akten veröffentlicht, die gegen Schweigegeld eine Aufdeckung untereinander gezahlter Millionenbeträge auf verschiedene Schwarzkonten bisher verhinderten?

    Bereits 1997 soll Blatter als noch FIFA-Generalsekretär an seinen damaligen Chef, den heute kranken 95-jährigen Havelange aus Brasilien, der 24 Jahre (!) sein Amt ausübte, 1,5 Mill. Schweizer Franken auf sein Privatkonto eingezahlt haben. Was haben die Ex-Vize J.Warner (Trinidat), Bin Hammam (Katar) oder der nun plötzlich auch krank gewordene Brasilianer Texeira wirklich auf dem Kerbholz? Warum sagt der 80 Jahre alte, greise und auch persönlich schwer belastete Kassenwart Grondona, seit 30 (!) Jahren auch Verbandschef in Argentinien, bei dem letzten Treffen am vergangenen Freitag nicht, wie die 30 Mill. Schweizer Franken als Bezüge und Boni für die FIFA-Mandatsträger im letzten Jahr aufgeteilt wurden?

    Ein Teilerfolg für die Aufklärung schien die Untersuchungsabsicht des bekannten Schweizer
    Prof. für Strafrecht, M. Pieth, gewesen zu sein, dessen Arbeit allerdings von der FIFA selbst bezahlt wird……
    Der Professor wollte lieber Empfehlungen für die Zukunft als FIFA-Transparenzbeauftragter geben, als in der unappetitlichen Vergangenheit zu stöbern. Eine zweigeteilte Ethikkommission soll her und wird schon als enormer Fortschritt gefeiert. Eine Seite mit verbandsinternen Ermittlern soll Verfehlungen feststellen, während der andere Teil die Strafen festlegt…..Dazu sei ein Vergleich zum Straßenverkehr gestattet:
    Ein Verkehrssünder wird von einem Streifenpaar angehalten. Der eine Beamte sagt, was dieser falsch machte, während der andere Polizist den Strafzettel ausfüllt. Wo ist denn dabei der Fortschritt zu erkennen?

    Nun vergehen wieder Wochen bis zur nächsten Tagung im Mai in Budapest. Und so wird es immer weitergehen. Unser amtsmüde gewordener Ex-Präsident T. Zwanziger scheint als Gruppenleiter mit seinen vielen eingebrachten Regeländerungsvorschlägen auch nicht gerade bei den Herren gut angekommen zu sein, sodass ein vorzeitiges Aufgeben dieses internationalen Ehrenamtes noch vor 2015 bald Wirklichkeit werden könnte.

    Eingangs wurde von mir erwähnt, bei diesem Thema besonders angekratzt zu sein. Der immer wieder im Volksmund gehörte Satz: “die Kleinen hält man fest, die Großen lässt man laufen“, stimmt wirklich! Beispiel gefällig?
    Als Inhaber einer Handelsagentur teilte ich vor genau zwei Jahren (!) einem Kunden Veränderungen bei einem Hersteller, verbunden mit einem Sonderangebot und Ostergrüßen per Fax (eine Seite) mit. Bereits unmittelbar danach rief mich ein Rechtsanwalt aus einer ganz anderen Stadt an, der, zusammen mit seinem Mandanten, sein Geld auf eine scheinbar einfachere Art verdienen wollte. Die Angelegenheit schien geklärt, doch in den nächsten Tagen werde ich mich als Beklagter „für diese Tat“ bereits zum zweiten Male dafür vor Gericht wehren müssen, wie schon gesagt, nach zwei Jahren!

    Vielleicht kann man nun besonders verstehen, weshalb auch ich neben den vielen Journalisten und normalen Menschen erst die Aufklärung dieser zurückliegenden fürchterlichen Vorgänge in der Führungsetage dieser FIFA erwarte, die auch neuerdings Politiker des Europarates beschäftigen, ehe weiter nach vorn geschaut und die Sanierung des morschen Hauses der skandalumwitternden Organisation Blatters fortgesetzt wird.

    Ein Betrug im Sport ist endlich als Straftat zu deklarieren

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