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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Eiskalte Verweigerung

Erik Meyer | Mittwoch, 25. April 2012 9 Kommentare

Die Presse ist nicht besonders begeistert vom Finaleinzug eiskalter Engländer und wirft einen Blick auf Akteure des heutigen CL-Halbfinales.

Peter B. Birrer (NZZ) zieht resigniert Bilanz: „Es sollte für Barça nicht sein, nicht für Messi, dem für seine Verhältnisse viel misslang – und nicht für die Schönheit des Fussballs. Die Engländer räumten eiskalt ab – wie Inter Mailand, das 2010 Barcelona ultradefensiv aus dem Tritt gebracht hatte. Die Mailänder, damals vom Trainer Mourinho geprägt, haben Nachahmer gefunden.“

Auch Markus Lotter (FR) moniert das destruktive Spiel des Siegers: „Wer es gut mit dem FC Chelsea meint, sagt: verdient, weil unfassbar aufopferungsvoll. Wer es nicht so gut meint, sagt: die Londoner haben nach diesem Abend der Verweigerung nie und nimmer den Einzug in das Finale der Champions League verdient.“

Den naheliegenden Vergleich zieht nicht nur Jan Reschke (SpOn): „Es hatte etwas von einer Handball-Partie: Barcelonas Team ließ den Ball um den Strafraum der Gäste zirkulieren, auf die kleinste Lücke lauernd, um einen gefährlichen Ball zu spielen. Chelsea verteidigte mit allem, was laufen konnte.“

Florian Haupt (Welt Online) erkennt aber eine „Tragik der Sieger“, zum Beispiel bei dem nun wegen einer Tätlichkeit gesperrten John Terry: „Seit zehn Jahren wartet sein Verein Chelsea auf den Champions-League-Sieg. 2008 war es kurz davor, es fehlte nur noch ein verwandelter Elfmeter, aber Terry rutschte weg und schoss an den Pfosten. Diesmal muss er nicht mal spielen, um der Pechvogel des Finals zu sein.“

Im Hinblick auf die Ermittlung des Finalgegners von Chelsea fragt Andreas Burkert (SZ) nach Rolle und Form eines Spielers des FCB: „Schweinsteigers Wehrhaftigkeit im defensiven Mittelfeld werden die Bayern benötigen, wenn sie gegen Real ins Finale einziehen möchten. Es wird spannend sein zu sehen, ob er seinen robust-konstruktiven Beitrag derzeit leisten kann.“

Bereits am Sonntag brach Christian Eichler (FAZ) mit Blick auf Real Madrid ein Lanze für das „ungeliebte Genie“ Cristiano Ronaldo: „Man kann ins Schwärmen geraten über diesen Spieler. Viele geraten lieber ins Schmähen. Weil sie ihn nicht an der Brillanz am Ball messen, sondern am Brillanten im Ohr und der Brillantine im Haar.“

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Kommentare

9 Kommentare zu “Eiskalte Verweigerung”

  1. Dirk
    Mittwoch, 25. April 2012 um 10:37

    Unabhängig von der Frage, ob Chelseas Sieg wegen der super-defensiven Ausrichtung verdient ist, sehe ich es wie zonalmarking.net:

    „…the Champions League semi-finals consistently produce the most intriguing, unpredictable games in modern football, and its most memorable moments.“

  2. Daniel
    Mittwoch, 25. April 2012 um 11:06

    Ich kann das ganze Gejammer wegen angeblich unverdienter Siege nicht mehr hören. Die Fans des schönen Spiels mögen es bedauern, dass eine spielstarke Truppe wie Barcelona an einer Londoner 11(später 10)-Mann-Mauer zerschellt ist. Man mag es vielleicht als unglücklich empfinden. Aber wenn es Barcelona trotz massiver Feldüberlegenheit nicht schafft, in zwei Spielen ein Tor mehr als Chelsea zu erzielen, dann ist Chelsea absolut verdient ins Finale eingezogen. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Barcelona mit ihrem erdrückenden Kurzpassspiel den Gegnern nur diese eine Chance lässt, sie zu besiegen: mit massivem Mauern und blitzschnellen Kontern.

  3. Zizous Erbe
    Mittwoch, 25. April 2012 um 15:11

    Das ist Fußball!

    In 99 Prozent aller Spiele verdient der Gewinner den Sieg, das eine Prozent sind gravierende Schiedsrichterfehlentscheidungen.
    Barca hatte sogar Glück, der gegebene Elfer war keiner.

