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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Blockupy Bundesliga

Erik Meyer | Mittwoch, 16. Mai 2012 13 Kommentare

Vorgestern Karlsruhe, gestern Düsseldorf: Während man im Frankfurter Bankenviertel erst heute Blockaden befürchtet, boten die Relegationsrückspiele ein bizzares Bild.

Ulrich Exner (Die Welt) fordert „So darf niemand aufsteigen“: „Lustige Fernsehspots zu Integration und Eierkuchen ziehen nicht, wenn die Realität so aussieht wie in Düsseldorf oder tags zuvor in Karlsruhe. Wichtig, hat Fußballtrainer Alfred Preißler der Nachwelt hinterlassen, ist auf dem Platz. Und auf dem Platz war diesmal das Allerletzte.“ Die Geschehnisse verlangen nach Ansicht des Autors nach drastischen Konsequenzen „Wenn der DFB erneut irgendeine Alibi-Entscheidung Marke Geldstrafe trifft, hat er seine moralische Reputation auf Jahre verspielt.“

„Köln, Frankfurt, Dresden, jetzt Düsseldorf und Karlsruhe. Kann es sein, dass der Fußballbetrieb auf den Rand des Vulkans zutanzt?“ fragt Thomas Kistner (SZ) und weist ebenfalls auf Widersprüche der Fußballwelt hin: „Denkwürdig ist es ja schon, wie ein Land über Jahre hinweg eine Welle reitet, die als ‚Sommermärchen‘ begann. Fußball ist trendig, Fußball ist hip. Nirgendwo auf der Welt sind die Stadien voller, und dass die Bundeskanzlerin gern mal im Nassbereich halbnackte Helden der Nation aufsucht, ist so selbstverständlich wie der fünfzigprozentige Einnahmezuwachs aus der Fernsehvermarktung der nächsten Jahre.“

Dirk Gieselmann (11freunde) versucht sich an einer soziologischen Deutung des Geschehens, das er als „Schwarmdummheit“ charakterisiert: „Was sich ein Einzelner niemals getraut hätte, wurde möglich, weil er sich der Masse hingab: dort zu sein, wo er nicht sein durfte. Der Fan, der den Elfmeterpunkt ausgrub und ihn mitnahm wie eine Trophäe, hielt sich ganz offenbar für den Größten. Am Morgen danach, wenn er als Einzelner wieder erwacht ist, wird er sich mit einiger Wahrscheinlichkeit schämen.“

Dabei war Fortunas Trainer auch „Gegen die Schatten seiner Vergangenheit“ angetreten. Richard Leipold (FAZ) erinnerte in der Vorberichterstattung noch einmal an dessen Kopfstoß gegen Albert Streit: „Meier war immer das gewesen, was man sich unter einem korrekten Sportsmann vorstellt, geradlinig, mitunter ein wenig spröde, aber immer auf dem Boden des Fairplay verankert – bis zum Nikolaustag des Jahres 2005. Meier verpasste dem damaligen Kölner Mittelfeldspieler einen Kopfstoß und ließ sich dann so theatralisch fallen, dass zunächst der Eindruck entstand, er wäre selbst das Opfer gewesen.“

Nach den Verantwortlichen für Herthas sportlichen Abstieg fragt Michael Jahn (Berliner Zeitung): „Die Hauptschuld am Niedergang haben diejenigen, die die Geschäfte führen. Michael Preetz hat drei Cheftrainer verschlissen und auf Beratung von außen (ehemalige Profis, Mentaltrainer oder Kommunikations-Experten) verzichtet. Mannschaft, Trainer und Manager verschanzten sich stattdessen wochenlang in einer Wagenburg, schotteten sich von Fans und Medien ab.“ Dagegen empfiehlt Jahn: „Egal, wer künftig bei Hertha BSC in der Verantwortung stehen wird –die jetzigen Protagonisten oder auch andere Persönlichkeiten – sie müssen neue, innovative Wege suchen, sich externe Berater ins Haus holen, um Hertha als feste Größe in der Bundesliga zu positionieren.“

Der Tagesspiegel nutzt das Format des Tickers zur Berichterstattung: Gestern dokumentierte er so, „wie die Anhänger in der Berliner Kneipe ‚Herthaner‘ mit ihrer Mannschaft mitfieberten“, heute begleitet er den „Tag nach dem Skandalspiel“ mit aktuellen Meldungen.

