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Bundesliga

Wolfsburg trennt sich von Felix Magath – Abschied vom letzten Diktator

Kai Butterweck | Freitag, 26. Oktober 2012 2 Kommentare

Die Presse beschäftigt sich intensiv mit der Entlassung von Wolfsburg-Coach Felix Magath

Christian Paul (Spiegel Online) verabschiedet den Wolfsburger Meistermacher von 2009: „Magath ist sein sicheres Händchen abhandengekommen. Er hatte in seiner zweiten Amtszeit in Wolfsburg lange vom Titel 2009 zehren können. All die neuen Spieler, all die Verkäufe, das Aufstellen, Umstellen und oft auch Wegstellen von Profis, das hatte ja damals auch geklappt. Seit Monaten klappt es nicht mehr. Das System Magath, es ist am Ende.“

Als würde Eintracht Frankfurt Christoph Daum verpflichten

Christof Kneer (SZ) zweifelt an einer Rückkehr von Felix Magath: „Unter Spielern ist es inzwischen guter Brauch, sich gegenseitig Magath-Geschichten zu erzählen, so wie man sich in den Achtzigern die neuesten Häschen-Witze erzählte. Und die, die es überstanden haben, können auch darüber lachen. Magath hatte eine große Zeit in der Liga, er brachte wuchtige Teams mit großer Angriffslust an den Start, aber dass ihn sich in der Bundesliga künftig noch jemand leisten möchte, ist schwer vorstellbar. Das wäre gerade so, als würde Eintracht Frankfurt im Abstiegskampf Christoph Daum verpflichten.“

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Peter Hess (FAZ) sieht das ähnlich: „Magaths Arbeitsprinzip beruht auf den Eckpfeilern Druck und Härte. Er betont seine Distanz zu den Profis, Emotionen würden nur die Analyse verwässern. In Wolfsburg ging das schief, was nicht unbedingt bedeutet, dass Magath ein schlechter Trainer ist. Immerhin bewahrte er den VfL im ersten Vierteljahr seiner Tätigkeit vor dem Abstieg. Aber ganz sicher war er auf Dauer nicht der richtige Trainer. Denn seine Arbeitsweise war nicht dazu angetan, die spielerische Substanz seiner Spieler in den Matches zum Vorschein zu bringen. Und es stellt sich die Frage angesichts der veränderten Persönlichkeitsstrukturen der Fußballprofis, ob es noch viele Teams gibt, zu denen Magath eine längere Zeit lang passt.“

Von gestern war dieser Magath definitiv nie

Tim Jürgens (11Freunde) hat hingegen eine Träne im Knopfloch: „Sein Sarkasmus trug fast mephistophelische Züge. Sein Spruch „Das Schlechteste am heutigen Spiel ist, dass ich nichts zu meckern habe“ ist nur einer von vielen Beweisen dafür, wie sehr Magath mit seinem Medienbild kokettierte. Und mit Ironie ist es in diesem Land bekanntlich immer so eine Sache. Seine Masche, die Worte und Gedankengänge lang wie Kaugummi zu ziehen, dieses irrsinnige Rühren in der Teetasse, um dann doch mit einer Pointe auszusteigen, war nicht jedermanns Sache, aber dennoch von grandiosem Unterhaltungswert. Und wie lautet das erste Gebot des modernen Fußballs? Du sollst nicht langweilen.Richtig! Von gestern war dieser Magath definitiv nie.“

Unter der Woche äußerte sich Bayern-Präsident Uli Hoeneß kritisch über Felix Magaths Amtszeit in München. Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) hat kein Verständnis dafür: „Hoeneß hat wohl vergessen, dass er selbst es war, der Magath damals gerade wegen dessen unsensibler Arbeitsweise zum FC Bayern gelotst und ihn mit der Lizenz zum in den Hintern treten ausgestattet hatte. Die Wolfsburger täten gut daran, wenn sie sich Kritik an Magaths Methoden verkneifen würden. Wer Magath verpflichtet, weiß schließlich, was er bekommt.“

Robert Peters (RP Online) klärt alle „Überraschten“ auf: „Felix Magath hat nie begriffen, dass selbst im knüppelharten Wettbewerb des Profisports ganz gelegentlich mal ein menschliches Verhältnis aufgebaut werden muss. Magath hat Menschlichkeit mit unzulässiger Verhätschelung verwechselt. Sein Stil ist nicht nur überlebt, er hat nie langfristig funktionieren können.“

Es gleicht einem Offenbarungseid

Christian Otto (Tagesspiegel) schüttelt, angesichts der Einberufung von Amateur-Trainer Lorenz-Günther Köstner zum Interimscoach, fassungslos mit dem Kopf: „Der Versuch, mit Hilfe des bisherigen Wolfsburger Amateurtrainers Köstner einen sportlichen und zwischenmenschlichen Scherbenhaufen zusammenzukehren, gleicht einem Offenbarungseid. Seit mehr als drei Jahren suchen die VW-Entscheider und ihre sportive Tochter einen Weg, um den Erfolg dauerhaft nach Wolfsburg zu zwingen. Aber seit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2009 sind die Verantwortlichen von einer Fehlentscheidung zur nächsten geeilt.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Wolfsburg trennt sich von Felix Magath – Abschied vom letzten Diktator”

