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Bundesliga

Lucien Favre gibt auf

Kai Butterweck | Montag, 21. September 2015 3 Kommentare

Gladbach im Schockzustand: Ein Tag nach der Derby-Niederlage gegen den 1. FC Köln schmeißt Trainer Lucien Favre das Handtuch. Die Presse schwankt zwischen Entsetzen und Verständnis

Lucien Favre ist nicht mehr Trainer von Borussia Mönchengladbach. Nach fünf Liga-Niederlagen in Serie erklärt der Schweizer seinen Rücktritt. Peter Ahrens (Spiegel Online) klärt auf: „Dieser Abgang ist ein typischer Favre. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach war immer im Letzten undurchschaubar, ein gerade in der öffentlichen Darstellung sperriger, erratischer Mensch. Was wirklich in ihm vorgeht, hat der Schweizer selten offenbart, da blieb er eine Art persönliche Black Box. Dass er seinen Abschied jetzt für viele überstürzt und offenbar gar gegen den Willen des Vereins verkündet hat, passt zu ihm. Um ein Lieblingswort des Trainers zu zitieren: Er war immer eine polyvalente Persönlichkeit.“

Der große Held der Gladbacher Neuzeit

Karsten Kellermann und Stefan Klüttermann (RP Online) ziehen ein letztes Mal ihre Hüte: „Favre war in Gladbach unantastbar. Bei den Wettanbietern saß zu Saisonbeginn niemand so sicher im Sattel wie er. Natürlich gibt es auch in Gladbach die, die ihm anlasten, er habe Luuk de Jong zum teuersten Fehleinkauf der Vereinshistorie werden lassen, weil er nicht bereit war, sein Spiel auf die Stärken des Holländers umzustellen. Es gibt die, die seine stete Mahnung zur Ruhe im Spiel als Ängstlichkeit kritisierten. Es gibt die, die ihm fehlende Empathie vorwarfen. Aber im Großen und Ganzen war der 57-Jährige bis Sonntagabend der große Held der Gladbacher Neuzeit.“

Claudio Catuogno und Ulrich Hartmann (SZ) sorgen sich um die nahe Zukunft: „Dass Favre, wie er selbst behauptet, mit seinem Rücktritt zum Wohle der Mannschaft und des Vereins entschieden habe, kann drei Tage vor dem nächsten Spiel und zu Beginn einer Phase mit vier Partien binnen zwei Wochen (auch beim Tabellennachbarn VfB Stuttgart) aber ausgeschlossen werden. Der Schweizer hat den Verein düpiert und schwer getroffen. Die Mannschaft wird das in den nächsten Spielen kaum verbergen können.“

Harald Pistorius (NOZ) hingegen verabschiedet Lucien Favre mit Applaus: „Favres Erklärung über seinen Rücktritt ist typisch für den Menschen Favre: So verabschiedet sich ein Vollprofi mit Herz, ein wahrer Meistertrainer. Er habe das Gefühl, nicht mehr der richtige Trainer für diese Situation zu sein und zieht die Konsequenzen. Wehmütig und herzlich sind die Worte, mit denen er sein Mönchengladbacher Kapitel schließt. Man darf ihm jedes Wort glauben.“

Solche Entscheidungen sollte man gemeinsam verbindlicher moderieren

Ralf Birkhan (derwesten.de) schüttelt den Kopf: „Lucien Favre wählte den Weg: Lieber eine Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Nicht die schlechteste Alternative, auch wenn in der Begleitmusik bereits schräge Akkorde angeschlagen werden. Sicherlich ist es nicht klug, seinen Klub mit dem Gang an die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen zu stellen. Solche Entscheidungen kann und sollte man gemeinsam verbindlicher moderieren.“

Florian Hagemann (HNA) reicht dem Coach die Hand: „Dass er nun seinen Platz räumt, ist seine letzte große Geste als Trainer dieser Mannschaft. Er hat erkannt, dass ihr nur ein neuer Impuls weiterhilft. Und der kann nur von außen kommen. Favres Ende ist radikaler als das von Jürgen Klopp in Dortmund. Dafür ist die Gladbacher Krise auch radikaler. Was Gladbach Hoffnung macht: Dortmund hat ein lange Zeit für unmöglich gehaltener Schnitt nicht geschadet.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Lucien Favre gibt auf”

  1. augelibero
    Montag, 21. September 2015 um 11:53

    Ich habe für Favres Rücktritt kein Verständnis. Ein Trainer, der mit allen Vollmachten ausgestattet, seinen Fußball durchsetzt, darf nicht einfach hinwerfen. Es ist fraglich, ob ein anderer Trainer mit diesem Personal erfolgreich arbeiten und Favres spezifische Spielidee einfach weiterführen kann. Denn der Neue wird bis zur Winterpause keine Zeit haben, etwas Entscheidendes zu machen oder probieren. Man mag menschlich Verständnis für Favre haben, sich dem drohenden Fiasko seiner misslungenen Saisonplanung zu entziehen.

    Denn es droht das gleiche wie einst in Berlin zu passieren: Ein von Favre in exzellenter Aufbauarbeit hochgezogener Verein stürzt nach ihm tief ab. Aber warum passiert das ausgerechnet nach dem größten Erfolg?
    Der Grund könnte sein, dass Favre seine Mannschaften ab einem gewissen Niveau, wo man Qualität profan mit Geld zukaufen muss, nicht mehr weiterbringen kann oder will. Deshalb wird er ein Held des ambitionierten Mittelmaßes bleiben – für Bayern & Co. hat er sich gestern unmöglich gemacht. Schade.

  2. Pumukel
    Samstag, 26. September 2015 um 15:05

    Gut, ja. Ich denke, dass seine Entscheidung auch in gewisser Weise einen Bruch mit der Vereinsführung darstellte, weil man es nicht geschafft hat, wichtige Leistungsträger endlich mal zu halten (und dem Trainer so die Arbeit etwas leichter zu machen).

  3. Van Kuchen
    Montag, 9. November 2015 um 22:36

    Menschlichkeit

    Rückblicken sieht es so aus, als ob Favre mit seinem Rücktritt zum Wohle der Mannschaft und des Vereins entschieden hat.

    Ich habe den Niedergang, einst in Berlin, so in Erinnerung: In der einen Saison Platz 4. In der nächsten läuft gar nichts mehr. Favre probiert vieles, doch nichts greift, er fliegt, Hertha steigt ab.

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