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Folgt Marco Streller der Spur Stépahne Chapuisats? – „Sanierungsfall Borussia Dortmund“ (SZ) – FAS-Interview mit Gerd Niebaum u.v.m.

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Folgt Marco Streller der Spur Stépahne Chapuisats? – „Sanierungsfall Borussia Dortmund“ (SZ) – FAS-Interview mit Gerd Niebaum u.v.m.

Martin Hägele (NZZ 19.1.) weissagt Marco Streller, Schweizer Zugang des VfB Stuttgart, das Fortune seines Landsmanns Stéphane Chapuisat: „Der kleine „Chappi“ war damals noch keine internationale Grösse, wahrscheinlich hätte in ganz Deutschland niemand fehlerfrei den Namen jenes schmächtigen Angreifers buchstabieren können, der auf einmal bei Bayer Uerdingen in der zweiten Bundesliga mitkickte. Der Manager dort hiess übrigens Felix Magath. Mittlerweile hat es „Deutschlands Trainer des Jahres“ zum Teammanager geschafft: Als einziger Fussball-Lehrer der Bundesliga hat sich Magath jene Kompetenzen erarbeitet, über die sein Vorbild Alex Ferguson bei Manchester United verfügt. Zum „Mister VfB“ avancierte der ehemalige Regisseur des Hamburger SV aber nur durch seine zeitgemässe Aufbauarbeit mit Talenten und preiswerten Transfers. Ein Verein wie der VfB Stuttgart kann sich keine hochkarätigen Spieler leisten, für die Ablösesummen in zweistelliger Millionenhöhe fällig sind. Magath muss aus Talenten Stars machen, darin sieht er seine Hauptaufgabe. Und der 50-Jährige ist einer der ganz wenigen in dieser Branche, die es beherrschen, junge Professionals auf allen Ebenen in ihrem Beruf zu erziehen. Die jungen Nationalspieler Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi, der Weissrusse Aleksander Hleb sowie die designierten Nationalspieler Timo Hildebrand und Philipp Lahm gelten dabei als Magaths Musterschüler. Genau in dieses Profil passt auch Marco Streller (…) Der VfB hatte dringend einen dritten Mann für seinen Sturm gesucht und auch gebraucht. Einen, der neben den beiden bisher Gesetzten Kuranyi und Szabics die Konkurrenz in der Angriffsreihe belebt, weil er sowohl mit diesen als auch anstatt des deutschen bzw. des ungarischen Nationalmittelstürmers eingesetzt werden kann. In dieser Rolle hatte sich der Grieche Ioannis Amanitidis nicht stark genug gezeigt. Er konnte Kuranyi und Szabics unter den mittlerweile verschärften Bedingungen einer Spitzenmannschaft, die um die deutsche Meisterschaft mitreden will, nicht mehr länger richtig herausfordern. Deshalb erhielt das Eigengewächs des VfB, das in den vergangenen Saisons noch zu den Stammspielern und als eine der Vorzeigefiguren der „jungen Wilden“ gezählt hatte, nach Strellers Zusage sofort die Freigabe für einen anderen Verein.“

Werder ist wieder etwas wert, er vielleicht der Wertvollste von allen

Frank Hellmann (FR 16.1.) teilt anschaulich die gewachsene Bedeutung Thomas Schaafs mit: „Ingrid Steeger, Bruce Springsteen und Dieter Bohlen haben in der Vergangenheit das Bremer Sechstagerennen gestartet. Weil die Veranstaltung im Norden eher Kirmes als Sport darstellt, waren in der Geschichte alle Stars und Sternchen recht. Ausgerechnet zum 40-jährigen Jubiläum haben die Macher sich mit einem nüchternen Fußball-Lehrer begnügt. Thomas Schaaf, 42 Jahre, seit 31 Jahren beim SV Werder. Kein schillernder sondern ein stiller Star. Mittlerweile zwängt er sich für einen solchen Auftritt in einen Anzug, lächelt an der Seite von DJ Ötzi und feuert den Startschuss ab. Die Leute haben gejohlt und gejubelt. Wie einst bei Steeger, Springsteen oder Bohlen. Ich habe mich darüber gefreut, sagt er, das war eine Auszeichnung für alle im Verein. Will heißen: Werder ist wieder etwas wert, er vielleicht der Wertvollste von allen.“

Nicht unbedingt der Urenkel eines preußischen Beamten

FAS-Interview mit Gerd Niebaum

FAS: Uli Hoeneß hat gesagt, abseits des FC Bayern täten sich wirtschaftliche Abgründe auf. Steht auch Borussia Dortmund am Abgrund, angesichts eines vermuteten Erlösrückgangs von 20 bis 30 Millionen Euro?

GN: Wir stehen nicht am Abgrund. Aber wir haben eine Mannschaft, die für die Champions League gebaut ist. Wenn wir nicht im positiven Sinne explodieren, werden wir auch in der kommenden Saison nicht in der Champions League spielen. Dann müssen wir die Kostenstruktur an die Einnahmemöglichkeiten anpassen. Das ist wie bei einem Unternehmen, das seinen Bedarf an hochqualifiziertem Personal an einem Großauftrag ausgerichtet hat und diesen Auftrag verliert. Unser Großauftrag ist die Champions League.

FAS: Es soll ein Angebot von Chelsea London für Tomas Rosicky geben. Wird er den Klub verlassen?

GN: Beim BVB liegt kein Angebot von Chelsea vor. Und zu Gerüchten möchte ich mich nicht äußern.

