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WM 2014

WM 2014 – Aller guten Dinge sind drei

Kai Butterweck | Montag, 30. Juni 2014 Kommentare deaktiviert für WM 2014 – Aller guten Dinge sind drei

Zwei Spiele, zwei Siege: Algeriens Bilanz gegen Deutschland ist makellos. Das soll sich nun ändern. Außerdem: Traurige Reserve-Gesichter, Schweizer Mutmacher, gruselige TV-Momente und eine durchatmende Präsidentin

Heute Abend spielt das Team von Jogi Löw gegen Algerien um den Einzug ins WM-Viertelfinale. Michael Horeni (FAS) blickt bereits weiter nach vorne: „Mit deutschen Vorhersagen ist es auch deshalb schwierig, weil der Maßstab nicht auf Viertel- oder Halbfinale zielt. Davon haben Spieler und Fans schon genug. Was zählt, ist das Endspiel. Sonst nichts. Eine vermessene Forderung, natürlich. Und unfair. An einer besseren Mannschaft kann man immer scheitern: Aber Algerien, mit Verlaub, ist eben kein besseres Team. Und, bei allem Respekt, Frankreich oder Nigeria, die dann im Viertelfinale warten, auch nicht. Es wird also bis zum Halbfinale darauf ankommen, dass die deutsche Elf zu ihrer Leistungsgrenze findet. Dann wird sie diese Hürden nehmen.“

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Algerien darf kein Hindernis darstellen

Philipp Selldorf (SZ) macht dem Bundestrainer Druck: „Weite Teile des Landes erwarten von Löw, dass er bei dieser WM mindestens den Titel liefert, Algerien darf dabei selbstredend kein Hindernis darstellen. Eine Niederlage in diesem Spiel würde ihm das Land nicht verzeihen, das weiß Löw, er hat ja gerade wieder am Beispiel des von ihm sehr geschätzten Kollegen Cesare Prandelli gesehen, wie schnell das Unheil über einen Trainer hereinbrechen kann, der eben noch zu den respektabelsten Persönlichkeiten des Kulturvolkes gezählt wurde.“

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Lars Wallrodt (Welt Online) hofft auf einen Einsatz von Bastian Schweinsteiger: „Die Rolle eines Spielers, an dem sich die anderen orientieren, wenn es schlecht läuft, hat er bisher zu selten übernehmen können, lautet die gefühlte Wahrheit. Doch damit könnte nun Schluss sein. Denn Schweinsteiger ist präsent wie nie. Er ist in einem Alter, in dem er sich auf dem Höhepunkt der körperlichen Fitness befindet. Seine Wehwehchen, mit denen er sich während der Saison quälte, sind ausgeheilt. Er hat die komplette Vorbereitung absolviert, strotzt vor Energie. Vor allem aber paart er die famose Körperlichkeit mit der Erfahrung aus 104 Länderspielen, aus zahllosen Duellen in der Champions League und aus dem Gewinn von sieben Meisterschaften und sieben Pokalsiegen.“

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Die wartenden Sieben würden den Titel trotzdem mitnehmen

Peter Ahrens und Rafael Buschmann (Spiegel Online) beschäftigen sich mit der deutschen Ersatzbank: „1990 wurde Deutschland Weltmeister, und der Bremer Günter Hermann wurde es mit ihm, ohne einen Einsatz bekommen zu haben. Er gilt bis heute als der klassische Typus des WM-Touristen, und bis heute ärgert es ihn. Da er damals auch nicht der einzige war: Stürmer Frank Mill, Verteidiger Pauil Steiner und die Ersatztorleute Raimond Aumann und Andreas Köpke spielten auch nicht, über sie hat aber kaum jemand geredet. Fünf Weltmeister, die keinen Einsatz hatten – das war bisher der Rekord aus DFB-Sicht. 2014 könnte er gebrochen werden. Die wartenden Sieben auf der deutschen Ersatzbank würden den Titel trotzdem mitnehmen.“

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) blickt in traurige Reserve-Gesichter: „Man kann sich schwer vorstellen, dass Löw für den jungen Christoph Kramer einen besonderen Auftrag vorgesehen hat. Der Gladbacher hat vor einem Jahr noch in der Zweiten Liga gespielt und verfügt über keinerlei internationale Erfahrung. In einem K.o.-Spiel einer Weltmeisterschaft wird der Bundestrainer ganz sicher nicht ausprobieren, ob Kramer auf diesem Niveau bestehen kann.