  1. Manfred
    Freitag, 26. Oktober 2012 um 13:45

    Ich bin zu faul, alle Artikel zu lesen, aber in keinem derer, die ich bisher las, wurde Seppo Eichkorn mit nur einem Wort erwähnt. Und das sagt mir, dass alle die Schreiberlinge, denen nicht aufgefallen ist, dass diese beiden miteinander all die Erfolge hatten, die vornehmlich Magath zugeschrieben worden sind, denn doch nicht diese große Ahnung vom Fußball haben.

  2. HUKL
    Montag, 29. Oktober 2012 um 12:40

    U.Hoeneß ist scheinbar überall !

    Es ist wirklich kurios. Die Herren Kommentatoren haben anteilig alle Recht, auch, wenn sie vergessen hatten, den früheren treuen Kollegen vom „Schleifer“ Magath, Seppo Eichkorn, zu nennen, der die gemeinsame, ständige Wanderschaft in Gelsenkirchen abbrach.

    Nun ist es passiert, was schon seit längerer Zeit dringend notwendig war. Ein bekannter, doch äußerst beliebter Übungsleiter aus dem eigenen Amateurbereich ist in der Autostadt Nachfolger des mit Mulifunktionen ausgestatteten „Methodik-Experten“ sowie Erfinder von „Kunsthügelläufen“ und „Sonder-Medizinbällen“ geworden. Dieser Köstner, der den Posten gerne länger ausüben würde, holte gleich mit seinem in einer gefühlten anderen Atmosphäre auftrumpfenden Team einen 4:1 Auswärtserfolg.

    P.Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) erwähnte dabei eine Person, die mit dieser Angelegenheit eigentlich nichts zutun hat, doch immer in den Medien präsent sein möchte: die Rede ist vom ehemaligen Würstchenverkäufer U.Hoeneß aus dem Süden.

    Ja, dieser Mann kann es scheinbar nicht lassen, wobei die bisherige derzeitig gute Lage seiner Jungs zumindest bis zum Anpfiff gegen Leverkusen dazu regelrecht einlud. Sein Ratschlag an den Wolfsburger Bundesliga Verein in der letzen Woche, den Wolfsburger Trainer zu entlassen, ging allerdings weit unter die berühmte Hutschnur des allgemeinen Anstandes. Er scheint dabei vergessen zu haben, dass dieser F. Magath tolle Erfolge in seinem eigenen Verein holte, von denen der Bayern-Präsident bereits im dritten Jahr nur träumen kann!

    Auf der anderen Seite hat doch längst jeder normale Sportanhänger mitbekommen, dass allein die Trainingsmethoden des früheren sehr erfolgreichen Bayern-Angestellten, Felix Magath sowie aktuellen Ergebnisse automatisch zu dieser Entscheidung regelrecht führen musste

    Die Wirtschaftbosse in der bekannten nördlichen Automobilstadt, die allerdings etwas mehr Ahnung von der Herstellung ihrer Fahrzeuge als die Führung und Kontrolle der Vorgänge in einem Profi-Sportverein zu haben scheinen, werden bestimmt auch ohne diese sehr wichtigen Empfehlungen des bei Niederlagen medienscheuen U.Hoeneß mit ihrer Ex-Meistertruppe noch die Kurve nach oben bekommen. Der Anfang nach dem erfüllten Wunsch aus Bayern ist mit dem schon von mir erwähnten grandiosen Erfolg in Düsseldorf bereits gemacht.

    Nach dem Schlusspfiff und der damit verbundenen Heimniederlage gegen die Leverkusener Werkself wird nun bestimmt wieder ein gewisser Herr Sammer, den U.H. ja selbst wünschte, erneut Gesprächsbedarf mit dem Freund des Präsidenten haben, der noch als Trainer vor seinem Ruhestand dort agiert.

    Nun wird sich dieser umsichtige „Empfehler“ wohl etwas eher wieder vordergründig um Ruhe in seinen eigenen Reihen kümmern müssen….. Da bin ich mir fast sicher.

    Ob der Wolfsburger Vorstandschef Winterkorn nach der nächsten Bayern- Niederlage diesem Verein auch vorschlägt, seinen dann „erfolglosen“ Trainer zu entlassen, bleibt abzuwarten, zumindest noch solange, bis er von dort den ehemaligen „erfolglosen“ Manager Nerlinger eingestellt hat, da dieser in München unter seiner Mitwirkung „nur“ mehrere zweite Plätze erreichte…….

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