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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Experte oder Sprücheklopfer?

Matthias Nedoklan | Dienstag, 16. Oktober 2012 2 Kommentare

Peter Neururer – ein Mann, ein Mythos eine Legende. Zumindest im Ruhrgebiet. Nach drei Jahren der Arbeitslosigkeit als Trainer, zahllosen Doppelpass- und Stammtisch-Runden und einem Herzinfarkt erinnert sich Peter Neururer, in An- und Abführung, wehmütig an seine Zeit in der Bundesliga. Herausgekommen sind die Memoiren eines echten Charakters.

So richtig Tiefgang hat das Buch nicht. Leider gefallen sich Neururer und Autor Thomas Lötz im Klischee des simplen Sprücheklopfers und Feuerwehrmanns. Kein Wort zu Trainingslehre oder Fußballphilosophie. Dabei hat Peter Neururer studiert, seine Abschlussarbeit zum Thema “Einflussnahme der Zuschauer auf die Emotionslage der Profis” verfasst. Er gehörte zu den Pionieren der statistischen Analyse von Spielerleistungen. Ein Mann, der durchaus Ahnung von Fußball hat, aber immer wieder in die Rolle des populistischen Zampanos tritt.

“Ich habe früher auch die großen Philosophen gelesen. Doch dann habe ich gemerkt, dass die von meinem normalen Denken absolut abweichen. Jetzt lese ich nur noch Fußballfachbücher”, hat Peter Neururer mal gesagt – und hält sich daran. Teil unbekannte, teils aufgewärmte Anekdoten aus seiner Zeit als Trainer beim 1. FC Saarbrücken (Wolfram Wuttke), die überraschende Entlassung beim FC Schalke 04 (Günter Eichberg), seine Zeit in Bochum (an der Geradelinigkeit gescheitert). Es fehlt eigentlich nur die Geschichte, wie sein Nachfolger bei Rot-Weiß Essen, Horst Franz, während Neururers Abschied von der Mannschaft brüllte: “Der König ist tot, es lebe der König” und “Na, junger Freund, machst du das eigentlich hauptberuflich?”

Sinn für Selbstironie

Es ist ein launiges Buch für Neururer-Fans. Witzig, einfach, locker. Und kurz, wie seine Amtszeiten als Trainer. Angereichert mit einigen Bildern mit Fremdschämfaktor. Das beweist im schlimmsten Fall, dass Neururer nicht mehr bei Sinnen ist, im besten Fall eine herrliche Selbstironie. Empfehlenswert ist Bild 1 (in der Umkleide der SpVg. Marl), Centerfold 6 (lasziver Neururer im VW Käfer), Bild 8 (ohne Worte) und Bild 13 (noch weniger Worte). Alleine dafür lohnt sich vielleicht nicht der Kauf, wohl aber das Blättern im Buchladen.

Das Neururer bis heute den Ruf hat, gerne und schnell eine Abfindung zu kassieren und dann zu gehen, lässt sich durch die Lektüre sicherlich nicht widerlegen. Und im heutigen Fußballgeschäft klingt es eher wie Verzweifelung, wenn er verkündet: “Wenn ich in der Saison 2012/13 keinen Job als Cheftrainer bekomme, dann ist Schluss.”

Lebendiger Udo Lattek

Ein tiefgreifendes Buch über Fußball zu schreiben, über Taktik, Einstellung, Philosophie wäre deutlich schwieriger gewesen. Das hätte selbst Lästerer verdutzt und beeindrucken können, zugetraut hätten es ihm nur wenige. Leider gehört er selbst dazu und gefällt sich in der Rolle als lebendiger Udo Lattek. Aber auch der hatte seine Fans. Und Neururer liefert den seinen ein Buch von ihrem Peter. Und lässt die anderen verzweifelt den Diplom-Sportlehrer vermissen.

Peter Neururer: Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers, Delius Klasing, 188 Seiten

Kommentare

2 Kommentare zu “Experte oder Sprücheklopfer?”

  1. HUKL
    Dienstag, 16. Oktober 2012 um 14:02

    Peter Neururer ist beides, Sprücheklopfer , aber auch Experte!

    Ohne sein Buch gelesen zu haben und auch nicht zu wollen, weil darin – wie bei den anderen dieser Art – mehr fremde „Hilfsautoren“ versteckt die Richtung angeben, muss eines festgehalten werden:
    Diese wohl auch etwas umstrittene Person trägt beide Merkmale in sich.

    Was gerade auch für die Macher von verschiedenen Fernsehsendungenn wichtig ist, das ist seine immer wieder feststellbare Beliebtheit bei seinen vielen Fan, trotz mancher Bemerkungen, die etwas in das Abseits geraten.

    Eines ist mir besonders in Erinnerung:
    In der Vergangenheit hat der „Hobby- Motorradfahrer“ mit starken Motoren und weiten Ausflugszielen als angestellter Trainer (egal, gerade wo) immer öffentlich zu seinen Kollegen gehalten, wenn diese in anderen Vereinen „Schwierigkeiten“ bekamen.Besonders denke ich dabei an seine Unterstützung für „Ede“ Geyer vor einigen Jahren.

    Es ist einfach ein cooler Typ!

  2. Frosch
    Donnerstag, 18. Oktober 2012 um 21:09

    Ich finde es toll, dass Ihr hier in letzter Zeit regelmäßig Fußballbücher besprecht – auch wenn es vermutlich von den Büchern einige eher nicht bräuchte.

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