    Der englische Live-Kommentar hat die Misere Barcas auf den Punkt gebracht: „Barcelona have no Plan B.“ Keine kopfballsatrken Spieler, kein Mut zu Weitschüssen, das Beharren auf den immer gleichen Ablauf. Da hat also mal eine Mannschaft ein Mittel gegen den Tiki-Taka-Kreisel gefunden und wird dafür als Fußballverweigerer diffamiert.

    Barca hatte mit Ibrahimovic einen Plan B ausprobiert. Hat aus persönlichen Gründen nicht funktioniert. Aber warum haben sie niemanden mit ähnlicher Spielweise nachverpflichtet? Warum keinen Llorente, Falcao, Goalmez, Klinsmann oder wen auch immer? Das bleibt das Geheimnis der guten, aber alten Barca-Schule.

  4. stoked
    Mittwoch, 25. April 2012 um 17:44

    Im Fußball kann das Glücksmoment eine entscheidenede Rolle spielen. Bei allem Kampf und Taktik seitens Chelsea – sie hatten einfach ein wenig Glück. 4 x Aluminium, verschossener Elfer, Abseitstor. Fällt nur eines davon, reden alle über eine Galavorstellung seitens Barca.
    Bei einem italienisch/schweizer Trainer war eine 6er Abwehrkette mit 10 Mann nach 45 Minuten durchaus erwartbar. Die weiteren Gründe für das Auscheiden hat Zizou schön erwähnt.

  5. Matze
    Donnerstag, 26. April 2012 um 00:02

    Kein Plan b? Sorry, Zizou, aber da muss man schon richtig hinsehen. Nach 60 Minuten stellte Barca um auf Plan B, das Spiel wurde extrem über die neuen Außenstürmer Alves und Tello forciert. Vergeblich. Nach zirka 70 Minuten trat sogar Plan C in Kraft. Messi ließ sich in das Mittelfeld, bis 30 Meter vor Chelseas Tor zurückfallen, um von dort Raum zum Rollen zu haben. Klappte auch sehr gut, nur stand einmal er Pfosten im Weg, ansosten irgendwelche Beine der Engländer im Strafraum.

  6. Nixwisser
    Donnerstag, 26. April 2012 um 11:56

    In der Ausführung ist das bei Barca immer Plan a2 oder a3. Auch wenn sie 5 Minuten vor Schluß noch einen Treffer erzielen müssen, spielen sie im Prinzip gnadenlos ihren Stiefel runter. Da geht kein Ruck durchs Team, da fehlt mir der bedingungslose Wille. Sie weigern sich, in der letzten Minute mal die Brechstange auszupacken. Das ist konsequent, das hat Stil, sie bleiben ihrer Philosophie treu. Das stimmt. Sie sind festgefahren und blutleer. Das stimmt auch.

    Barca war eigentlich schon weiter. Sie haben ihre Chance nicht genutzt. Glück? Das gibt’s nur in der Liebe.

    Nixwisser

  7. Hannes
    Donnerstag, 26. April 2012 um 11:59

    Also sorry, ich finde das Spiel von Barca alles andere als schön anzusehen. Ja sicher, sie können den Ball schön flach hin und her schieben. Super. Das machen sie dann 30 Minuten lang, bis der Gegner in ein Koma gefallen ist und dann schlagen sie zu.

    Da gefällt mir ein zielstrebig vorgetragener Angriff, wie ihn z.B. Hannover oder Dortmund oder eben auch Chelsea praktizieren doch sehr viel besser.

    Chelsea hat für seine Tore drei oder vier Ballkontakte und zwei oder drei Pässe gebraucht. Sowas ist schnell, effektiv und allemal spannender anzusehen als die Einlulltaktik von Barca.

  8. Manfred
    Donnerstag, 26. April 2012 um 12:54

    Vielleicht mal was von kompetenter Seite dazu:
    http://spielverlagerung.de/2012/04/25/fc-barcelona-chelsea-f-c-22/

    Die beiden Kommentare zu dem Spiel sind auch sehr interesaant.

  9. Matze
    Donnerstag, 26. April 2012 um 18:27

    Sehr schön zu lesen und auch sehr schön auf den Punkt gebracht, finde ich:

    http://www.fr-online.de/sport/champions-league-wie-der-fc-chelsea-den-fc-barcelona-entzauberte,1472784,14991708.html

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