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Kommentare

13 Kommentare zu “Blockupy Bundesliga”

  1. Erik Meyer
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 10:10

    Gerade erst gesehen, aber lesens- und sehenswert: Der Kommentar von Spielverlagerung-Autor Tobias Escher: http://spielverlagerung.de/2012/05/16/wer-wind-sat-wird-sturm-ernten/

  2. woki
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 10:45

    es kann, bei aller Traurigkeit für den Fußball

    leider nicht nur auf Deutschland , als „soziales Problem“ begrenzt werden .

    Das ist anscheinend in anderen ,zumind. ,eurpäischen Ländern u.auch Türkei,
    der ganz „normale“ -Wahnsinn- inzwischen ! ?

    Leider , und da muß man mit harten StadionVerboten gegen vorgehen. Nichte weicheiermäßiges kann hier noch geltn !

    GlückAuf

  3. Manfred
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 11:25

    Achje, Herr Leipold: Norbert Meiers Schatten der Vergangenheit ist ja vor allem deshalb noch so präsent, weil es solche dahergelaufenen Berufsschwänzer gibt, die diesen alten Scheiß immer und immer wieder hervorholen, aufwärmen und dann in belanglosen Artikeln verwursten.
    Grad so bekloppt wie dieser Hertha-Anwalt, der sich allen erstes nicht zu behaupten entblödet, die Spieler der Hertha hätten unter Todesangst gestanden.
    Das Spiel nicht gesehen, aber große Fresse, wie originell.
    Die mutmaßlichen Mör- nee, Fortuna-Platzstürmer haben sich nicht im geringsten für die gegnerischen Spieler interessiert, was man problemlos hätte feststellen können, wenn man die Szene wenigstens einmal gesehen hätte.

    Sicher meinte er Angst vor den eigenen Bengalo- und Pyrotechnikern aka Fans. Muß ja.

  4. Edgar
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 11:42

    Ganz freundliche Anmerkung: Bitte nicht mehr die Berliner Zeitung mit BZ abkürzen. Das ist ein ganz anderes Blatt, dass selbst manche Bild-Leser nur mit spitzen Fingern anfassen.

  5. Erik Meyer
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 11:50

    @ Edgar Danke für den Hinweis, ich berichtige das oben und hoffe, es bleibt auf dem Schirm…

  6. Erik Meyer
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 11:54

    Im FAZ-Blog „Eins gegen Eins“ plädiert Peter Körte für eine Neuansetzung des Spiels auf neutralem Boden: http://faz-community.faz.net/blogs/einsgegeneins/archive/2012/05/16/fortuna-vs-hertha-es-muss-wiederholt-werden.aspx

  7. Matthias Nedoklan
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 12:14

    Eine Neuansetzung ist lächerlich. Was soll den neu gespielt werden? Die 2 Minuten Nachspielzeit die effektiv verloren gegangen sind?

    Es gibt zwei Möglichkeiten: Sieg am grünen Tisch für Hertha, weil das Spiel eben unter irregulären Bedingungen stattfan. Oder aber man bestraft die Fortuna hart (Geldstrafe, Punktabzug, Geisterspiele) und lässt das sportliche Ergebnis stehen.

    Eines ist absolut nicht nachvollziehbar: Dass der Platzsturm mit Gewalt gleich gesetzt wird. Die Düsseldorfer Fans waren absolut friedlich, kein Hertha-Spieler ist angegriffen worden und auch die Fortunen haben nicht viel mehr verloren, als Trikots, Schuhe, Stutzen, Hosen und ähnliches. Auch sind die Fans recht friedlich wieder vom Platz abgezogen, als sie realisiert haben, dass das Spiel noch gar nicht vorbei war.

    Was die Sicherheitsbedenken angeht: Nach Katastrophen wie Hillsborough fand ein Umdenken – berechtigterweise – statt. Hohe Zäune waren eine größere Gefahr für Leib und Leben als die Möglichkeit auf den Platz zu gelangen. Meiner Meinung nach ist das auch immer noch so. Ein Platzsturm ist also in einem Stadion von 50.000 Zuschauern nicht zu verhindern, die Ordner sind zwangsläufig in der Unterzahl und die Wege in den Innenraum müssen – aus Brand- und Fluchtschutzgründen frei sein.

