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Bundesliga

Hertha BSC – Mal wieder nicht zugepackt

Kai Butterweck | Montag, 12. Dezember 2016 Kommentare deaktiviert für Hertha BSC – Mal wieder nicht zugepackt

In Berlin verteilt die Mannschaft von Pal Dardai bereits zwei Wochen vor dem Fest Weihnachtsgeschenke. Außerdem: Landflucht in Wolfsburg, Schlachtfest in Frankfurt und Chaos-Feiertage in Hamburg

Ausgerechnet gegen das bis dato auswärtsschwächste Team der Liga: In Berlin liegt die erste Heimniederlage der Saison vielen Verantwortlichen schwer im Magen. Michael Rosentritt (Tagesspiegel) wundert sich nicht: „Diese erste Heimniederlage nach sechs Heimsiegen in Folge schmerzte. Gar nicht so sehr, weil die Chance bestanden hatte, an den RB Leipzig auf Schlagdistanz heranzurobben vor dem direkten Duell am kommenden Samstag. Sondern weil Hertha als Dritter den Abstand auf die nachrückende Konkurrenz hätte ausbauen können, denn Hoffenheim, Frankfurt, Dortmund und Köln hatten zuvor unentschieden gespielt. Aber vielleicht war es gerade diese schöne Aussicht im Abendspiel, die den Berlinern auf die Füße fiel. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Hertha das Momentum verspielt und nicht zugepackt hätte.“

Nüchtern und erfolgreich

Michael Horeni (FAZ) beschäftigt sich intensiv mit Hertha-Trainer Pal Dardai: „Der Ungar ist von einer Nüchternheit, wie man sie von heutigen Bundesliga-Trainern jedenfalls kaum mehr kennt. Er ist einer in der Welt der Sky-News-HD-Nachrichten im 24-Stunden-Betrieb und den Social-Media-Activities, der noch aus der Rudi-Völler-Zeit kommt, damals, als die Spieler noch Ramelow, Jeremies, Linke oder eben Dardai hießen – und Fußball mit Laptop und Lifestyle rein gar nichts zu tun hatte. Und ein bisschen von dieser Haltung, wonach Fußball ein einfaches Spiel ist, und es vor allem auf Fleiß und Charakter ankommt, hat Dardai auch in die heutige Zeit des großen Fußball-Entertainments mitgenommen.“

Üben Berufsfußballer ihren Job in Wolfsburg weniger leidenschaftlich aus als in Dortmund, Gelsenkirchen oder Gladbach? Christof Kneer (SZ) guckt genau hin: „Den Traditionalisten wird es gefallen, dass sich abstrakte Werte wie Atmosphäre, Identifikation oder Fan-Zuspruch manchmal eben doch in der Tabelle messen lassen; jedenfalls gerät ein Klub, bei dem diese Werte vermisst werden, in die Gefahr, als Mittel zum Zweck missbraucht zu werden. Wolfsburg ist sexy, solange man dort nicht nur weit über Tarif verdienen, sondern auch Meister, Pokalsieger oder Champions-League-Teilnehmer werden kann. Wenn nicht, setzt die Landflucht ein: Es gingen De Bruyne, Schürrle, Kruse; demnächst folgen Draxler, womöglich Luiz Gustavo, vielleicht Gomez. Es ist immer dasselbe in Grün.“

Julian Ritter (Zeit Online) sitzt in Frankfurt auf der Tribüne und will eigentlich nur eins: wieder nach Hause: „Trotz Härte, Nickligkeiten sowie taktischer und anderer Fouls auf beiden Seiten gab Schiri Christian Dingert bis in die zweite Hälfte hinein keine Gelbe Karte. So kam von Anfang bis Ende kein Fußballspiel auf. Frankfurt foulte so oft wie kein Heimteam seit dem HSV in seiner rüpelhaften Phase unter Joe Zinnbauer. Offensiv probierte die Eintracht ein paar Fernschüsse, die TSG noch weniger. Das Resultat war ein 0:0 der schlechtesten Sorte. Hoffenheim bleibt als einziges Team ungeschlagen, wenn man von David Abrahams Ellbogen in Wagners Gesicht absieht.“

Gisdols Spielphilosophie sieht keine Pausen vor

Wieso der HSV wieder gewinnt? Tobias Escher (11Freunde) klärt auf: „Schon zu Hoffenheimer Zeiten war Markus Gisdol für seinen Vollgas-Fußball bekannt. Gisdols Spielphilosophie sieht keine Pausen vor. Wenn der Gegner den Ball hat, sollen seine Spieler sofort attackieren. Und wenn sie den Ball erobern, soll sofort nach vorne gespielt werden. Im Detail sieht Gisdols Spielweise ein aggressives Pressing und Gegenpressing vor. Aus dem nominellen 4-2-3-1-System rücken permanent fünf Spieler nach vorne, um den Gegner aktiv am Spielaufbau zu hindern. Die Dreierreihe hinter dem einzigen Stürmer steht dabei besonders eng, um eine hohe Kompaktheit zu gewährleisten. Gisdols Hamburger sollen immer eine Überzahl um den Ball haben, selbst wenn sich der Ball weit in der gegnerischen Hälfte befindet. Der aggressive Kampf um zweite Bälle gehört zum Wesenskern einer jeden Gisdol-Mannschaft.“

Beim HSV nimmt Heribert Bruchhagen den Platz von Ex-Sportchef Dietmar Beiersdorfer ein. Wird jetzt alles wieder gut? Hendrik Buchheister (Spiegel Online) grübelt: „Die Hamburger gehen bei der Neubesetzung des Klubchefpostens nach einem alten Muster vor. Sie holen jemanden zurück, der schon mal da war: Heribert Bruchhagen, Anfang der Neunziger Manager beim HSV, ist allerdings niemand, der wie Beiersdorfer romantische Gefühle bedient. Das muss er auch nicht. Es geht ums Überleben für die Hamburger. Für Bruchhagen sprechen seine Erfahrung und seine vielfältigen Kontakte. Besonders originell ist es allerdings nicht, für die wichtigste Position im Klub jemanden zu engagieren, der eigentlich schon im Ruhestand war.“

Sie werden Hoffnung spüren, sie werden Bitternis erleben

Benedikt Warmbrunn (SZ) knipst im Tabellenkeller das Licht an: „Effekthascherei hat in dieser engen, ausgeglichenen Liga kaum noch eine Wirkung, zumindest keine kurzfristige, das ist die Botschaft der Tabelle. Dass nun Gisdol/Hamburg und Walpurgis/Ingolstadt am Samstagmittag gewonnen haben, dass sie noch näher heranrückten an Schuberts am Sonntagmittag gegen Mainz spielende Borussia, verstärkt lediglich das Engegefühl im Tabellenkeller. Es ist nicht leicht, aus dieser Gruppe der Abgehängten, zu der auch noch der FC Augsburg von Dirk Schuster zählt, auszubrechen. Für manche wird es nicht möglich sein, daran wird auch ein erneuter Trainerwechsel kaum etwas ändern. Die Mannschaften werden die Platzierungen noch untereinander wechseln, sie werden Hoffnung spüren, sie werden Bitternis erleben.“

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