FAS: Beim Trainingsstart nach der Weihnachtspause haben drei südamerikanische Spieler unentschuldigt gefehlt. Nehmen manche Profis ihre Arbeit beim BVB nicht mehr ernst?

GN: Ich finde das Ganze nicht so dramatisch, wie es dargestellt wird. Wir kennen so etwas seit Julio Cesars Zeiten. Wenn wir einen Südamerikaner verpflichten, wissen wir, daß er nicht unbedingt der Urenkel eines preußischen Beamten ist, der morgens um sieben mit eingetauchter Feder am Schreibtisch sitzt. Die Spieler liegen aber nicht an der Copacabana, sondern sie absolvieren ein mit unseren Ärzten abgestimmtes Rehabilitationsprogramm.

Freddie Röckenhaus (SZ 19.1.) beschreibt den „Sanierungsfall Borussia Dortmund“: „Während die Öffentlichkeit lange Zeit dachte, dass Dortmund ein Gutteil der märchenhaften rund 130 Millionen Euro aus dem Börsengang als Konten-Reserven festgelegt hätte und Präsident Niebaum den BVB gerne als einen der „finanzstärksten Klubs Europas“ rühmte, wurden in Wahrheit in atemberaubender Geschwindigkeit die Millionen verheizt. Manager Michael Meier gab am Samstag in einem Interview mit der Westfalenpost erstmals auch öffentlich zu, der BVB habe seit den neunziger Jahren stets „im Vorgriff auf zu erwartende Einnahmen“ seine waghalsigen Einkaufstouren gemacht. Neben üppigen Darlehen (derzeitiger Stand: über 70 Millionen Euro) verkauften Niebaum und Meier unter anderem 20 Prozent der Sponsoring-Einnahmen an die Vermarkter-Firma Sportfive (ehemals Ufa), dann die Namensrechte an dem vereinseigenen Sportausstatter goool.de an den Gerling-Konzern (gegen eine jährliche Rückzahlungspflicht von mindestens 1,5 Millionen Euro) sowie die 75-prozentige Eigentümerschaft am Westfalenstadion an eine Fonds-Gesellschaft der Commerzbank. Jeweils, um auf Kosten langfristiger Verschuldung kurzfristig eine pro Jahr um 20 bis 30 Millionen Euro zu teure Mannschaft weiter finanzieren zu können. Vor allem der Verkauf des Stadions hat die Banken zu einem Umdenken bewogen. Mit den immer neuen außerordentlichen Geldquellen leistete sich Dortmunds Führungs-Duo Niebaum/Meier jahrelang Ablösesummen und Gehälter, die bei weitem die normalen Einnahmen des durchaus ertragsstarken Klubs überstiegen (…) Manager Meier hat inzwischen der Westfalenpost gegenüber eingestanden, dass der BVB sich auch selbst an den Londoner Finanzmakler Stephen Schechter gewandt hat, um eine hohe Anleihe nach dem Vorbild von Schalke 04 aufzunehmen. Meier hatte bisher stets behauptet, Schechter habe umgekehrt den Dortmundern seine Dienste angeboten. Offenbar sind die Verhandlungen mit Schechter um eine Anleihe zwischen 50 und 100 Millionen Euro nicht nur aus diesem Grund ins Stocken geraten. Dortmund braucht das Geld lebensnotwendig – Schechters Investoren brauchen Sicherheiten.“

Synonym für Durchschnittskicker

Jörg Marwedel (SZ 16.1.) stellt fest, dass Marcel Maltritz (HSV) sich verzockt hat: „Seit Maltritz beim HSV einen neuen Vertrag ablehnte, der ihm – erfolgsabhängig – ein Jahressalär bis zu 800 000 Euro beschert hätte, droht der Name des wackeren Kämpfers zum Synonym für jene Durchschnittskicker zu werden, denen es angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation an Demut mangelt und denen Bayern-Manager Uli Hoeneß dieser Tage riet, sie sollten „jeden Morgen zwei Kerzen aufstellen, dass sie diesen Lebensstandard genießen dürfen“. Zwar weiß man beim HSV Maltritz’ solide Arbeit durchaus zu schätzen, gleichwohl weicht das Urteil des Sportchefs Dietmar Beiersdorfer ein gutes Stück von der Selbsteinschätzung des Profis ab. Für Beiersdorfer ist Maltritz einer jener Fußballer, die sich künftig mit bescheideneren Gagen begnügen müssen, weil sie nicht, wie der persische Dribbel- und Flankenspezialist Mehdi Mahdavikia, zu den Stars zählen, die mit ihren Künsten und ihrer Ausstrahlung ein Stadion füllen können. Mahdavikia, den die Fans regelmäßig mit langgezogenen „Mehdi“-Rufen feiern, wird nach seiner Vertragsverlängerung mehr als zwei Millionen Euro jährlich kassieren und neben Sergej Barbarez (2,3 Millionen Euro) der Topverdiener beim HSV sein. Maltritz dagegen durfte nicht einmal auf die Unterstützung des Trainers bauen. „Jeder ist ersetzbar“, teilte Klaus Toppmöller kühl mit, „wenn er nicht will, kommt eben ein anderer“. Kaum ein Klub geht so rigoros wie der HSV vor bei dem Versuch, die Kostenstrukturen zu korrigieren und dabei umzusetzen, was Experten schon lange empfehlen: viel Geld für die Topstars und immer weniger für das Fußvolk.“

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