  8. Daniel
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 13:26

    Ich bin etwas zwiegespalten ob der Ereignisse, aber ich bin, denke ich, auch für ein neutrales Wiederholungsspiel. Zwar drängt sich dann ein wenig der Eindruck auf, man müsse ein Spiel nur sabotieren, wenns schlecht für die eigene Mannschaft läuft (siehe Teile des Hertha-Anhangs), und schon bekommt man eine zweite Chance. Andererseits fanden die letzten Minuten des Spiels unter eindeutig irregulären Bedingungen statt und ich bin mir nicht sicher, ob der Düsseldorfer Anhang wirklich friedlich geblieben wäre, wenn Hertha doch irgendwie noch ein 3:“ hinbekommen hätte. Dann hätten die Spieler direkt mit nur ein paar dutzend Ordnern und Polizisten vor sich einem wütenden und frustrierten Anhang der Fortuna gegenübergestanden. Hmm.

  9. Daniel
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 13:35

    Sorry, sollte 3:2 heißen.

    Ich hielte es außerdem für sinnvoll, die – meiner Meinung nach von vornherein überflüssigen – Relegationsspiele wieder abzuschaffen. Die dienen doch mit ihrer dramatischen Zuspitzung nur dem Steigern des Unterhaltungswerts des Produktes Fußball, zum Zwecke der Gewinnmaximierung. Und sportlich entwertet es die ganze Saison der betroffenen Mannschaften.

  10. Manfred
    Mittwoch, 16. Mai 2012 um 15:01

    Was wird da entwertet, Daniel?
    Ich mag die Relegation auch nicht und schon gar nicht diesen Quatsch, der woanders abgeht (England, Niderlande, um 2 beispiele zu nennen), aber wenn ich vor der Saison weiß, dass es eine Relegation gibt, ist das erstmal ein Fakt, mit dem sich dann die Mannschaften auf den entsprechenden Plätzen arrangieren müssen.

  11. augelibero
    Donnerstag, 17. Mai 2012 um 19:38

    Die Sache ist doch ganz einfach: Würden der unfähige Verband und die ängstlichen Vereine privatrechtlich gegen Randalierer vorgehen und diese (notfalls gerichtlich) zu Schadensersatz heranziehen, gäbe es bald keine Probleme mehr. In einer Zeit, da jeder überall gefilmt und übers Internet bis ins letzte Detail findbar ist, kann niemand mehr mit der Beweislage argumentieren. Wenn Fußball, Polizei und Gerichte wollen, ist das ganz einfach.
    Und wenn nicht: Dann bleibt es so wie heute. Also bitte nicht mehr scheinheilig rumeiern!

    Die jetzige Debatte ist lächerlich! Man stelle sich vor, da fackelt jemand in der Semper-Oper herum? Oder haut in einem Restaurant alles kurz und klein? Oder jemand verwüstet ein Museum? Was würde da passieren?

    Würden Poltiker fordern, in der Semper-Oper entsprechende Schutzzäune einrichten und namentliche Tickets auszugeben (mit polizeilichem Füphrungszeugnis)? Würden Restaurant und Museum auf Schadensersatz verzichten? Würde in allen drei Fälle ein Hausverbot das höchste Strafmaß sein?

    Als wäre der Fußball ein rechtsfreier Raum, so tun die Fußballsachverstandtotalverweigerer in den Redaktionen und von staatlicher Seite. Sie labern über Stadionverbote, personalisierte Tickets oder die Abschaffung von Relegationsspielen.
    Oh je…

  12. Pumukel
    Donnerstag, 17. Mai 2012 um 23:45

    Eine andere wichtige Sache ist, dass die Stadionuhr ab der 90. Minute abgeschaltet wird – wohl, um den Schiedsrichter vor Diskussionen zu schützen. Man sieht dass diese Maßnahme äußerst fragwürdig ist, schließlich kann nur größere Transparenz zur Ruhe unter den Fans führen.

  13. Fußballtrikots
    Donnerstag, 6. Juni 2013 um 08:03

    Baptistao seals Atletico move

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