Benjamin Huggel (NZZ Online)verneigt sich vor den Algeriern: „Auf dem Fußballfeld muss man bereit sein, sich zu blamieren. Es geht nicht darum, cool und lässig zu wirken; es geht darum, alles zu versuchen – wie Kinder auf dem Pausenplatz, die sich noch nicht so viel Gedanken machen über Aussenwirkung. Man muss alles in die Waagschale werfen, so wie die Algerier am Donnerstag gegen Russland, die alles gaben, was sie haben, ihre Mittel halt einfach, aber davon: alle! In großen Spielen, die es viel zu selten gibt, muss man die Maske fallen lassen. Man darf sich keine Gedanken mehr machen darüber, wie man ankommt, wie man aussieht – wenn es auf dem Fußballplatz um alles geht, ist entschlossenes Handeln gefragt.“

Keine Harmonie

Gast-Autor Lucien Favre (Tagesspiegel) macht derweil seinen Schweizer Landsleuten Hoffnung: „Ein bisschen enttäuscht bin ich von den Argentiniern, von denen ja viele dachten, sie wären die stärkste südamerikanische Mannschaft. Das sind sie bisher ganz bestimmt nicht, trotz Lionel Messi und Angel dí María. Die einzelnen Mannschaftsteile harmonieren noch nicht miteinander, mit den drei Gegentoren in der Vorrunde waren die Argentinier ja noch ganz gut bedient. Deswegen traue ich meinen Schweizer Landsleuten im Achtelfinale durchaus eine Überraschung zu.“

Früher war alles genauso schlecht

Die bisherige Berichterstattung von ARD und ZDF stößt auf viel Kritik. Harald Staun (FAS) schaltet vor dem Fernseher in den Fremdschäm-Modus: „Wie unantastbar sich die übertragenden Sender fühlen, konnte man ganz gut im ARD-„WM-Club“ sehen, wo sich, wenn alle anderen damit fertig sind, Alexander Bommes noch einmal noch etwas unterirdischer über Fußball unterhält, mit Menschen wie Jan Delay oder Rolf Eden, oder wer sonst gerade nichts anderes vorhat. Es gab auch einen Beitrag, der es schaffte, sich gleichzeitig über die eigene Berichterstattung über Nebensächlichkeiten und über die Kritik daran lustig zu machen. Entkräftet wurde diese Kritik dann durch historische Aufnahmen von Addi Furler. Das also ist die Antwort der ARD auf Kritik: Früher war alles genauso schlecht. Es ist nicht immer leicht, sich diese Zeiten nicht zurückzuwünschen.“

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff stand vor der WM auf brüchigem Terrain. Dieser Tage huscht des Öfteren ein breites Grinsen über das Gesicht der Politikerin. Andreas Behn (taz) weiß warum: „Rousseff profitiert jetzt davon, dass vorher alles schiefzugehen schien. Die organisatorischen Mängel werden kaum noch wahrgenommen und eher als brasilianisches Improvisationstalent gelobt: Statt Fifa-Norm sei jetzt Brasil-Norm angesagt. Die befürchteten Proteste sind bislang ausgeblieben, teils wegen der Gewaltandrohung von oben wie von Autonomen, teils wegen der Unlust vieler, sich den Fußballspaß verderben zu lassen. Und die Präsidentin profitiert von der guten Stimmung im Land, ausgelöst von Zehntausenden gut gelaunten Besuchern und von Spielen, die an Spannung kaum zu überbieten sind.“

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