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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Außenbereich

Warum rollt der Ball öfter virtuell als auf dem richtigen Rasen?

Kai Butterweck | Donnerstag, 18. September 2014 1 Kommentar

Daheim zocken oder lieber selbst gegen die Pille treten? Unser Gastautor Timm Hendrich (netzsieger.de) nimmt sowohl das virtuelle als auch das leibhaftige Fußball-Erlebnis genauer unter die Lupe

Fußballfans haben häufig die Qual der Wahl. Von Freitag bis Sonntag ist 1. Bundesliga, montags die 2. Bundesliga, Dienstag und Mittwoch wird die Champions League verfolgt und Donnerstag die Europa League. So bekommt man die Woche während der Saison gut herum, ohne auf die tägliche Dosis Live-Fußball verzichten zu müssen. Ganz nebenbei gibt es auch noch den DFB-Pokal und den internationalen Fußball aus Frankreich, Italien, Spanien und England. Im Sommer steht zumindest in jedem zweiten Jahr EM- oder WM auf dem Programm. Zur Winterpause kann man englischen Fußball verfolgen oder sich auf den Afrika-Cup vorbereiten. Objektiv betrachtet ist die fußballlose Zeit im Jahr relativ kurz. Für Fans sind die wenigen Wochen bis zum Bundesligastart jedoch häufig eine Qual.

Fußball immer und überall

Genau diese Zeit lässt sich jedoch hervorragend mit virtuellen Fußballspielen überbücken. Die Auswahl ist nahezu unbegrenzt, neben den teuren topmodernen Vollpreistiteln wie FIFA oder PES gibt es unzählige Spiele, Apps oder Browsergames, die sich mit dem Thema Fußball beschäftigen. Egal ob Manager eines virtuellen Dorfvereins oder Stürmer im nahezu realen Champions League Finale auf PS4 oder XBOX One, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Der Fußballsport boomt weltweit, wie die letzte WM gezeigt hat.  Nach dem Titel dürfte vor allem in Deutschland das Interesse noch weiter steigen, kein Wunder also, dass auch die Anzahl der virtuellen Spiele immer weiter zunimmt. Die Faszination für die virtuellen Spiele lässt sich aber natürlich nicht nur durch die fußballlose Zeit erklären. Im Gegenteil, denn bei diesen Spielen kann man endlich einmal selbst aktiv eingreifen. Sitzt man sonst nur passiv vorm Fernseher und fachsimpelt darüber, warum die letzte Auswechslung wieder einmal falsch war, kann man im virtuellen Spiel endlich selbst Taktik, Ausrichtung und Auswechslungen des Vereins beeinflussen. Hat der Lieblingsverein in der Realität gerade gegen den Abstiegskandidaten verloren? Zumindest virtuell lässt sich diese Schmach beseitigen. Hat man den Gegner virtuell fünf zu null vom Platz gefegt, verspürt man zumindest ein klein wenig Genugtuung.  Auch Spiele „Mann gegen Mann“, „Verein gegen Verein“ mit dem besten Freund oder der Freundin lassen sich natürlich sehr gut virtuell inszenieren und fesseln einen häufig stundenlang vorm Bildschirm. Gute Spiele und Gründe gibt es also unzählige für ein virtuelles Fußballspielchen. Mag es mittlerweile sogar mehr virtuelle als echte Fußballspieler geben, eines können die digitalen Games leider nicht so gut erzeugen wie echte Fußballspiele – Emotionen.

Realität schlägt virtuelle Welten

Dies ist im Übrigen ganz unabhängig davon, ob man ein Spiel live verfolgt oder selbst aktiv gegen die Pille tritt. Hat man virtuell die Champions League gewonnen, wird vor der Tür kein Autokorso starten oder im Biergarten eine kollektive Jubelstimmung ausbrechen. Egal wie gut und realistisch die Games sind, die Realität wird immer besser sein. Ebenso verhält es sich selbstverständlich als aktiver Fußballer, egal ob Kreisklasse oder Oberliga, die Gefühle die nach Sieg oder gar nur geschossenem Tor aufkommen, sind ganz andere, als beim virtuellen Spiegelbild. Neben der menschlichen Interaktion, die beim realen Fußball im Gegensatz zum virtuellen Spiel unverzichtbar ist, fehlt in der virtuellen Welt auch der körperliche Aspekt der Anstrengung. Hier zittert und kämpft der echte Spieler häufig ebenso wie der Fan in Kurve oder am Bildschirm. Den Spieler ist dabei die Anstrengung am schweißdurchtränkten Trikot anzuerkennen, Anspannung und Aufregung der Fans kann man an der erhöhten Anzahl der Herzinfarkte bei wichtigen Spielen beobachten. Die Anspannung bzw. die körperliche Anstrengungen sind ein Katalysator für die Emotionen.

Echter Fußball unverzichtbar

Am Ende ist der virtuelle Fußball immer nur ein Abbild des realen Spieles, wenn kein Jugendlicher mehr aktiv gegen den Ball tritt, wird es mit Nationalmannschaft, Bundesliga und Faninteresse am Sport schnell vorbei sein. Der virtuelle Fußball ist vielmehr eine Ergänzung als eine Alternative. Wer beunruhigt über Kind, Freund oder Partner ist, weil dieser stundenlang online Fußballspiele spielt, sollte der Person vorm Bildschirm vielleicht einfach mal einen Ball schenken und mit ihm oder ihr eine Runde auf den Bolzplatz gehen, oder mal eine Eintrittskarte für den Lieblingsverein verschenken und am Wochenende ein Spiel live anschauen. Echte Fußballfreunde werden diese Angebote nicht ausschlagen, alle anderen zocken um des Zockens willen, könnten wahrscheinlich aber genauso gut  Shooter, Rollenspiel oder Rennsimulation  statt eines virtuellen Fußballspieles spielen.

Text: Timm Hendrich (netzsieger.de)

Kommentare

1 Kommentar zu “Warum rollt der Ball öfter virtuell als auf dem richtigen Rasen?”

  1. Van Kuchen
    Freitag, 7. November 2014 um 14:43

    Ja, der Fußball-“Sport“ boomt.
    Dabei wird häufig vergessen, daß es ja gar kein Sport ist, sich vor den Fernseher zu setzen, ein Bier und eine (wie gesunde(?)) Tüte Chips reinzuziehen, statt selber mit den Freunden hinter den Ball zu treten.
    Und leider wird die Krise mit der Weltmeisterschaft herrlich übertüncht.
    Die Krise des Mensch seins, der Menschlichkeit:
    Wie lange brauchen wir noch, bis wir die Welt zerstört haben? Die Atom-Bombe haben wir zwar schon, doch die soll nicht gezündet werden.
    Atomkraftwerke, tickende Bomben und Fracking machen da mehr „Hoffnung“ auf erfolgreiche Zerstörung unseres Heimatplaneten.
    Nur komisch, daß kaum jemand aufschreit und den Kahn rumreißt.
    Wir leben hier ja (noch) auf relativ hohem Niveau.
    Doch die Menschlichkeit (nicht Menschheit!) ist inzwischen schon fast Mangelware und kaum einer merkt’s.

    schade schade.

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