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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

WM 2006 – Ein gekauftes Sommermärchen?

Kai Butterweck | Montag, 19. Oktober 2015 1 Kommentar

Neun Jahre nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland legt sich ein dunkler Schatten über die stimmungsgeladenen Ereignisse vom Sommer 2006. Laut „Spiegel“ soll die WM gekauft worden sein. Noch ist allerdings nichts bewiesen. In der Presse schlagen die Vorwürfe hohe Wellen

Wurde das Sommermärchen „gekauft“? Flossen einst Millionenbeträge um die Weltmeisterschaft nach Deutschland zu holen? Johannes Aumüller, Hans Leyendecker und Klaus Ott (SZ) bringen den Hauptvorwurf auf den Tisch: „Angeblich, so der Spiegel, hat der Unternehmer Robert Louis-Dreyfus im Jahr 2000 umgerechnet 6,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit die Deutschen Stimmen für die WM kaufen konnten. Die Millionen soll er Jahre später zurückverlangt haben. Da eine solche Zahlung verständlicherweise nicht auf ordentlichem Weg möglich gewesen wäre, hätten Verantwortliche des DFB im Jahr 2005 exakt 6,7 Millionen Euro mit der Begründung „Beitrag Kultur-Programm Fifa“ auf ein Fifa-Konto in Genf überwiesen. Von dort sei das Geld auf ein Konto von Dreyfus in Zürich überwiesen worden.“

Das Bild hat Kratzer bekommen

Nach Ansicht von Christian Spiller (Zeit Online) werde die derzeitige „Krise“ nicht nur dem Ansehen des deutschen Fußballs schaden: „Die Vorwürfe rütteln am Image des neuen Deutschen. Die allseitige Bewunderung dafür, entspannt, erfolgreich und zugleich niemals korrupt zu sein, läuft ins Leere. Das Bild hat Kratzer bekommen. Erst VW und die Abgase, jetzt die WM. Autos und Fußball, die Klischees, ausgerechnet – wenn es nicht so traurig wäre, man müsste darüber lachen. Dass bei allen WM-Vergaben und auch in der Wirtschaft tüchtig gemogelt wird, macht es nicht besser. Über moralische Belehrungen von uns Deutschen wird in Zukunft aber vermutlich auch nur gelächelt werden. Wir sind eben keine Ausnahme. Eine schmerzliche, vielleicht aber auch befreiende Erkenntnis.“

Evi Simeoni (FAZ) reagiert fassungslos: „Nennen wir also die verdächtige Zahlung an die Fifa, die der DFB zugibt, in Höhe von 6,7 Millionen bis zum Beweis des Gegenteils wie der Verband selbst einen Beitrag zum „Kulturprogramm“. Allerdings handelt es sich um eine Kultur der Gier und Schamlosigkeit. Und dann gleich: 6,7 Millionen! Oder gar noch mehr. Was hätte man für Nachwuchsförderungs- und Integrationsprogramme damit finanzieren können. Oder einfach nur Bolzplätze in Ordnung bringen. Es tut wirklich weh.“

Peter Ahrens (Spiegel Online) wundert sich nicht: „Wenn mittlerweile fast alle WM-Vergaben der vergangenen 20 Jahre ins Gerede gekommen sind – warum sollte ausgerechnet die WM 2006 die große Ausnahme sein? Eine Insel im Meer der Korruption, das ist ein sehr schönes Bild. Aber auch das ist eben nur ein Sommermärchen.“

Wolfgang Niersbach hat sich unglaubwürdig gemacht

Sein Redaktionskollege Jürgen Dahlkamp (Spiegel Online) nimmt sich DFB-Chef Wolfgang Niersbach zur Brust: „Es geht bei einem Ehrenamt darum, dass man seinem Träger glaubt. Unglaubwürdigkeit im Ehrenamt ist Unwürdigkeit für das Ehrenamt. Wolfgang Niersbach hat sich unglaubwürdig gemacht, er ist ein Mann, der für die alten Mächte im Fußball steht, für jene Funktionärsclique, die die Glaubwürdigkeit der Fußball-Sportpolitik komplett ruiniert hat. Als Mann von gestern sollte Niersbach auch keine Zukunft an der Spitze des DFB haben. Wer so viel Zeit für gute Erklärungen braucht, sollte etwas tun, was ganz schnell geht: zurücktreten.“

Frank Nägele (ksta.de) sieht das ähnlich: „Manche Dinge will man einfach nicht so genau wissen. Jetzt liegen sie auf dem Tisch. Sollten sich die sehr konkreten Beschuldigungen bestätigen, stellte sich sofort die Frage nach Namen: Franz Beckenbauer, Lichtgestalt; Wolfgang Niersbach, DFB-Präsident. Sie haben die WM unter großem Applaus nach Deutschland geholt. Wenn sie es so taten, wie der „Spiegel“ berichtet, wären sie als Handelnde im Fußball erledigt.“

Dominik Bardow (Tagesspiegel) beschäftigt sich mit dem bisherigen Werdegang von Wolfgang Niersbach: „Die Nähe zu den Wichtigen und Mächtigen hat den Düsseldorfer bisher weit gebracht, vom Sportjournalisten bis zum obersten Chef über 6,8 Millionen deutsche Fußballspieler. Genau wie sein Charme. Man könnte den 64-Jährigen einen Menschenfänger nennen, wenn Menschenfänger nicht einst Schlingenstäbe gewesen wären, mit denen die preußische Armee Deserteure einfing. Doch Niersbach, der fröhliche Rheinländer aus Düsseldorf, ist wenig preußisch. Witzchen und Anekdötchen, Charme und Instinkt sind die Fangschlingen eines Mannes, der einen untypischen Weg an die Spitze zurückgelegt hat, vorbei an der klassischen Funktionärskarriere. Nun könnte der steile Absturz folgen.“

freistoss des tages

 

Kommentare

1 Kommentar zu “WM 2006 – Ein gekauftes Sommermärchen?”

  1. lulur bali ratih
    Montag, 11. April 2016 um 17:32

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